Proteste der Krankenschwestern und -pflegern in Hongkong.
Reuters/Tyrone Siu
Coronavirus

Pflegepersonal in Hongkong streikt

Nach monatelangen Massenprotesten in Hongkong hat sich am Coronavirus-Ausbruch neuer Unmut gegen die Führung der chinesischen Sonderverwaltungszone entzündet. Nach einem ersten Coronavirus-Todesfall streikt nun das Personal örtlicher Krankenhäuser und fordert die umgehende Schließung aller Grenzübergange zu Festlandchina.

Hunderte Pfleger und Pflegerinnen legten am Dienstag den zweiten Tag in Folge die Arbeit nieder und gingen auf die Straße. Auf Transparenten war „Rettet HK jetzt“ zu lesen. Die Schließung aller 13 Grenzübergänge lehnte Regierungschefin Carrie Lam bisher ab, drei Übergänge sind weiterhin geöffnet, zehn geschlossen. Die Schließung der gesamten Grenze wies Lam mit der Begründung zurück, das sei unangemessen, unpraktisch und diskriminierend. Die Führung in Peking, die hinter Lam steht, hatte mit Blick auf das Coronavirus Überreaktionen anderer Länder – vor allem der USA – kritisiert.

In den Straßen von Hongkong waren unterdessen Protestzüge von Krankenschwestern und -pflegern zu sehen, die Atemmasken trugen. Die Masken hatten während der zum Teil gewaltsamen Massenproteste gegen die Hongkonger Führung eine besondere Bedeutung erlangt, weil die Behörden das Tragen vorübergehend verboten hatten.

Ein „flash mob“ während der Proteste der Krankenschwestern und -pflegern in Hongkong.
APA/AFP/Anthony Wallace
Proteste in Hongkong für die Schließung aller Grenzübergänge nach Festlandchina

Verstorbener war durch andere Erkrankung geschwächt

Bei dem in Hongkong Verstorbenen handelt es sich um einen 39-jährigen Mann, wie die Krankenhausverwaltung mitteilte. Er sei durch eine Grunderkrankung geschwächt gewesen. Im Jänner habe er die chinesische Stadt Wuhan besucht, das Zentrum des Coronavirus-Ausbruchs. Bislang gab es in Hongkong 17 bestätigte Corona-Infektionen.

Proteste der Krankenschwestern und -pflegern in Hongkong.
Reuters/Tyrone Siu
Hunderte sind aus Protest in Hongkong auf den Straßen

In Singapur steckten sich erstmals Menschen innerhalb des Stadtstaates mit dem neuartigen Coronavirus an. Das Gesundheitsministerium von Singapur meldete am Dienstag sechs neue Fälle, darunter vier Mensch-zu-Mensch-Übertragungen des Erregers. Insgesamt gibt es in Singapur damit 24 Coronavirus-Fälle.

Wie die chinesische Regierung am Dienstag mitteilte, stieg die Zahl der Todesopfer durch die Epidemie seit Montag in Festlandchina um weitere 64 Fälle. Sie alle wurden in der zentralchinesischen Provinz Hubei verzeichnet. Mittlerweile gibt es mindestens 426 Todesopfer. Bis Dienstag gab es zudem 20.438 bestätigte Erkrankungen – 3.225 neue Fälle im Vergleich zum Vortrag. Es ist der bisher stärksten Anstieg der Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus und der Todesfälle innerhalb eines Tages.

Nur jeden zweiten Tag zum Einkaufen raus

Die chinesischen Behörden schränkten in drei weiteren Großstädten außerhalb der Provinz Hubei die Bewegungsfreiheit von rund zwölf Millionen Menschen ein. Die Maßnahmen betreffen nach Behördenangaben die gesamte Stadt Taizhou sowie Teile von Hangzhou, wo sich der Sitz des chinesischen Internetriesen Alibaba befindet, und mehrere Bezirke von Ningbo.

