WIFO und IHS: Langer Aufgabenkatalog für Regierung

Die Chefs von Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) und Institut für Höhere Studien (IHS), Christoph Badelt und Martin Kocher, haben heute ein Pflichtenheft für die heimische Politik, insbesondere die neue Bundesregierung, vorgelegt. Der Bogen reicht dabei von europäischen und Wettbewerbsthemen über Digitalisierung bis zum demografischen Wandel.

IHS-Leiter Kocher bezeichnete das demografische „Problem“ als das meistunterschätzte, obwohl es Folgen für alle sozialen Systeme, den Arbeitsmarkt und für das gesellschaftliche Zusammenleben habe. Es werde unterschätzt, weil es langsam komme, relativ bald aber könne es auf dem Arbeitsmarkt schlagend werden, Stichwort Fachkräftemangel.

Zudem werde es irgendwann auch einen Arbeitskräftemangel geben, meinte er bei einem gemeinsamen Auftritt im Klub der Wirtschaftspublizisten.

Mehr Mut zu Reformen

Nach Meinung von WIFO-Chef Badelt wird „die Reformbereitschaft der österreichischen Bevölkerung am meisten unterschätzt“. Ein gutes Beispiel sei das Pensionssystem – da dürfe man nicht nur immer sagen „es gibt kein Problem – es braucht mehr Mut, das anzusprechen“. Ähnliches gelte für den Tourismussektor, in dem es „noch Nachholbedarf in den Arbeitsbedingungen“ gebe – ähnlich dem Pflegebereich, „wo wir die Arbeitskräfte nicht halten können“.

Die österreichische Politik und Wirtschaftspolitik sollte sich stärker in Europa engagieren, verlangte Badelt – etwa bei steuerbezogenen Themen bis hin zu einer Finanztransaktionssteuer und einem CO2-Ausgleich an der Grenze bei Importen.

Für mehr Wettbewerbsfähigkeit sollten spezifische Strukturprobleme angegangen werden, etwa im Autobereich und Tourismus. In Forschung, Technologie und Digitalisierung sei Österreich zwar nicht schlecht aufgestellt, aber verbesserungswürdig.

Qualifikation gegen Arbeitslosigkeit

Die Arbeitslosigkeit sei heute um 80.000 bis 100.000 Betroffene höher als vor der Finanz- und Wirtschaftskrise – und die Arbeitslosigkeit werde noch – langsam – steigen. Die Antwort sei daher „Qualifikation, Qualifikation, Qualifikation“. Die Aufwertung der Lehre sei positiv, auch die Weiterbildung von Beschäftigten sei wichtig.

Beide Experten machten sich für „evidenzbasierte Entscheidungen“ in der Wirtschaftspolitik stark – das benötige man jetzt bei der geplanten Ökologisierung des Steuersystems, und das schränke die Handlungsfähigkeit nicht ein. Kocher begrüßte das politische Ziel einer Klimaneutralität bis 2040, vermisste aber zugleich Ziele für den Digitalbereich und den demografischen Wandel.

Kritik an Pendlerpauschale

Bei der Steuerreform sollte insgesamt darauf geachtet werden, dass es keine Verlierer gebe – auch wenn jemand bei einer einzelnen Maßnahme isoliert betrachtet ein Verlierer sein könnte. Die jetzige Pendlerpauschale sei nicht optimal, weil sie dazu verleite, aus der Stadt hinauszuziehen. Und pendle jemand mit einem SUV aus Klosterneuburg ein, brauche er die Pauschale wohl gar nicht. Bei der Pendlerpauschale „müsste es einen großen Wurf“ geben.

Bei allen Pendlerförderungen zusammen geht es um rund 1,2 bis 1,3 Mrd. Euro jährlich, zu denen nochmals rund eine Milliarde als Verkehrsabsetzbetrag hinzukommt. Besser als ein Absetzbetrag wäre hier ein Freibetrag – wobei die Pauschale, die ein Freibetrag sei, durch eine Prämie ersetzt werden sollte, so Badelt. Man könne auch das Gesamtvolumen in eine Prämie für die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel umwandeln. Allerdings müsste die Kapazität im öffentlichen Verkehr verstärkt werden.

Über die Spritpreise allein gebe es keine ausreichende Möglichkeit, die Menschen zu Verhaltensänderungen zu bewegen, gaben die Experten zu verstehen. „Eigentlich sollte eine Lenkung über den Benzinpreis funktionieren, aber wissen, dass die Preiselastizität relativ gering ist“, sagte Badelt.