Übersichtsaufnahme des Bahnhofs Brenner
APA/Zeitungsfoto.at/Daniel Liebl
Coronavirus-Verdacht

Zugsverkehr nach Italien eingestellt

Aus Furcht vor Coronavirus-Infektionen hat Österreich den Zugsverkehr mit Italien am Brenner eingestellt. Die ÖBB teilten Sonntagabend mit, alle Zugverbindungen mit dem Nachbarland seien ausgesetzt, weil es bei einem aus Italien kommenden Zug der Verdacht auf eine Infektion mit dem Coronavirus bestehe. Ob dieser Verdacht begründet war, schien am späten Abend immer unklarer. Wie lange die Sperre, die später nur auf den Brenner beschränkt wurde, aufrecht bleibt, war zunächst nicht zu erfahren.

Seitens der Tiroler Landeswarnzentrale sei der Personenzugverkehr von Italien über den Brenner bis auf Weiteres eingestellt worden, hieß es von der ÖBB. Der Auslöser für die Sperre wurde am Abend zunehmend unklar. Zunächst hatte es geheißen, bei zwei aus Italien kommenden Bahnpassagieren bestehe der Verdacht auf eine Infektion.

Die APA berichtete, der Eurocity 86 sei am Nachmittag Venedig abgefahren und hatte in Verona gehalten, nachdem zwei deutsche Fahrgäste mit Fiebersymptomen und schwerem Husten aufgefallen waren. Die beiden Frauen wurden daraufhin laut APA in einem Krankenhaus in Verona auf das Coronavirus untersucht worden, der Test war jedoch negativ. Der Zug fuhr daraufhin weiter, wurde jedoch am Brenner erneut gestoppt.

Von Seiten der italienischen Behörden, die die Sperre mit Unmut zur Kenntnis nahmen, hieß es, es gebe keinen Grund dafür, da kein Coronavirus-Verdachtsfall an Bord bestätigt worden sei. Die beiden deutschen Passagierinnen mit Fiebersymptomen lägen im Krankenhaus von Verona, es gebe jedoch keine Hinweise einer Coronavirus-Erkrankung. Der Vorfall zeigt jedenfalls, wie angespannt die Situation auch in Österreich derzeit schon ist.

500 Passagiere gestrandet

Rund 500 Passagiere – mehrheitlich Österreicher und Deutsche – saßen in den späten Abendstunden an Bord von zwei italienischen Zügen am Brenner fest. Der Südtiroler Zivilschutz sei im Einsatz, um die Reisenden mit Decken und warmen Getränken zu versorgen, berichtete die Bozner Polizei.

Passagiere des angehaltenen Zugs auf dem Bahngleis beim Bahnhof Brenner
AP/Matthias Schrader
Warten am Bahnhof, heißt es für viele Passagiere

Die Sperre betreffe am Sonntagabend noch die Züge EC86, EC1288, den REX1828 sowie den Express Nizza-Moskau D408, heiß es von den ÖBB. Die Züge EC86 und EC1288 stünden derzeit am Bahnhof Brenner, die betroffenen Fahrgäste würden auch vom ÖBB-Personal im Zug betreut.

„Wir stehen mit den zuständigen Behörden in Kontakt und warten die weiteren Schritte und Anweisungen ab“. Regionalzüge zwischen Innsbruck und Brenner würden eine Station vorher stehen bleiben und umkehren, erklärte ÖBB-Sprecher Robert Lechner gegenüber der APA.

Zug Richtung München

Die ÖBB hatten nachdem sie über den verdacht in Kenntnis gesetzt worden waren, das Einsatz- und Koordinierungscenter des Innenministeriums informiert. „Der zuständige Bezirkshauptmann aus dem Bezirk Innsbruck-Land konnte durch die rasche Reaktion die Einreise nach Österreich per Bescheid verhindern“, teilte Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) mit. Der Zug befinde sich nun am Grenzbahnhof auf italienischem Staatsgebiet, hieß es.

