Silhouette einer Frau neben dem H&M-Logo
Reuters/Thomas Peter
H&M

Familienbetrieb im Umbruch

Läuft es in einem Unternehmen nicht gut, gerät für gewöhnlich die Chefin oder der Chef in den Fokus. Beim schwedischen Moderiesen H&M ist das trotz der Ungeduld der Investoren anders gelaufen. Das Familienunternehmen durchtauchte die wirtschaftlich dürren Jahre auch personell. Jetzt, wo es wieder besser läuft, werden die Weichen neu gestellt.

Heuer wird das 1947 in Stockholm gegründete Unternehmen an zwei maßgeblichen Positionen verjüngt – mit Blick auf die Geschichte des Konzerns kommt das überraschend. Der 44-jährige Karl-Johan Persson, bisher CEO, beerbt seinen Vater an der Spitze des Aufsichtsrats. Deshalb rückt Helena Helmersson in den Fokus – die 47-Jährige wird mit sofortiger Wirkung statt Persson Firmenlenkerin und Gesicht nach außen sein.

Von ihr verspricht man sich neue Frische – ein Faktor, den das Vater-Sohn-Gespann aufgrund wirtschaftlicher Turbulenzen zwischenzeitlich nicht mehr voll erfüllte. Dabei galten Stefan und Karl-Johan als eingespieltes Gespann, hatte doch der 72-jährige Stefan Persson bereits von seinem Vater, H&M-Gründer Erling Persson, übernommen – das geschah 1998 und ist somit über 20 Jahre her.

Karl-Johan Persson und Helena Helmersson
APA/AFP/Jonas Ekstromer
Persson und Helmersson vor der Bekanntgabe der personellen Veränderungen und der Vorstellung der neuen Zahlen

„Waren zu selbstgefällig“

Als der damals 33-Jährige die Führung übernahm, war keine Rede von frischem Wind. Es gehe ihm „nicht um große Veränderungen“, sagte Karl-Johan Persson damals. Das Geschäftsmodell von H&M bleibe „dasselbe wie immer“. Eine Ausrichtung, mit der sich lange Erfolge verbuchen ließen – doch das sollte sich drastisch ändern. Insbesondere in der zweiten Hälfte der 2010er Jahre ging es bergab.

Umsatz und Gewinn gingen zurück – H&M rutschte ab, während der größte Konkurrent, der Zara-Mutterkonzern Inditex, stabil blieb und zu enteilen drohte. „Wir haben Fehler gemacht“, sagte Persson in einem Interview mit dem deutschen Magazin „Stern“ im März 2018. „Wir waren wohl zu selbstgefällig und selbstzufrieden.“ Persson sagte, es sei „ein Weckruf“ gewesen. Gleich mehrere Probleme waren also hausgemacht.

Mehrere Problemfelder

So wurde über lange Zeit die Entwicklung im Onlinehandel verschlafen, auf einen Schlag bestand dringender Handlungsbedarf. Mindestens genau so groß war das Problem, dass sich mit dem Erstarken der noch billigeren Konkurrenz ergab – Primark und TK Maxx etwa. Auch hier gestand Persson Fehler ein: Man hätte Ware wohl „besser präsentieren“ müssen, der „Mix des Angebots“ habe nicht mehr gestimmt, sagte er Anfang 2018.

Gewinneinbruch, schwächerer Umsatz und Kursverfall waren die logische Folge. Doch das Unternehmen schaffte den Turnaround: Im dritten Quartal 2019 war seit mehr als zwei Jahren der Gewinn gestiegen. Die am Donnerstag präsentierten neuen Zahlen geben den positiven Trend wieder: Für das von Dezember 2018 bis November 2019 laufende Geschäftsjahr nahm der Gewinn um elf Prozent auf 17,4 Mrd. Kronen (1,63 Mrd. Euro) zu.

„Auf dem richtigen Weg“

Die Nettoerlöse der Gruppe, zu der auch weitere Marken wie Arket, COS, Monki und Weekday gehören, die teilweise zu einem höheren Preissegment zählen bzw. in anderen Fällen auf jüngeres Publikum abzielen, stieg im Jahresvergleich ebenfalls um elf Prozent auf knapp 233 Mrd. Kronen (21,9 Mrd. Euro). „Diese positive Vorstellung zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind“, so Persson.