Taizhou ist 150 Kilometer von der Wirtschaftsmetropole Schanghai und 850 Kilometer vom Zentrum der Coronavirus-Epidemie in der Provinz Hubei entfernt. In der Stadt darf vorerst nur noch ein Bewohner pro Haushalt jeden zweiten Tag für Einkäufe das Haus verlassen. Die gleiche Regelung gilt für die betroffenen Viertel von Hangzhou und Ningbo. Die Behörden in Taizhou setzten zudem ab Dienstag 95 Zugsverbindungen aus.

Eingänge zu Wohnblocks streng bewacht

In Taizhou dürfen Bewohner von Wohnkomplexen nach Regierungsangaben nur durch einen bestimmten Eingang in die Gebäude gelangen und müssen ihren Ausweis vorzeigen, wenn sie nach draußen gehen oder zurückkehren wollen.

Wohnungseigentümern ist es zudem untersagt, ihr Eigentum an Menschen zu vermieten, die unlängst in besonders schwer vom Coronavirus betroffenen Regionen wie Hubei waren. In Hangzhou wurde das Tragen von Atemschutzmasken angeordnet. Auch Ausweise und die Körpertemperatur der Bewohner sollen überprüft werden. Am Sonntag war bereits die Bewegungsfreiheit der Bewohner der Neun-Millionen-Einwohner-Metropole Wenzhou an der Ostküste Chinas stark eingeschränkt worden.

Chinesische Führung: Fehler und Schwierigkeiten

Chinas Führung räumte am Montag „Fehler“ im Umgang mit der Coronavirus-Epidemie ein. Der Ständige Ausschuss des Politbüros der regierenden Kommunistischen Partei erklärte laut der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua, die Reaktion auf die Coronavirus-Epidemie habe „Fehler und Schwierigkeiten“ beim nationalen Notfallmanagement offengelegt. Das System müsse daher verbessert werden. Der Ständige Ausschuss forderte außerdem eine verstärkte Überwachung von Märkten. Der illegale Handel mit Wildtieren müsse streng verboten werden, die Behörden müssten hart dagegen vorgehen.

Es wird vermutet, dass der Erreger der Lungenkrankheit auf einem Markt in der zentralchinesischen Stadt Wuhan von einem Wildtier auf den Menschen übergegangen ist. Auf dem mittlerweile geschlossenen Markt wurden außer Meeresfrüchten und Geflügel auch Tiere wie Krokodile, Schlangen und Füchse angeboten.

Staatschef Xi Jinping sagte bei der Sitzung des Politbüros, eine Eindämmung der Coronavirus-Epidemie werde einen „direkten Einfluss“ auf die wirtschaftliche und soziale Stabilität Chinas „und auch auf Chinas Öffnung“ haben. Angesichts der rasanten Ausbreitung des Erregers hat in China die Wut auf die Behörden zugenommen. Vor allem den Behörden in Wuhan wurde vorgeworfen, Informationen zu dem Virus zu lange zurückgehalten zu haben.

Tausende sitzen auf Kreuzfahrtschiff fest

Unterdessen lässt Taiwan ab Freitag keine Ausländer mehr einreisen, die sich in den vergangenen 14 Tagen in China aufgehalten haben. Die chinesische Sonderverwaltungszone Macao schließt derweil wegen des Coronavirus zwei Wochen lang ihre Casinos. Das teilte der Regierungschef von Macau, Ho Iat Seng, am Dienstag mit. Die Glücksspielmetropole ist ein beliebtes Ziel von Reisenden aus Festlandchina.

