CDU-Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer
Reuters/Annegret Hilse
Gezerre um Thüringen

CDU schlägt unerwarteten Haken

In der Affäre rund um die Ministerpräsidentenwahl in im deutschen Bundesland Thüringen schlägt die CDU nun den nächsten, unerwarteten Haken: Nach einer Sitzung des Parteipräsidiums in Berlin schlug CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer vor, Grüne oder SPD sollten in Thüringen einen Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten aufstellen. Ursprünglich hatte die CDU Neuwahlen gefordert. Indes kündigte der CDU-Chef in Thüringen, Mike Mohring, seinen Rückzug an.

Der ehemalige Regierungschef Bodo Ramelow (Linke) verfüge offensichtlich nicht über eine Mehrheit im Thüringer Landtag, sagte Kramp-Karrenbauer. Es werde keine Stimmen der Thüringer CDU für einen Kandidaten der AfD oder der Linkspartei geben, stellte sie fest. Sie betonte zugleich, dass es jetzt darum gehe, in Thüringen „für stabile und klare Verhältnisse“ zu sorgen.

Das CDU-Präsidium sei „nach wie vor der Meinung, dass Neuwahlen dafür der klarste Weg sind“, so die Parteivorsitzende. Diese seien von Linkspartei, Grünen und SPD in Thüringen aber offensichtlich nicht gewünscht. Allerdings: Linke und SPD in Thüringen haben selbst bereits Neuwahlen gefordert, die Grünen meinten, solchen sicher nicht im Weg zu stehen.

Zickzackkurs

Kramp-Karrenbauer hatte am Donnerstag zunächst für eine Neuwahl in dem deutschen Bundesland plädiert, Freitagvormittag war nach einer nächtlichen Krisensitzung dann diese Variante eher vom Tisch, nachdem sich die Thüringer CDU dagegengestemmt hatte. Nun versucht die CDU offenbar, den Ball an SPD und Grüne weiterzuspielen. Beobachter sind sich einig, dass die Vorgänge der vergangenen Tage und Stunden die Parteivorsitzende deutlich geschwächt haben. Sie habe die Partei nicht im Griff, heißt es immer öfter.

Dass der Vorschlag eine rasche Lösung bringen kann, wird eher bezweifelt: Die Grünen in Thüringen wehrten gleich ab: „Ich glaube nicht, dass Frau Kramp-Karrenbauer in der Position ist, Vorschläge oder Aufträge zu erteilen“, sagte Grünen-Fraktionschef Dirk Adams der dpa am Freitag in Erfurt.

Ramelow will zurück ins Amt

SPD-Landeschef Wolfgang Tiefensee twitterte, das sei „der untaugliche Versuch“, Rot-Rot-Grün zu spalten. Die Thüringer CDU müsse klar entscheiden, ob sie bei einer Neuwahl Ramelow verhindern wolle oder nicht. Tiefensee schrieb weiter: „Der beste Weg ist eine Selbstauflösung des Landtages und Neuwahlen.“

Ramelow plädierte am Freitag laut einem Bericht des MDR dafür, statt einer Neuwahl eine neue Ministerpräsidentenwahl abzuhalten. Eine Neuwahl sei fahrlässig, weil Thüringen dann monatelang ohne Regierung wäre. Ramelow würde sich erneut als Kandidat aufstellen lassen und erneut eine Minderheitsregierung versuchen wollen.

Neuwahl für CDU nur zweite Wahl

Kramp-Karrenbauer hatte in Berlin gesagt: „Wir erwarten, dass es eine Bereitschaft von SPD und Grünen gibt, einen Kandidaten oder eine Kandidatin zu präsentieren, der oder die als Ministerpräsident oder Ministerpräsidentin nicht das Land spaltet, sondern das Land eint.“ Sie fügte hinzu: „Die CDU ist zur konstruktiven Mitarbeit bereit. Sie hat bereits Projekte definiert, auf deren Grundlage eine konstruktive parlamentarische Sacharbeit im Interesse des Landes möglich ist.“

CDU-Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer
Reuters/Annegret Hilse
Kramp-Karrenbauer nach der Sitzung

Wenn der Versuch scheitere, innerhalb des Parlaments stabile Verhältnisse zu erreichen, seien Neuwahlen unausweichlich. Das habe das Präsidium einstimmig beschlossen.

Mohring geht

Indes wurde bekannt, dass der CDU-Fraktionschef im Thüringer Landtag, Mike Mohring, sein Amt mit Mai aufgibt. „Mike Mohring wird nicht wieder antreten“, schrieb der Generalsekretär der CDU Thüringen, Raymond Walk, auf Twitter. Zuvor hatte bereits Kramp-Karrenbauer bestätigt, dass Mohring bei einer Krisensitzung in der Erfurter Fraktion in der Nacht seinen Rücktritt in Aussicht gestellt habe. Auch von einer „offenen Revolte“ in der Fraktion war die Rede gewesen.

