Bierlein und Fischer sehen Justizdebatte kritisch

Ex-Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein und Ex-Bundespräsident Heinz Fischer haben sich kritisch über die von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) losgetretene Justizdebatte geäußert. Bei einer Tagung europäischer Rechtsanwälte warnten die beiden heute in Wien vor einem Schaden für die Justiz, während Rechtsanwälte-Präsident Rupert Wolff die Angriffe als „brandgefährlich“ kritisierte.

Bierlein nannte ihren Nachfolger nicht beim Namen, machte aber durch den Einsatz des von Kurz verwendeten Wortes „sakrosankt“ klar, wen sie meinte. „Selbstverständlich ist auch die Justiz nicht sakrosankt und darf auch kritisiert werden, solange sie nicht als Institution infrage gestellt wird und dadurch Schaden nimmt“, mahnte die frühere Verfassungsgerichtshof-Präsidentin.

Fischer kritisiert Vorgangsweise von Kurz

Fischer kritisierte insbesondere die Vorgangsweise des Kanzlers. Dieser habe sich „nicht in einer Diskussion im Parlament vor den Augen der Öffentlichkeit, damit sich die Kritisierten und Betroffenen sofort verteidigen können“, geäußert, „sondern in einem Hintergrundgespräch vor Journalisten, das die beabsichtigte Wirkung erzielt, ohne dass die Quelle sichtbar ist“.

Es sei „unbestritten, dass es keine sakrosankten Institutionen gibt“. Die entscheidende Frage sei aber, „wer wen wann aus welchen Motiven und mit welcher Wortwahl kritisiert“. „Um auf das Problem allzu langer Verfahrensdauer aufmerksam zu machen, braucht man kein vertrauliches Hintergrundgespräch“, sagte der frühere SPÖ-Politiker.

Noch schärfer äußerte sich der Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages, Wolff. Die öffentliche Diskussion über die Justiz sei „brandgefährlich“, weil sie das Vertrauen in den Rechtsstaat gefährde, sagte er in seiner Rede vor 200 Gästen aus 40 Länder, darunter zahlreiche Rechtsanwaltskammer-Präsidenten und auch EU-Justizkommissar Didier Reynders.

„Der Rechtsstaat gerät in Gefahr, wenn öffentliche Kritik an der Justiz als politische Waffe eingesetzt wird“, so Wolff. Er räumte ein, dass es zahlreiche Unzulänglichkeiten in der Justiz gebe und die Rechtsanwälte diesbezüglich die schärfsten Kritiker seien, „weil wir tagtäglich sehen, was falsch läuft“. Der Grund sei aber nicht „eine vermutete politische Schlagseite der Gerichte, sondern deren jahrelange systematische Mangelausstattung“.