Sebastian Kurz
Reuters/Leonhard Foeger
„Defizite und Verbesserungspotenziale“

Kurz lädt in Causa WKStA zu rundem Tisch

In der Debatte über die kolportierten Äußerungen von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zur Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wird es nun einen runden Tisch im Kanzleramt geben. Thema des Treffens sollen „Defizite und Verbesserungspotenziale“ in der WKStA sein, heißt es.

„In der Causa WKStA bleibe ich dabei, dass es legitim ist, bestimmte Abläufe und Prozesse kritisch zu hinterfragen, denn eine unabhängige und funktionierende Justiz ist ein wesentlicher Bestandteil unseres demokratischen Rechtsstaats“, so Kurz am Donnerstag.

Neben Kurz sollen die Standesvertreter sowie Justizministerin Alma Zadic (Grüne) und Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) teilnehmen. Kurz will mit ihnen „die aktuellen Kritikpunkte sowie jene der vergangenen Jahre bei einem runden Tisch im Bundeskanzleramt ansprechen und diskutieren, um anschließend die im Regierungsprogramm vorgegebenen Ziele rasch in Umsetzung zu bringen“. Die Justiz soll laut Kurz „unabhängig und objektiv arbeiten“. Beim runden Tisch soll es nun vor allem um drei Punkte gehen: die Verfahrensdauer, das Vertrauen in die Justiz sowie Unabhängigkeit und Objektivität, so Kurz.

Reaktion auf Hintergrundgespräch

Kurz hatte laut einem Bericht des „Falter“ in einem nicht zur Berichterstattung gedachten Hintergrundgespräch im Zusammenhang mit den Ermittlungen rund um die Causa Casinos und gegen Ex-Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) mit Journalisten und Journalistinnen die WKStA attackiert und sinngemäß als Netzwerk roter Staatsanwälte bezeichnet. Kurz wollte zuerst keine Stellungnahme abgeben, reagierte aber am Rande der Budgetgespräche am Mittwoch in Brüssel.

Kanzler Kurz äußert sich in Causa WKStA

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) soll sich in einem Hintergrundgespräch über die Korruptionsstaatsanwaltschaft empört haben. Der Kanzler dementierte die Aussage am Mittwoch.

Kurz sagte, dass er in dem Hintergrundgespräch das gesagt habe, „was ich auch jederzeit öffentlich gerne sagen kann, nämlich dass es wichtig ist, dass es eine unabhängige Justiz gibt“. Die Formulierung der Kritik bestätigte Kurz nicht, er sagte jedoch: „Dass es immer wieder im öffentlichen Dienst politische Parteien gibt, die versuchen, auch sozusagen Personen, die ihnen nahestehen, in Führungsfunktionen zu bringen, das ist ja glaube ich in der österreichischen Verwaltung immer mal wieder schon vorgekommen und in anderen Ländern auch“ – Audio dazu in oe1.ORF.at.

Kurz: „Lange Tradition von parteipolitischen Besetzungen“

Nun sollen mehrere Themen beim runden Tisch angesprochen werden. „Welche Maßnahmen können gesetzt werden, damit Schuldige schneller bestraft werden und Unschuldigen nicht zu lang etwas Unrechtes vorgeworfen wird, wodurch diese massive Nachteile insbesondere in ihrem Berufsleben in Kauf nehmen müssen“, so Kurz am Donnerstag im Hinblick auf das Thema Verfahrensdauer. Punkto Vertrauen geht es laut Kurz um die Frage, wie „die anscheinend gravierenden Unstimmigkeiten, Anschuldigungen, Anzeigen und öffentlich ausgetragenen Konflikte zwischen der WKStA und den Oberbehörden endgültig gelöst werden, damit das Vertrauen in die Justiz nicht weiter leidet“.

In Sachen Objektivität will Kurz laut eigenen Aussagen parteipolitische Besetzungen verhindern. „Es gibt eine lange Tradition und gelebte Praxis von parteipolitischen Besetzungen in Teilen der österreichischen Verwaltung. Wie kann gerade im sensiblen Bereich der Korruptionsstaatsanwaltschaft sichergestellt werden, dass Derartiges insbesondere dort nicht stattfindet.“

Darüber hinaus brauche es eine entsprechende finanzielle Ausstattung der Justiz. „Ich bin überzeugt, dass eine sachliche und faktenbasierte Debatte ohne Tabus zu einer Stärkung sowie Objektivität der Justiz und ihrer Arbeit führen wird.“ Erst im Vorjahr sagte der damalige Justizminister Clemens Jabloner, dass der Justiz allein für die Aufrechterhaltung des laufenden Betriebs über 90 Mio. Euro fehlten. Seit 2013 hat die Justiz jährlich mehr Geld ausgegeben als im Budgetentwurf ursprünglich vorgesehen.

