Deutsche Korvette vor dem Einsatz bei „Operation Sophia“
APA/dpa/Bernd Wüstneck
„Sophia“ beendet

EU beschloss „neue Mission“ für Libyen

Die EU-Außenminister und -Außenministerinnen haben einen „Grundkonsens für eine militärische Mission“ zur Überwachung des UNO-Waffenembargos für Libyen gefunden. Die EU-Marine-Operation „Sophia“ im Mittelmeer vor Libyen werde hingegen beendet, berichtete ÖVP-Außenminister Alexander Schallenberg am Montag nach Ende der Gespräche zum Libyen-Konflikt beim EU-Außenrat in Brüssel.

„Es gibt einen Grundkonsens, dass wir jetzt eine militärische Mission wollen und keine humanitäre Mission, und diese hat den Fokus Waffenembargo“, so Schallenberg. Der Fokus liege zum ersten Mal auf der Luftraumüberwachung, sagte der Minister nach einer „langen und schwierigen Debatte mit mehreren Unterbrechungen“. Die Mission sollte bald starten können, an dem Mandat für die neue Mission werde nun intensiv gearbeitet.

„Maritime Elemente“ sollen nur außerhalb des bisherigen Operationsbereichs zum Einsatz kommen, „sprich im Osten Libyens und noch weiter östlich“, so Schallenberg. Als weiteren Punkt, auf den man sich geeinigt habe, nannte er, dass diese wieder abgezogen werden sollen, sobald ein „Pullfaktor“ festgestellt werde. Damit ist gemeint, dass der Einsatz von Schiffen beendet wird, sollte sich zeigen, dass Schlepper die Seenotrettung ausnutzen.

EU NavForMed

Die Mission „Sophia“, die offiziell EU NavForMed heißt, war ab Juni 2015 mit Schiffen, Flugzeugen und Hubschraubern zwischen Italien und Libyen im Einsatz. Sie wurde geschaffen, nachdem 700 Flüchtlinge bei einem Schiffsunglück ums Leben gekommen waren. Seitdem hat „Sophia“ knapp 50.000 Menschen aus Seenot gerettet.

Borrell widerspricht „Pullfaktor“

In Libyen war 2011 nach Sturz und Tötung des Machthabers Muammar al-Gaddafi ein Bürgerkrieg ausgebrochen. Bei einem Gipfel vor vier Wochen in Berlin hatten sich 16 Staaten und Organisationen darauf verständigt, die Einmischung von außen in den seit neun Jahren anhaltenden Konflikt zu beenden. Die EU wollte dazu die Überwachung des Waffenembargos übernehmen. In den vergangenen Wochen war darüber diskutiert worden, die Marinemission „Sophia“ wiederzubeleben.

Dagegen wehrte sich jedoch unter anderem Österreich, dem Vernehmen nach auch Ungarn und die Slowakei. Wien argumentierte, dadurch würde ein „Pulleffekt“ entstehen, mehr Migranten und Migrantinnen würden nach Europa kommen. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell widersprach der Ansicht, dass die Marinemission „Sophia“ Menschen ermuntere, sich auf den Weg nach Europa zu machen, und belegte das mit den Ankunftszahlen der vergangenen Jahre.

Eine Grafik zeigt das Einsatzgebiet der EU-Marinemission „Sophia“
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

„Sophia“ sollte ursprünglich Schmuggel und Menschenhandel eindämmen. Bis zum Ende des Marineeinsatzes im Frühjahr 2019 wurden aber immer wieder Migranten und Migrantinnen aus Seenot gerettet – laut internationalem Seerecht ist das auch verpflichtend. Libyen ist ein wichtiges Transitland für Menschen auf dem Weg nach Europa. Die EU-Staaten konnten sich jedoch nicht auf die Verteilung der Geretteten einigen. Deshalb ist die EU seit Frühjahr 2019 nicht mehr mit Schiffen präsent.

Weniger Waffen in Libyen als Ziel

„Wir wollen nicht wieder eine Mission, die von den Schleppern als Geschäftsmodell missbraucht wird“, sagte Schallenberg. Das sei in der Vergangenheit der Fall gewesen, was zur Suspendierung von „Sophia“ geführt habe, meinte er. Wo die Schwelle für diesen Missbrauch liege, müsse erst von den Experten und Expertinnen verhandelt werden. „Wenn Menschen in Not sind, muss ihnen geholfen werden“, räumte er ein.

Außenminister Alexander Schallenberg
AP/Virginia Mayo
Außenminister Schallenberg kündigte das Ende von „Sophia“ an

Durch eine Befriedung Libyens mittels eines Waffenstillstands und eines Friedensprozesses würden die Menschen nicht mehr auf die Boote steigen und ihr Leben aufs Spiel setzen, verspricht sich der Minister. „Weniger Waffen in Libyen“ seien die Voraussetzung dafür, erklärte Schallenberg, nach dessen Ansicht die Minister mit dem, was heute erreicht wurde, „durchaus zufrieden“ sein könnten.

Schiffe sollen Waffenembargo überwachen

Über die Herkunft der im libyschen Bürgerkrieg eingesetzten Waffen sagte Schallenberg, dass diese aus den verschiedensten Quellen stammten, die bereits „medial bekannt“ seien, darunter die Türkei und die Arabischen Emirate. Wesentlich sei nun die Umsetzung der Beschlüsse der Berliner Konferenz, so der Minister.

Jean Asselborn, Heiko Maas und Josep Borrell
APA/AFP/Francois Walschaerts
Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn, der deutsche Außenminister Heiko Maas und EU-Außenbeauftragter Josep Borrell im Gespräch

Auch der deutsche Außenminister Heiko Maas sprach von einer Grundsatzentscheidung. Die Details der neuen Mission müssten nun ausgearbeitet werden. Nach Maas’ Worten soll die Überwachung des Waffenembargos nicht nur aus der Luft über Satelliten, sondern auch durch den Einsatz von Schiffen erfolgen. Eine solche „maritime Komponente“ sei notwendig, um ein komplettes Lagebild zu erhalten.

Auch einen Schlüssel für die Verteilung der Flüchtlinge auf die EU-Länder gebe es nicht, sagte Schallenberg. Laut Italiens Außenminister Luigi Di Maio werde über die Regeln zur Aufnahme geretteter Menschen später diskutiert. Hier gebe es zwei Optionen: Entweder nehme das Land des betreffenden Schiffes die Geretteten auf oder es werde ein Rotationsverfahren gefunden.

Reimon begrüßte „Einlenken“ von Schallenberg

Die österreichische Blockadehaltung zur Wiederaufnahme des EU-Einsatzes „Sophia“ sei „ein schwerer außenpolitischer Fehler“ gewesen, betonte der SPÖ-Delegationsleiter im EU-Parlament, Andreas Schieder. Er begrüßte die Einigung auf ein Überwachen des Waffenembargos gegen Libyen. Die neue Mission sei ein erster Schritt hin zu einer Beruhigung in Libyen.

Zuvor waren auch der ÖVP-Europaabgeordnete Othmar Karas sowie die grüne Delegationsleiterin im EU-Parlament, Monika Vana, auf Distanz zum österreichischen Veto gegen „Sophia“ gegangen. Nach dem Treffen der EU-Minister in Brüssel begrüßte Michel Reimon, Europasprecher des Grünen Nationalratsklub, die Einigung auf eine neue Mission und das „Einlenken“ Schallenbergs. Der europapolitische Sprecher der Volkspartei, Reinhold Lopatka, betonte einmal mehr, dass „Sophia“ „keine geeignete Antwort“ im Kampf gegen die Schlepperkriminalität gewesen sei.