Ex-Finanzminister Sajid Javid
Reuters/Toby Melville
Köpferollen in London

Johnson wirft auch Finanzminister raus

Rund zwei Wochen nach dem EU-Austritt des Vereinigten Königreichs hat am Donnerstag gleich eine Reihe von Regierungsmitgliedern ihren Posten räumen müssen. Als größte Überraschung erwies sich der Wechsel im Finanzressort, galt doch der bisherige Finanzminister Sajid Javid ungeachtet eines offenen Schlagabtauschs mit Premier Boris Johnson bis zuletzt als gesetzt.

Hintergrund ist der mit Spannung erwartete Post-Brexit-Haushalt, den das britische Finanzministerium in rund einem Monat vorstellen soll. Diese Aufgabe obliegt nun wohl dem bisherigen Staatssekretär im Finanzministerium, Rishi Sunak, den Premierminister Johnson umgehend zum Nachfolger von Javis ernannte.

Zwischen Javid und Johnson hatte es immer wieder Konflikte gegeben. So preschte der nun geschasste Finanzminister kürzlich mit der Ankündigung vor, dass das umstrittene Bahnprojekt HS2 fortgesetzt wird. Die Hochgeschwindigkeitstrasse soll die wirtschaftlich schwachen Regionen in den Midlands und dem Norden Englands besser mit der Hauptstadt verbinden.

Neuer Finanzminister Rishi Sunak
AP/Matt Dunham
Sunak wurde von Johnson zum neuen Finanzminister ernannt

Tiefgreifende Änderung

Die britische Nachrichtenagentur Press Association berichtete unter Berufung auf einen Vertrauten Javids, dass Johnson von seinem Finanzminister verlangt habe, seine bisherigen Berater zu entlassen und durch „Sonderberater von Downing Street 10“, dem Regierungssitz, zu ersetzen. Javid habe jedoch die Auffassung vertreten, „dass kein Minister, der etwas auf sich hält, derartige Bedingungen annehmen kann“.

Britischen Medienberichten zufolge habe Sunak der von Johnson geforderten Zusammenlegung des „Personals in Downing Street 10 und 11“ bereits zugestimmt. Damit wird der britische Premier laut Beobachtern beispiellose Mitsprachemöglichkeiten im Finanzministerium bekommen. Laut „New Statesman“ ist das eine der gewichtigsten Änderungen im britischen Politsystem der letzten Jahrzehnte – und Johnson der bis dato wohl mächtigste britische Premier.

Auch Nordirland-Minister Smith muss gehen

Nicht mehr Teil der britischen Regierung sind unter anderen Wirtschaftsministerin Andrea Leadsom, Umweltministerin Theresa Villiers, Justizminister Geoffrey Cox und die bisher für Wohnbau zuständige Esther McVey. Leadsom wurde durch Alok Sharma ersetzt. Er war zuvor für internationale Entwicklung zuständig und gilt wie der neue Finanzminister als äußert loyal gegenüber Johnson. Sharma soll auch für den COP26-Klimagipfel im November in Schottland verantwortlich sein.

Auch Nordirland-Minister Julian Smith muss gehen, obwohl er erst vor Kurzem mit der Wiederherstellung einer Regionalregierung für den britischen Landesteil einen großen Erfolg verbuchte. Das Regionalparlament und die Regierung in Belfast waren zuvor drei Jahre lang blockiert, weil sich die zerstrittenen Parteien in der ehemaligen Bürgerkriegsregion nicht auf eine Koalition einigen konnten.

Außenminister Dominic Raab bleibe hingegen auf seinem Posten, teilte Downing Street 10 auf Twitter mit. Auch Innenministerin Priti Patel, Staatsminister Michael Gove und Gesundheitsminister Matt Hancock bleiben im Amt. Bereits am Freitag soll Johnsons Regierung in neuer Zusammensetzung tagen.

Johnsons Berater für Superhelden

Treibende Kraft hinter dem Kabinettsumbau sei Medienberichten zufolge Johnsons Berater Dominic Cummings. Ein Team von Zeichentrick-Superhelden (PJ Masks) könnte einen besseren Job machen als das ganze Kabinett, sagte Cummings einmal dem Sender BBC in einem bizarren Interview vor seinem Haus.

Die Posten von Jacob Rees-Mogg, dem Vorsitzenden des Unterhauses, und Entwicklungshilfeministerin Liz Truss galten im Vorfeld als nicht mehr gefährdet. Noch vor wenigen Wochen wurden beiden geringe Chancen eingeräumt, im Kabinett zu verbleiben. Johnson gewann bei der Parlamentswahl im Dezember vergangenen Jahres eine satte Mehrheit für seine Konservative Partei. Er braucht deshalb kaum noch Rücksicht auf einzelne Gruppen innerhalb der Torys zu nehmen.

Labour spricht von „Regierung im Chaos“

Der Rücktritt Javids kratzt dennoch am Eindruck einer geordneten und lange geplanten Kabinettsumbildung, den Johnson im Vorfeld verbreiten wollte. So sprachen Oppositionspolitiker am Donnerstag von einem Durcheinander. „Das ist ein historischer Rekord“, sagte der finanzpolitische Sprecher von Labour, John McDonnell, „eine Regierung im Chaos nur wenige Wochen nach der Wahl.“