Auslöser der Krise war die Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich am Mittwoch zum Thüringer Regierungschef mit Stimmen der rechten AfD sowie der CDU. Das hatte ein politisches Beben ausgelöst. Der Kandidat der FDP hatte sich damit gegen den bisherigen Ministerpräsidenten Ramelow durchgesetzt.

Die CDU-Fraktion im Erfurter Landtag hatte gegen die ausdrückliche Empfehlung der Bundesspitze Kemmerich mit ihren Stimmen zum Amt des Ministerpräsidenten verholfen. Kramp-Karrenbauer wertete das als Verstoß gegen den Unvereinbarkeitsbeschluss, der eine Zusammenarbeit zwischen CDU und AfD verbietet.

Umfrage: CDU stürzt in Thüringen ab

Ein Grund, wieso sich die CDU von ihrer unbedingten Neuwahlforderung dann doch abgerückt ist, sind wohl verheerende Umfragewerte. Laut einer Erhebung des Forschungsinstituts Forsa im Auftrag von RTL/ntv wäre die CDU der große Verlierer und müsste Verluste von fast zehn Punkten auf zwölf Prozent hinnehmen. Die FDP würde mit vier Prozent den Einzug ins Parlament verpassen.

Die Linkspartei allein könnte sechs Prozentpunkte gewinnen und käme somit auf 37 Prozent. Für die Sozialdemokraten würden demnach neun Prozent und für die Grünen sieben Prozent stimmen. Damit hätten Linkspartei, SPD und Grüne mit 53 Prozent eine absolute Mehrheit. Die AfD wiederum würde leicht auf 24 Prozent zulegen.

Kemmerich weiter im Amt

Kemmerich reichte indes noch immer nicht seinen Rücktritt ein. Nach einem Gespräch mit Thüringens Landtagspräsidentin Birgit Keller (Linke) in Erfurt nannte Kemmerich, der seinen Rückzug angekündigt hat, dafür formelle Gründe. Er habe mit Keller über die Möglichkeit einer schnellen, geordneten Amtsübergabe gesprochen. Die Landtagspräsidentin wolle nun schnellstmöglich eine Sondersitzung des Ältestenrates einberufen. Mit dessen Hilfe solle ein Weg gefunden werden, wie es verfassungskonform „schnell zur Wahl eines Ministerpräsidenten“ kommen könne.

CDU in der Krise

Die thüringische Landes-CDU hat sich in stundenlangen Krisenberatungen nicht auf die Zustimmung zu einer raschen Neuwahl einigen können.

Kemmerich stellte am Donnerstag nach einem bundesweiten Proteststurm wegen der maßgeblichen Rolle der AfD zwar sein Amt wieder zur Verfügung – einen klaren Fahrplan, wie es nun weitergeht, nannte Kemmerich jedoch nicht. Die FDP werde zudem einen Antrag auf Auflösung des Landtags zur Herbeiführung einer Neuwahl stellen, so Kemmerich. Eine Auflösung muss jedoch von mindestens einem Drittel der Abgeordneten beantragt werden – im Fall Thüringen also von 30. Die FDP-Fraktion verfügt jedoch nur über fünf Abgeordnete. Und: Für eine tatsächliche Neuwahl braucht es eine Zweidrittelmehrheit.

Sitzverteilung im Landtag (Tortengrafik)
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Lindner in Vertrauensfrage bestätigt

Auf die Frage, was er tun werde, wenn die erforderliche Zweidrittelmehrheit für eine Auflösung nicht zustande komme, sagte Kemmerich: „Dann werde ich die Vertrauensfrage stellen.“ Die Umstände seiner Wahl ließen keine andere Möglichkeit, denn die AfD habe „mit einem perfiden Trick versucht, die Demokratie zu beschädigen“, so Kemmerich, der dazu noch sagte: „Eine Zusammenarbeit mit der AfD gab es nicht, gibt es nicht und wird es nicht geben.“

Thomas Kemmerich (FDP)
APA/dpa-Zentralbild/Martin Schutt
Am Tag nach seinem Amtsantritt kündigte Kemmerich seinen „unumgänglichen“ Rücktritt an

Nach der Wahl Kemmerichs mit AfD-Stimmen steht auch FDP-Chef Christian Lindner parteiintern stark unter Druck. Er stellte sich bei einer Sondersitzung des Bundesvorstandes der Vertrauensfrage. Lindner hatte Kemmerich gegenüber deutlich gemacht, dass er nicht Bundesvorsitzender bleiben könne, wenn eine Parteigliederung in Abhängigkeit zur AfD stehe.

Die Sitzung dauerte zwar länger als angenommen, der Vorstand sprach Lindner aber deutlich das Vertrauen aus. In einer Sitzung in Berlin stimmten nach Angaben aus Parteikreisen 33 Anwesende für ihn. Es gab demnach eine Nein-Stimme und zwei Enthaltungen.