Brexit: Johnson plant harte Verhandlungslinie

Nach dem Brexit will der britische Premierminister Boris Johnson in den Verhandlungen mit der EU über die künftigen Beziehungen eine harte Linie einschlagen. In vorab veröffentlichten Auszügen einer für heute geplanten Rede kündigt Johnson an, dass er die Anwendung der „vollen Palette“ der EU-Regulierungen auf Großbritannien vermeiden wolle.

Johnson betont, dass er eine „pragmatische“ Handelsvereinbarung mit der Europäischen Union anstrebe. Es sei nicht notwendig, dass das Vereinigte Königreich die EU-Regeln für den Wettbewerb, für staatliche Subventionen, den sozialen Schutz oder die Umwelt übernehme, erklärt Johnson in den von der britischen Regierung verbreiteten Passagen seiner Ansprache.

Auch „kleineres Abkommen“ denkbar?

Großbritannien wolle zwar in diesen Bereichen „die höchsten Standards“ und sogar noch höhere Standards als jene der EU, hebt der Premier hervor. Doch wolle London diese Standards „ohne den Zwang eines Vertrags“ mit der EU wahren. Johnson kündigt auch an, falls ein umfassendes Handelsabkommen mit der EU nicht erreichbar sei, dann wolle seine Regierung ein kleineres Abkommen abschließen.

Die EU-Kommission will ihrerseits heute ihren Vorschlag zum Mandat für die Verhandlungen mit London beschließen. Die EU will, dass sich Großbritannien zumindest teilweise den geltenden EU-Regeln anpasst, um ungleiche Wettbewerbsbedingungen zu vermeiden. EU-Chefunterhändler Michel Barnier sagte dem französischen Sender LCI, das Abkommen müsse unter anderem Regelungen zu den Fischereirechten und zum Warenverkehr umfassen.

Großbritannien gehört zwar seit 1. Februar nicht mehr zur Europäischen Union. Praktisch hat sich aber fast nichts geändert, weil in einer Übergangsfrist alle EU-Regeln im Vereinigten Königreich weiter gelten. Erst am 31. Dezember endet die Übergangsfrist.

Etliche offene Fragen

Für die Zeit danach muss unter anderem geklärt werden, ob Zölle oder andere Handelsschranken vermieden werden können, unter welchen Bedingungen EU-Kutter weiter in britischen Gewässern fischen können, wie Strafverfolger zusammenarbeiten und Dutzende Fragen mehr.

Die EU beteuert, sie wolle engstmögliche Beziehungen, verlangt aber dafür gemeinsame Standards und Wettbewerbsbedingungen. Die britische Regierung will jedoch nach eigenem Bekunden künftig nach Bedarf von EU-Standards abweichen.