Die Probleme konnte H&M durch einige Maßnahmen in den Griff bekommen: So stellte der Konzern seine Logistiksysteme um und baute sein Onlinegeschäft aus. 2017 wurden in diesen Bereich fast 600 Mio. Euro gesteckt. Fast die Hälfte aller Investitionen war damit abgedeckt. Auch wurde ein neues Store-Konzept entwickelt, um Kundinnen und Kunden zurückzugewinnen und wieder in die Geschäfte zu locken.

Weniger Fokus auf die Familie

Umso bemerkenswerter ist, dass der personelle Umbruch jetzt stattfindet. „Wären die Zahlen nicht so gut, hätte man den Schritt wohl nicht gewagt“, meinte Peter Malmqvist, Chefanalyst beim schwedischen Aktionärsverband (Aktiespararna) gegenüber dem öffentlich-rechtlichen SVT. Insbesondere die neue Chefin rückt der Analyst ins Zentrum einer neuen Ausrichtung.

Helena Helmersson
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Mit Helmersson soll der Konzern anders wirken als bisher

Mit der neuen Chefin Helmersson könne es gelingen, den Fokus des Unternehmens auf die Familie zu reduzieren, sagte er SVT. Es sei als „Signal“ zu werten, dass die Aufräumarbeiten in der Firma (nach der Krise) vorüber sind und der Boden für die neue Chefin bereitet ist, meinte der Experte. Persson, der nach der Vorstandssitzung im Mai als Aufsichtsratschef übernimmt, bezeichnete Helmersson als „erfahrene und gute Führungskraft, die unsere Werte lebt“.

Bleibende Fragen

Was die Strategie von H&M angeht, hielten sich die Perssons lange bedeckt – die Familie gilt als verschlossen. Erst als die Themen Arbeitsbedingungen und Nachhaltigkeit verstärkt in den Fokus rückten, kam Karl-Johan Persson aus der Deckung. Er musste sich gegen Kritikerinnen und Kritiker verteidigen, die Arbeitsbedingungen von H&M-Näherinnen in Bangladesch und anderen Billiglohnländern anprangerten.

Mehrfach musste Persson öffentlich dazu Stellung nehmen, wie H&M in den Kleiderfabriken die Sicherheit und prekären Arbeitsbedingungen für Textilarbeiterinnen und -arbeiter verbessern will, wie Mode fair produziert werden könnte und wie der Konzern nachhaltiger werden will. Themen, die auch künftig eine Rolle spielen dürften und Helmersson als neue Chefin des Unternehmens wohl beschäftigen werden.

Ein Vorteil ist es da, dass sie das Unternehmen gut kennt: Nach ihrem Universitätsabschluss im nordschwedischen Umea arbeitete sie seit 1997 im Konzern und hatte seitdem verschiedene Posten in der Firma inne. Unter anderem arbeitete sie mehrere Jahre lang als Nachhaltigkeitschefin und war zuletzt Leiterin des operativen Geschäfts. 2014 wurde sie von einem schwedischen Fachmagazin zur mächtigsten Geschäftsfrau des Jahres gekürt.

Mitarbeiter ausgespäht?

Zuletzt geriet H&M wegen des Verdachts, in Deutschland Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgespäht und auch private Daten über Krankheiten und familiäre Hintergründe gespeichert zu haben, in die Schlagzeilen. Dem Konzern droht deswegen eine hohe Strafe. Ein entsprechendes Bußgeldverfahren sei eingeleitet worden, weil sich der Verdacht erhärtet habe. Betroffen sei der Standort Nürnberg, wie es hieß.

Eine H&M-Sprecherin teilte schriftlich mit: „Wir nehmen den Vorfall nach wie vor sehr ernst und bedauern aufrichtig, dass Kolleg*innen betroffen sind.“ Man kooperiere vollumfänglich mit der Datenschutzbehörde, habe eine Reihe von Maßnahmen ergriffen und stehe in engem Dialog mit allen Kollegen. „Der Schutz der persönlichen Daten unserer Kolleg*innen hat für uns oberste Priorität“, wurde versichert.