Der Eingangsbereich zur Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKSTA).
APA/Herbert Neubauer
Causa WKStA

Staatsanwälte fordern Gespräch mit Kurz

Kolportierte Aussagen von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) über die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) haben am Mittwoch für Kritik gesorgt. Nachdem sich SPÖ und NEOS empört zeigten und Kurz „brandgefährliches Verhalten“ vorwarfen, forderten Vertreter der Staatsanwälte „dringend“ ein Gespräch mit dem Kanzler.

Gemeinsam mit dem Vorsitzenden der Richter und Staatsanwälte in der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD), Christian Haider, will sich die Präsidentin der Vereinigung Österreichischer Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, Cornelia Koller, „Klarheit über das Geschehene und die damit verfolgten Motive verschaffen“. Die kolportierten Aussagen des Kanzlers zur WKStA stünden in diametralem Gegensatz zu den Zielen des Regierungsprogramms, hieß es in einem veröffentlichten Schreiben. Pauschale Angriffe und die Unterstellung einseitiger und parteipolitisch motivierter Ermittlungen weise man zurück.

Kurz hatte laut einem Bericht des „Falter“ in einem nicht zur Berichterstattung gedachten Hintergrundgespräch mit Journalisten und Journalistinnen die WKStA attackiert und sinngemäß als Netzwerk roter Staatsanwälte bezeichnet. Gefallen seien die Aussagen des Bundeskanzlers in einem Hintergrundgespräch „off records“ (also nicht zur Zitierung freigegeben) am 20. Jänner in der Politischen Akademie der ÖVP. Der „Falter“, der zwar eingeladen wurde, aber wegen eines anderen Termins nicht dabei war, machte die Aussagen nun in einem Leitartikel unter Berufung auf anwesende Journalisten öffentlich.

Kurz-Sprecher: „Nicht weiter kommentiert“

Kurz beschwerte sich laut Leitartikel insbesondere über das Vorgehen gegen Ex-Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) in der Causa rund um die Casinos Austria AG (CASAG). Die WKStA ermittelt unter anderem gegen frühere ÖVP- und FPÖ-Politiker wegen des Verdachts der Bevorzugung des Glücksspielkonzerns Novomatic bei Glücksspiellizenzen im Abtausch für die Bestellung des Wiener FPÖ-Politikers Peter Sidlo zum Finanzvorstand der Casinos Austria.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP)
APA/Roland Schlager
Laut der Wochenzeitung „Falter“ soll Kurz die WKStA kritisiert haben

Der Bundeskanzler wollte zur Berichterstattung über das Hintergrundgespräch heute keine Stellungnahme abgeben. Ein Sprecher sagte auf APA-Anfrage, es sei das gute Recht eines Journalisten, in einem Leitartikel seine freie Meinung zu äußern. „Und dies wird von uns nicht weiter kommentiert.“ Zur WKStA habe sich der Bundeskanzler am Samstag im ORF-Radio ausführlich geäußert. In dem Interview hatte Kurz diesbezüglich auf die Zuständigkeit von Justizministerin Alma Zadic (Grüne) verwiesen. Offene Kritik an der Anklagebehörde übte er nicht – Audio dazu in oe1.ORF.at.

Laut „Falter“ hätten sich „mehrere Kollegen“, die an dem Hintergrundgespräch teilgenommen hatten, an die Wochenzeitung gewandt, „weil sie ihren Ohren nicht trauten, was Kurz da erzählte. Der Kanzler nutzte den Talk dazu, die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft massiv anzugreifen“, heißt es im Leitartikel.

Zadic: Kann kolportierte Aussagen nicht verifizieren

„Wenn das so stattgefunden hat, dann ist das unvertretbar“, sagte Staatsanwältin Koller zu den Aussagen des Kanzlers und sprach von einem „Angriff auf den Rechtsstaat und die Justiz als dritte Staatsgewalt“. Den Beschuldigten in der Casinos-Affäre stehe es frei, Rechtsmittel gegen die Vorgehensweise der Staatsanwaltschaft zu ergreifen: „Wenn jemand der Meinung ist, dass Ermittlungen zu Unrecht geführt werden, dann ist der Rechtsweg zu beschreiten.“

Justizministerin Zadic, in deren Ressort die WKStA fällt, sagte am Mittwoch, dass sie die kolportierten Aussagen nicht verifizieren und daher nicht bewerten könne. „Die Gespräche, die ich in den letzten Wochen mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern führen durfte, bestätigen mir, dass die WKStA objektiv und unabhängig von der Parteizugehörigkeit ermittelt und arbeitet“, sagte Zadic. Außerdem erinnerte sie daran, dass ÖVP und Grüne im Regierungsprogramm die „Stärkung der Korruptionsbekämpfung“ vereinbart haben.

Justiz-Ministerin Alma Zadic.
APA/AFP/Denis Lovrovic
Justizministerin Zadic stellte sich am Mittwoch hinter die WKStA

Im Regierungsprogramm haben ÖVP und Grüne unter anderem eine Evaluierung des Managements von Großverfahren sowie der für Wirtschaftsgroßverfahren eingesetzten Kapazitäten vereinbart. Und „soweit sinnvoll“ soll es auch eine Präzisierung der Zuständigkeiten der WKStA geben. Letzteres hat zuletzt Spekulationen genährt, der Sonderstaatsanwaltschaft könnte die Zuständigkeit für Wirtschaftsverfahren entzogen werden. Zadic wies das allerdings zurück. „Das ist nicht geplant“, versicherte die Justizministerin. Auch Kritik des Bundeskanzlers Kurz an der WKStA sei ihr nicht bekannt: „Ich habe nichts wahrgenommen.“

SPÖ fordert Entschuldigung

Empört über die Aussagen des Kanzlers zeigte sich die SPÖ. Deren Fraktionsvorsitzender im Casinos-Untersuchungsausschuss, Jan Krainer, fordert Kurz auf, sich öffentlich zu entschuldigen. Der Justiz parteipolitische Motive zu unterstellen sei „unfassbar“. Außerdem habe es in den letzten zwölf Jahren ausschließlich „schwarze Justizminister gegeben“. „Wenn der Rechtsstaat derartig diskreditiert, angepatzt und verleumdet wird, ist das eine besonders gefährliche Form des Populismus“, so Krainer.

NEOS-Abgeordnete Stephanie Krisper warf Kurz ein „brandgefährliches Verhalten“ vor: „Die Korruptionsjäger, die ‚Ibiza‘ aufklären, sollen systematisch in der Öffentlichkeit diskreditiert und in ihrer Arbeit behindert werden.“

Bestärkt fühlt sich durch die Aussagen Kurz’ dagegen Karl Baron, Klubobmann der Wiener FPÖ-Abspaltung DAÖ und Unterstützer von Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, einem der Beschuldigten in der Casinos-Affäre. „Selbst wenn diese Aussagen ‚off records‘ gefallen sind, hat der Bundeskanzler damit die von SPÖ und Grünen forcierte Teilunterwanderung unseres Rechtsstaates eindeutig bestätigt“, befand Baron.