Die weitere Vorgangsweise werde derzeit gemeinsam mit den italienischen Behörden koordiniert und geprüft. „Ich bin dazu im ständigen Austausch mit dem Landeshauptmann Günther Platter, um die weitere Vorgangsweise zu beraten. Der Zug ist jedenfalls gestoppt“, so Nehammer weiter. Der Zug befand sich demnach am Weg von Venedig nach München.

Anschober: Grenzkontrollen „derzeit nicht erforderlich“

Grenzkontrollen seien „derzeit nicht erforderlich“, sagte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) in der ZIB2 „Aber wir sind sehr, sehr in Sorge, wir sind vorsichtig und aufmerksam und werden morgen den Sachverhalt noch einmal mit allen Experten überprüfen“, verwies er auf den für Montag angesetzten Einsatzstab.

Gesundheitsminister Anschober über Coronavirus-Gefahr

Anschober verweist einmal mehr darauf, dass Österreich für alle Gefahren in Sachen Coronavirus gewappnet ist.

Man könne derzeit nicht prognostizieren, wie sich die Lage entwickeln werde, in etwa drei Wochen werde man womöglich wissen, ob es zu einer globalen Ausbreitung kommt. „Die Gesundheitsbehörden tun alles, damit das nicht der Fall ist“, betonte Anschober. Er verwies auf den „hervorragend“ aufgestellten österreichischen Gesundheitsbereich und die gute internationale Vernetzung der Behörden. Sollte es bei Verdachtsfällen Spuren nach Österreich geben, werde dies umgehend gemeldet und untersucht.

Fluggäste „extrem gut überprüft“

Direktmaschinen aus China, die fallweise am Flughafen Wien in Schwechat ankommen, würden „extrem gut überprüft“, betonte der Ressortchef. Es kämen dabei keine Menschen aus der Krisenregion und am Airport in Schwechat erfolgten weiterhin Fieberkontrollen, erläuterte Anschober.

Noch kein endgültiges Ergebnis gibt es zu den seit dem Jahr 2006 im Zuge der Vogelgrippe-Hysterie angeschafften und seither eingelagerten Grippeschutzmasken, deren Haltbarkeitsdatum mittlerweile abgelaufen ist. Anschober erwartet im Lauf der kommenden Woche ein Detailergebnis, „ob die Vorratshaltung als eiserne Reserve Sinn macht“.

„Kein Grund zur Panik“

Es gebe keinen Grund zur Panik, hatte Nehammer am Sonntagvormittag in einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz nach gesagt. Die Lage in Italien werde aber genau verfolgt – Österreich sei für den Fall der Fälle „gut gerüstet“.

„Die Lage in Italien nehmen wir sehr ernst“, so Nehammer. Auffällig sei dabei der rasche Anstieg bei den Fallzahlen, die Lage im Nachbarland entwickle sich „dynamisch“. In Österreich sei man derzeit aber noch „in der glücklichen Lage“, dass es keinen Fall gibt. Der Innenminister verwies in diesem Zusammenhang auf die bisherigen 181 Verdachtsfälle, die sich alle nicht bestätigt haben. Sollte ein Fall bestätigt werden, dann liege ein Maßnahmenkatalog bereit, wie der Leiter des Bundeskriminalamts (BK), Franz Lang, dazu sagte.

Dieser sehe sowohl „Maßnahmen nach vorne“ als auch „Maßnahmen nach hinten“ vor, wie Lang ausführte. Konkret müsse dann „ab der ersten Minute“ die Versorgungskette samt Quarantäne der Betroffenen greifen. Zudem müssten etwa Reisewege abgeklärt und etwaige Kontaktpersonen und Kontaminationsquellen gesucht werden. Beides müsse gleich präzise erfolgen, um eine mögliche Ausbreitungsgefahr einzuschätzen, sagte Lang.

Coronavirus: Österreich laut Nehammer „gut gerüstet“

„Wir sind gut gerüstet in Österreich.“ Das sagte Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) bei einem Medientermin im Innenministerium anlässlich der raschen Verbreitung des neuartigen Coronavirus in Italien.

