Maximilian Rittler, Rock Me Amadeus, Master Kollektion 2019; Make-up: Enzio Costa; Model: Sieme, Visagemodelszürich
Laura Knipsael
Premiere im MAK

Roter Teppich für österreichische Mode

Österreich und Mode – ein Widerspruch? Für die Macher der aktuellen Schau „SHOW OFF. Austrian Fashion Design“ keineswegs. Im Museum für angewandte Kunst (MAK) lassen sie die vergangenen 40 Jahre heimischen Modedesigns Revue passieren – und holen neben großen Namen auch neue, weniger bekannte Figuren der österreichischen Designszene vor den Vorhang. Eine Premiere.

Es ist das Herzstück der Ausstellung: ein turmartiges Gerüst von knapp sieben Meter Höhe – darin eingebettet sind dem Anschein nach in der Luft schwebende Kleidungsstücke sowie extravagante Schuhkreationen, Taschen und andere Accessoires. Vom schwarzen Anzug von Helmut Lang bis hin zum Schnallenkleid von Marina Hörmanseder: Die Skulptur von Architekt Gregor Eichinger erlaubt einen 360-Grad-Einblick auf die 250 im Raum befindlichen Exponate von 55 Designerinnen und Designern.

Das offen strukturierte Gestell mag auf den ersten Blick zwar überfordern, lädt aber zugleich zum Entdecken ein. Werke der neuen Garde, darunter Peter Pilotto, Kenneth Ize und Carolin Holzbauer, reihen sich mühelos an solche bekannter Modeschöpfer aus den 80ern. Auf mehreren Ebenen treffen unter anderem gesellschaftskritische Positionen – etwa im Sinne der Nachhaltigkeit aus Schweineblut und Gelatine bestehende Stücke von Natalie Zipfl – auf mit Traditionselementen spielende Ansätze – etwa Dirndldesigns von Andreas Kronthaler sowie mit Mustern der Wiener Werkstätte versehene Werke von Arthur Arbesser.

MAK-Ausstellungsansicht, 2020 SHOW OFF. Austrian Fashion Design
MAK/Ditz Fejer
250 Objekte sind in dem von Architekt Gregor Eichinger entworfenen Gerüst zu bewundern

Gemeinsamer Nenner fehlt

Ein gemeinsamer Nenner ist zwischen dem Pompösen, dem Minimalistischen, dem Konzeptionellen und dem Traditionellen jedoch nicht zu erkennen. „Es gibt aus meiner Sicht nichts, worüber man sagen kann: das ist ganz charakteristisch für die österreichische Mode“, bringt es Kuratorin Ulrike Tschabitzer-Handler gegenüber ORF.at auf den Punkt. „Es gibt so viele Einflüsse, es ist alles so global geworden, die Mode ist von immer mehr Referenzen aus unterschiedlichen Zeiten inspiriert und mischt kreativ durch.“

Ein Novum ist die Schau allemal: Denn eine Überblicksausstellung zu vier Jahrzehnten heimischen Modeschaffens – das gab es hierzulande bisher nicht. „Eine Ausstellung zu zeitgenössischer österreichischer Mode war quasi überfällig“, so die Kuratorin. Die Zeit für deren Vorbereitung war jedoch knapp bemessen: Den Auftrag erhielt Tschabitzer-Handler erst im Sommer. In nur wenigen Monaten mussten also die richtigen Designer und Fotografen bestimmt werden – den Künstlern ließ man bei der Auswahl der Werke jedoch freie Hand.

Ausstellungshinweis:

SHOW OFF. Austrian Fashion Design. MAK; 14. Februar bis 12. Juli 2020; Öffnungszeiten: dienstags 10.00-21.00 Uhr, mittwochs bis sonntags 10.00-18.00 Uhr.

Revolution im Wiener Szeneclub

Dass die Zeitreise durch die hiesige Modeszene „erst“ mit den 80ern beginnt, dafür nennt Tschabitzer-Handler drei Gründe: „Die U-Mode im U4, das war quasi der Starting Point.“ Konkret dreht sich die U-Mode um eine exzentrische Gruppe von Jungdesignern, die das Wiener Fashiondesign ab 1983 revolutionierten. Präsentiert wurden deren Arbeiten bis Ende der 80er im Wiener Szeneclub U4 von Ossi Schellmann. Neben Falco tummelten sich dort zu der Zeit auch Elfriede Jelinek, Fred Adlmüller und Helmut Lang.

MAK-Ausstellungsansicht, 2020 SHOW OFF. Austrian Fashion Design
MAK/Ditz Fejer
Auch Werken bekannter österreichischer Fotografinnen und Fotografen wird eine Bühne gegeben

„Ein wichtiger Punkt war auch, dass Oswald Oberhuber, der Rektor an der Angewandten (Universität für angewandte Kunst Wien, Anm.) war, die Gastprofessur eingeführt hat.“ Als erster Gastprofessor wurde damals Karl Lagerfeld engagiert – weitere große Namen wie Jil Sander, Vivienne Westwood und Raf Simons folgten. „Damit hat sich auch der Zugang zur zeitgenössischen Mode komplett geändert. Plötzlich wurde gelehrt, wie man zeitgenössisches Modedesign an Studenten vermittelt“, so die Kuratorin. Der dritte und letzte wesentliche Punkt war Tschabitzer-Handler zufolge, dass Helmut Lang zu jener Zeit in Wien noch sehr aktiv gewesen war, bevor er nach New York zog.