WKStA weist Vorwürfe zurück

Die WKStA selbst wies den Vorwurf des parteipolitischen Handelns in der Casinos-Affäre zurück. „Wir verwehren uns gegen unsubstanziierte, öffentliche Spekulationen, die den Vorwurf der Verletzung des Amtsgeheimnisses und den Anschein parteipolitischen Handelns in den Raum stellen, und weisen diese entschieden zurück.“

Die WKStA entziehe sich aber keiner sachlichen Kritik, hieß es in einer schriftlichen Stellungnahme am Donnerstag. Als Staatsanwälte sei man schon von Gesetzes wegen zur Objektivität und Wahrheitsforschung verpflichtet (§ 3 StPO) und unterliege sowohl der Kontrolle der unabhängigen Gerichte als auch der Fachaufsicht durch die Oberstaatsanwaltschaft Wien. „Wir treffen unsere Entscheidungen sachlich, unvoreingenommen und frei von medialer, politischer oder sonstiger Beeinflussung. Wir orientieren uns an dem Berufskodex der Staatsanwälte, welcher auch eine Enthaltung von jedweder parteipolitischen Tätigkeit vorsieht.“

In der Stellungnahme wurde zudem betonte, dass die Leiterin der WKStA, Ilse Vrabl-Sanda, kein Mitglied einer Partei sei und kein Naheverhältnis zu einer solchen habe.

Staatsanwälte wollten „Klarheit“

Ein Gespräch gefordert hatten die Staatsanwälte unterdessen bereits am Mittwoch. Die Präsidentin der Vereinigung Österreichischer Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, Cornelia Koller, forderte gemeinsam mit dem Vorsitzenden der Richter und Staatsanwälte in der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD), Christian Haider, „dringend“ ein Gespräch mit Kurz. Man wolle sich „Klarheit über das Geschehene und die damit verfolgten Motive verschaffen“.

Koller sagte am Donnerstag, dass sie zu einem persönlichen Gespräch mit Kurz geladen sei. Vom runden Tisch im Kanzleramt wusste sie nur aus Medien, so Koller. Einen konkreten Termin für das Gespräch der Staatsanwälte bei Kurz gibt es laut APA noch nicht.

Die kolportierten Aussagen des Kanzlers zur WKStA stünden in diametralem Gegensatz zu den Zielen des Regierungsprogramms, hieß es zuvor in einem veröffentlichten Schreiben. Pauschale Angriffe und die Unterstellung einseitiger und parteipolitisch motivierter Ermittlungen weise man zurück. „Wenn das so stattgefunden hat, dann ist das unvertretbar“, sagte Staatsanwältin Koller zu den kolportierten Aussagen des Kanzlers und sprach von einem „Angriff auf den Rechtsstaat und die Justiz als dritte Staatsgewalt“.

Richter stellen sich hinter WKStA

Auch die Richtervereinigung tritt unterdessen „pauschalen Unterstellungen“ gegen die Justiz entgegen. Solche könnten „zum Verlust des Vertrauens der Bevölkerung in den Rechtsstaat führen“, so Präsidentin Sabine Matejka in einer Stellungnahme. „Dem muss entgegengetreten werden“, sagte Matejka in der Stellungnahme, die auch dem Kanzler übermittelt wird.

Sie pflichte Zadic „uneingeschränkt“ bei, dass „die WKStA objektiv und unabhängig von der Parteizugehörigkeit ermittelt und arbeitet“. Und: „Weder Gerichte noch Staatsanwaltschaften lassen sich von parteipolitischen oder anderen unsachlichen Motiven leiten. Staatsanwaltschaftliches Handeln unterliegt nicht zuletzt auch der Kontrolle unabhängiger Gerichte“, heißt es in der Stellungnahme. Die Richterinnen und Richter verweisen auf den ausgezeichneten Ruf, den Österreichs Justiz „zu Recht“ genieße. Matejka pochte auf die erforderlichen Rahmenbedingungen, damit die Staatsanwaltschaften ihre Aufgaben weiter unabhängig von politischer oder sonstiger Einflussnahme erfüllen können.

Justizministerium jahrelang in ÖVP-Hand

Im Ö1-Mittagsjournal sagte Matejka, sie könne die Vorwürfe von Kurz zu parteipolitischen Besetzungen auch insofern nicht nachvollziehen, da der Justizminister zuletzt etliche Jahre von der ÖVP nominiert worden sei. Die Richtervereinigung verlange aber schon seit längerem mehr Transparenz bei Personalentscheidungen in der Staatsanwaltschaft.

Derzeit gibt es zunächst einen Reihungsvorschlag einer Personalkommission, die Entscheidung fällt dann aber der Minister. Die Richter fordern zumindest eine Begründungspflicht, wenn die Entscheidung vom Vorschlag des Personalsenats abweicht. Erinnert wurde im Mittagsjournal auch daran, dass die jetzige Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) Staatsanwältin in der WKStA war – Audio dazu in oe1.ORF.at.

