Boy Scouts bei einem Event in  Los Angeles
Reuters/Jonathan Alcorn
Sexueller Missbrauch

US-Pfadfinder melden Konkurs an

Der Dachverband der US-Pfadfinder, der Boy Scouts of America, hat am Dienstag Konkurs angemeldet, um Entschädigungszahlungen an Opfer von sexuellem Missbrauch zahlen zu können. Auf diese Weise will die Organisation nach eigenen Angaben sicherstellen, dass ein Entschädigungsfonds für die Opfer aufgelegt werden kann und nicht das ganze Geld der Organisation für Prozesskosten verwendet werden muss.

Statt vor zahlreiche verschiedene Gerichte sollen die Fälle vor ein einziges Gericht kommen und so ein möglicher Vergleich erleichtert werden. Das Insolvenzverfahren werde den Pfadfindern helfen, die Opfer durch die Einrichtung eines Fonds „angemessen zu entschädigen“, und dem Verband die Möglichkeit geben, auf lokaler Ebene weiterzuarbeiten, hieß es in einer Erklärung der Boy Scouts of America.

Der Organisation wird vorgeworfen, Misshandlungen und Missbrauch von Generationen von Jugendlichen vertuscht zu haben und nicht ausreichend gegen Pädophile in den eigenen Reihen vorgegangen zu sein. Die Organisation selbst hat sich entschuldigt und Opfer dazu aufgerufen, sich zu melden. Der Pfadfinderverband sorge sich „sehr um alle Opfer von Missbrauch und entschuldigt sich aufrichtig bei allen, denen während ihrer Zeit bei den Pfadfindern Schaden zugefügt wurde“, sagte Geschäftsführer Roger Mosby. Auf ihre Veranstaltungen, zu denen Zeltlager und Wanderungen zählen, soll sich die Insolvenz nicht auswirken.

Ein Pfadfinderführer in einem Pfadfinderlager
APA/AFP/Getty Images/George Frey
Die Boy Scouts of America gelten als US-Institution

Anwalt: „Jahrzehntelange Verschleierung von Missbrauch“

Der 1910 gegründete US-Pfadfinderverband hat nach eigenen Angaben rund 2,2 Millionen Mitglieder im Alter zwischen fünf und 21 Jahren. Gegen Boy Scouts of America laufen Hunderte Klagen. Sie seien „das Ergebnis einer jahrzehntelangen Verschleierung von Missbrauch durch die Boy Scouts und ihre erwachsenen Anführer“, sagte Anwalt Paul Mones, der Hunderte Männer vertritt, die nach eigenen Angaben als junge Pfadfinder missbraucht wurden.

Mehr als 12.000 Mitglieder der US-Pfadfinder sind nach Angaben des Opferanwalts Jeff Anderson seit 1944 Opfer von sexuellem Missbrauch geworden. Seinen Angaben zufolge sind zudem mehr als 7.800 mutmaßliche Täter in Akten aufgeführt, die der Organisation vorliegen.

Akten sollten ursprünglich nicht freigegeben werden

Die Enthüllungen über sexuellen Missbrauch bei den Boy Scouts of America kamen 2012 durch ein Gerichtsverfahren ans Licht. Tausende vertrauliche Akten über Vorwürfe sexuellen Missbrauchs wurden veröffentlicht. Mit Erlaubnis des Obersten Gerichtshofs im US-Staat Oregon hatten Anwälte von Missbrauchsopfern damals die Dokumente offengelegt. Darin seien mehr als tausend Betreuer und Helfer der Jugendorganisation aufgeführt, die in den Jahren 1965 bis 1985 wegen Missbrauchsvorwürfen von der Gruppe ausgeschlossen worden waren, berichteten damals US-Medien.

Die Pfadfinderorganisation hatte nach Angaben von US-Anwalt Kelly Clark von damals die zahlreichen Vorwürfe von Belästigungen und Kindesmissbrauch in ihren Akten dokumentiert, sich aber ursprünglich gegen deren Freigabe gewehrt.

2010 hatte Clark mit einer Klage gegen die Boy Scouts vor einem Gericht in Oregons größter Stadt Portland eine Millionenentschädigung für einen ehemaligen Pfadfinder erkämpft. Das Opfer war im Alter von elf Jahren von seinem Betreuer sexuell missbraucht worden. Die Anwälte argumentierten damals, dass die Organisation von den Übergriffen wusste. Der Mann sei zwar als Betreuer abgesetzt worden, habe jedoch als freiwilliger Helfer bei den Boy Scouts bleiben dürfen.