Japan lässt Tausende von Passagieren und Besatzungsmitglieder auf einem Kreuzfahrtschiff auf das neue Coronavirus hin untersuchen. Im Hafen von Yokohama sind mehr als 3.700 Menschen auf einem Kreuzfahrtschiff unter Quarantäne gestellt. Ein Mann aus Hongkong, der im vergangenen Monat auf dem Schiff reiste, wurde positiv auf das Coronavirus getestet. Der 80-Jährige flog nach Japan und bestieg das Schiff „Diamond Princess“ der Reederei Carnival Japan am 20. Jänner in Yokohama und landete am 25. Jänner in Hongkong, wie das Unternehmen mitteilte.

Notiz beim Eingang zu einem Geschäft in Hongkong besagt, dass Schutzmasken und Desinfektionsmittel ausverkauft sind
AP/Vincent Yu
Unter anderem hatten Hamsterkäufe die Masken knapp werden lassen

Gesichtsmasken in China knapp

Angesichts der Ausbreitung des Coronavirus und der strikten Kontrollmaßnahmen werden in China Schutzmasken knapp. Das Land bittet deswegen um Unterstützung: „Was China momentan dringend braucht, sind Atemmasken, Schutzanzüge und Schutzbrillen“, so die Sprecherin des chinesischen Außenministeriums am Montag. Die chinesische Industrie komme mit der Produktion nicht mehr nach.

Nach Angaben des Industrieministeriums können chinesische Fabriken pro Tag nur rund 20 Millionen Atemmasken produzieren. Nach den Feiertagen, die als Schutzmaßnahme verlängert wurden, läuft die Produktion aber nur langsam an. Wie ein Ministeriumsvertreter sagte, versuchen die chinesischen Behörden zusätzliche Masken aus Europa, Japan und den USA zu besorgen. Nach Angaben des Außenministeriums haben zudem schon Länder wie Südkorea, Japan, Kasachstan und Ungarn medizinisches Material gespendet. Auch der Vatikan spendete 700.000 Masken – mehr dazu in religion.ORF.at.

Höhepunkt „in zehn Tagen bis zwei Wochen“

Am Montag hatte China mitgeteilt, dass der Höhepunkt der Epidemie erst bevorstehe. Erwartet werde er „in zehn Tagen bis zwei Wochen“, sagte der Chef des nationalen Expertenteams im Kampf gegen das Coronavirus, Zhong Nanshan, nach Angaben chinesischer Staatsmedien vom Montag. Dafür müssten aber vorbeugende Maßnahmen verstärkt werden. „Wir dürfen in unserer Wachsamkeit nicht nachlassen.“

Damit korrigierte der bekannte Experte seine bisherige Vorhersage von vor einer Woche, als er den Höhepunkt noch für Ende dieser Woche vorhergesagt hatte. Warum er den Zeitpunkt jetzt doch weiter in die Zukunft verschieben musste, sagte Zhong nicht. Die Sterblichkeitsrate bezifferte er bei dem Statement auf 2,4 bis 2,5 Prozent. Zuletzt gab es allerdings immer wieder Zweifel an den Angaben aus Peking.

Leichter übertragbar als bisher angenommen?

Das Coronavirus ist offenbar bereits bei sehr leichten Symptomen übertragbar. Das berichteten das Institut für Virologie der Berliner Charite und das Institut für Mikrobiologie der deutschen Bundeswehr am Dienstag nach regelmäßigen Untersuchungen der in der Münchner Klinik Schwabing betreuten Patienten.

Die Labore beider Institute stellten in mehreren Fällen fest, dass infektiöse Viren aus dem Nasen- und Rachenraum von Menschen mit geringen Symptomen in Zellkulturen angezüchtet werden können. Die Krankheitszeichen der untersuchten Patienten ähnelten dabei eher einer harmlosen Erkältung als einer schwerwiegenden Lungenentzündung.

Zugleich fanden die Forscher Hinweise darauf, dass sich das neuartige Coronavirus unabhängig von der Lunge auch im Nasen- und Rachenraum sowie im Verdauungstrakt vermehrt. Über eine mögliche Verbreitung über das Verdauungssystem hatten Berichten zufolge auch chinesische Experten berichtet.