Lang und Gernreich als Vorreiter

Langs Bedeutung für die heimische Designszene ist unbestritten. Mittels minimalistischer Designs aus Nylon und Gummi gelang ihm in den 90ern der internationale Durchbruch. Seine Kreationen – meist in Schwarz, Weiß oder Beige – wurden sowohl in New York als auch in Paris gezeigt. Einige Jahre lang war er zudem als Professor an der Angewandten tätig. Ob Langs Vorbildwirkung widmeten ihm die Kuratoren daher ein vom Hauptturm abgekoppeltes Regal mit Leihgaben aus Museen in Paris und Bath – es sind die einzigen Stücke der Schau, die sich in einer Vitrine befinden.

Teilen muss sich Lang das Regal einzig mit Rudi Gernreich – ebenso eine der prägendsten Figuren der Modeszene. Gernreich kreierte bereits rund um die 70er von Los Angeles aus Unisex-Mode und setzte sich mit Genderthematiken auseinander. Komplettiert wird der Schnelldurchlauf durch Jahrzehnte kreativen Schaffens schließlich von großflächigen Fotografien von 34 heimischen Modefotografen – darunter Koryphäen wie Elfie Semotan und Rudi Molacek bis hin zu Newcomern wie Hanna Putz und Stefanie Moshammer.

Per Red Carpet in die Vergangenheit

Doch auch rund um das Gerüst – es ist laut Kuratorin vom Computerspiel Tetris inspiriert – bietet sich für die Besucherinnen und Besucher die Möglichkeit, in die hiesige Modeszene einzutauchen: Gleich zum Ausstellungsauftakt rückt eine Videoinstallation mehr als 20 Persönlichkeiten – Blogger, Journalisten sowie Stylisten – in den Mittelpunkt. Auf Sofas von Franz West können Besucher auf unterhaltsame Weise den diversen Perspektiven zur heimischen Modeszene, zu einschneidenden Momenten der vergangenen vier Jahrzehnte sowie deren Zukunftsvisionen lauschen.

Fotostrecke mit 5 Bildern

MAK-Ausstellungsansicht, 2020 SHOW OFF. Austrian Fashion Design
MAK/Ditz Fejer
„Talking heads“: Zu Beginn des vierteiligen Modeparcours erzählen Journalisten, Stylisten und Co. über die heimische Designszene
MAK-Ausstellungsansicht, 2020 SHOW OFF. Austrian Fashion Design
MAK/Ditz Fejer
Im darauf folgenden Medientunnel werden Arbeiten von Studierenden der Angewandten der letzten 40 Jahre beleuchtet – zu ihren Lehrenden zählten unter anderem Karl Lagerfeld, Vivienne Westwood, Raf Simons und Helmut Lang
MAK-Ausstellungsansicht, 2020 SHOW OFF. Austrian Fashion Design
MAK/Ditz Fejer
Das knapp sieben Meter hohe Gerüst ist der Star der Schau: Kreationen aus vier Jahrzehnten reihen sich mühelos aneinander
MAK-Ausstellungsansicht, 2020 SHOW OFF. Austrian Fashion Design
MAK/Ditz Fejer
Besonderer Blickfang – die Schweinetasche von Carol Christian Poell
MAK-Ausstellungsansicht, 2020 SHOW OFF. Austrian Fashion Design
MAK/Ditz Fejer
Im letzten Flügel werden neben einer umfassenden Magazinsammlung auch die wichtigsten Initiativen zur Förderung der heimischen Modeszene präsentiert

Darauf folgt eine Installation der Projektionskünstlergruppe Lumine. Entlang eines roten Teppichs sind – ebenso in Videoform – herausragende Arbeiten von Studierenden der Angewandten zu bewundern. „Wir haben ziemlich viel in Kellern und Depots gewühlt und das ganze Material ausgehoben“, erklärt Tschabitzer-Handler. Das Ergebnis ist eine Zeitreise von den 80ern bis heute. Abgerundet wird die Schau letztlich von einer umfassenden Magazinsammlung, unterschiedlichen Modeinitiativen und dem persönlichen Archiv der Modejournalistin Brigitte Winkler.

„Groß, stolz und laut“

So viel steht fest: Der Name „Show Off“ – also sich zur Schau stellen – ist Programm. „Es gibt ja immer diese Bescheidenheit in Österreich“, sagt Kuratorin Tschabitzer-Handler gegenüber ORF.at. „Aber wir zeigen die Leute groß, stolz und laut und holen sie vor den Vorhang. Das war die Idee: Denn wir haben supertolle Leute und wir wollten sie auf einer großen Bühne zeigen.“

Dass Österreich nach wie vor keine Modenation und Wien keine Modemetropole ist, ist klar. Geschuldet ist das aus Designerperspektive nicht zuletzt schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wie auch der Notwendigkeit, in Paris, Mailand oder New York präsent zu sein. Die Schau im MAK schafft es aber, die große Bandbreite an österreichischem Talent ins rechte Licht zu rücken – und macht Lust auf mehr.