Transparency fordert Stärkung der Unabhängigkeit

Auch die österreichische Sektion von Transparency International meldete sich in der Causa zu Wort. Angesichts der laufenden Debatte forderte man eine Stärkung der Unabhängigkeit von strafrechtlichen Ermittlungen – insbesondere im Bereich der Wirtschafts- und Korruptionsverfahren. Es liege im Interesse jeder Bundesregierung, die Korruptionsbekämpfung ernst nehme, dass Berichte an übergeordnete Dienststellen über Ermittlungsmaßnahmen stets erst im Nachhinein zu erstatten sind, heißt es. Eine starke und unabhängige WKStA dürfe in ihren Zuständigkeiten auch nicht beschnitten werden. Sowohl die zentrale Zusammenfassung der Zuständigkeit für Korruptions- als auch für Wirtschaftsdelikte dürfe nicht zersplittert werden.

Zadic: WKStA arbeitet „objektiv und unabhängig“

Justizministerin Zadic, in deren Ressort die WKStA fällt, sagte am Mittwoch, dass sie die kolportierten Aussagen nicht verifizieren und daher nicht bewerten könne. „Die Gespräche, die ich in den letzten Wochen mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern führen durfte, bestätigen mir, dass die WKStA objektiv und unabhängig von der Parteizugehörigkeit ermittelt und arbeitet“, sagte Zadic. Außerdem erinnerte sie daran, dass ÖVP und Grüne im Regierungsprogramm die „Stärkung der Korruptionsbekämpfung“ vereinbart haben.

Im Regierungsprogramm haben ÖVP und Grüne unter anderem eine Evaluierung des Managements von Großverfahren sowie der für Wirtschaftsgroßverfahren eingesetzten Kapazitäten vereinbart. Und „soweit sinnvoll“, soll es auch eine Präzisierung der Zuständigkeiten der WKStA geben. Letzteres hat jüngst Spekulationen genährt, der Sonderstaatsanwaltschaft könnte die Zuständigkeit für Wirtschaftsverfahren entzogen werden. Zadic wies das allerdings zurück. „Das ist nicht geplant“, versicherte die Justizministerin. Auch Kritik des Bundeskanzlers Kurz an der WKStA sei ihr nicht bekannt: „Ich habe nichts wahrgenommen.“

NEOS sieht Düpierung von Justizministerin

In einer ersten Reaktion auf den angekündigten runden Tisch meldete sich NEOS zu Wort. NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger bezeichnete die Einladung zu einem runden Tisch im Kanzleramt auf Twitter als „absurd“. Später schrieb sie in einer Aussendung: „Erst schießt der Kanzler in einem Hintergrundgespräch die unabhängige Justiz mutwillig an, dann will er die Probleme, die er selbst geschaffen hat, lösen und führt damit die zuständige Justizministerin vor. Die Korruptionsstaatsanwaltschaft und die Justiz als Ganzes brauchen ein klares Bekenntnis zur Unabhängigkeit und deutlich mehr Ressourcen.“

SPÖ fordert Entschuldigung von Kurz

SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim forderte unterdessen eine Entschuldigung von Kurz, sollte er bei dem Hintergrundgespräch diese Aussagen tatsächlich getroffen haben. „Diese roten Netzwerke gibt es nicht“, so Yildirim. Die Aussprache mit den Staatsanwälten begrüßte sie, den Sinn des runden Tischs verstehe sie jedoch nicht. „In erster Linie ist es für die österreichische Öffentlichkeit entscheidend, dass sich der Kanzler entschuldigt.“ Darüber hinaus solle Kurz nicht „bevormundend einschreiten“ und lieber „die Justizministerin arbeiten lassen“.

Yildirim warnte auch vor einer Beschneidung der WKStA-Kompetenzen. Zur Stärkung der Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft fordert die SPÖ die Übertragung des Weisungsrechts vom Justizministerium auf einen unabhängigen Bundesstaatsanwalt.

Kickl ortet „Flucht nach vorne“

Die FPÖ ortete eine „Flucht nach vorne von jemandem, der ertappt worden ist“. Das sagte Klubchef Herbert Kickl im Ö1-Radio in Anspielung auf die vom „Falter“ veröffentlichten Inhalte des Hintergrundgesprächs.

In einer Aussendung ergänzte er, dass die kolportierten Aussagen von Kurz zu jener Strategie passen würden, „die die ÖVP seit Beginn des BVT-Untersuchungsausschusses immer dreister betreibt und deren Ziel die Knebelung der WKStA ist“. Es sei zu befürchten, „dass die ÖVP nach der berüchtigten ‚Message Control‘ jetzt auch eine ‚Justice Control‘ einführen will“, so Kickl.