„Zwangsmaßnahmen“ nicht ausgeschlossen

Was die Zuständigkeiten betrifft, habe im Umgang mit einem Krisenfall wie diesem das Gesundheitsministerium die inhaltliche Führung. „Die Polizei sichert alle notwendigen Maßnahmen, wenn nötig auch mit Zwangsmaßnahmen“, so Nehammer, der in diesem Zusammenhang auf die Koordinierungsfunktion seines Ressorts verwies.

Die Lage und die damit als notwendig erachtete Vorgangsweise werden von den zuständigen Stellen zudem immer wieder neu abgeklärt. So werde am Montag der Einsatzstab des Innenministeriums samt Vertretern aller betroffenen Ministerien und der Bundesländer erneut zusammenkommen. Zudem stehe man im engen Kontakt mit den italienischen Behörden.

Verweis auf gemeinsame EU-Strategie

Anschober verwies bereits zuvor zudem auf die gemeinsame Strategie der europäischen Gesundheitsbehörden. Bei einem Ausbruch wie nun in Italien werde sofort – u. a. durch Isolation – regional gehandelt und versucht, die Ausbreitung zu begrenzen. Treten bei der Befragung der Betroffenen Fakten auf, die ein anderes EU-Land betreffen, werde das sofort ins Early Warning and Response System (EWRS) der Europäische Union eingespeist und unmittelbar dem betroffenen Mitgliedsstaat übermittelt, damit dieser ebenfalls sofort handeln könne.

„Diese Vorgehensweise hat im Fall des Ausbruchs in Bayern vor drei Wochen gut funktioniert“, sagte Anschober. „Der Ausbruch konnte begrenzt und gestoppt werden.“ Auch Nehammer verwies auf den bayrischen Coronavirus-Fall. Vor Italien sei SARS-CoV-2 bereits im Jänner praktisch „vor der Haustür“ gestanden. „Weil sich die Lage in Italien derzeit dynamisch entwickelt, ist es wichtig, da auch sofort die gleichen Sorgfaltsmaßnahmen einzuleiten, die wir auch gegenüber Bayern geleistet haben.“

Grenzschließung wäre „rasch umzusetzen“

Darauf angesprochen, ob auch eine Schließung der Grenzen im Raum stehe, sagte Nehammer, das sei ein „Frage der Beurteilung der Experten“. Grundsätzlich wäre ein solcher Schritt aber „sehr rasch umzusetzen“. Binnen Minuten bzw. binnen einer Stunde könnten Grenzkontrollen „hochgefahren werden“, erläuterte Lang. Die „spannende Frage“ sei in diesem Fall: „Welche gesundheitsbezogenen Maßnahmen führt man an der Grenze durch, ähnlich wie beim Flughafen zum Beispiel, oder müssen wir spezifische Maßnahmen ergreifen?“

Außenministerium aktualisiert Reisehinweise

Personen, die grippeähnliche Symptome aufweisen, rät das Außenministerium, in Italien „auf keinen Fall zum Arzt oder ins Krankenhaus zu gehen, sondern die Telefonnummer 1500 anzurufen, um die weitere Vorgangsweise abzuklären“. Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) riet am Sonntag bei einem Pressestatement unterdessen von nicht zwingend notwendigen Reisen in die betroffenen italienischen Gebiete ab.

In Italien lebende, geschäftsreisende oder urlaubende Österreicher können sich bei Problemen, die rund um die Verbreitung von SARS-CoV-2 im Nachbarland für sie auftreten, an die österreichischen Vertretungen im Land wenden: Das Generalkonsulat Mailand und die Botschaft in Rom stehen zur Verfügung und seien mit Auslandsösterreicherinnen und Auslandsösterreichern in Kontakt, hieß es am Sonntagnachmittag aus dem Außenministerium.

In Wien durften unterdessen am Sonntagnachmittag die letzten vier aus China zurückgekehrten Personen, die sich einer zweiwöchigen Quarantäne unterziehen mussten, nach einer Abschlussuntersuchung ihre Isolation verlassen. Der Frau und ihren drei Kindern gehe es gut, teilte der Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) mit, alle Tests hinsichtlich Coronavirus seien negativ verlaufen.

EU-Präventionsbehörde überprüft Risikobewertung

Das Europäische Zentrum für Krankheitsprävention und -kontrolle (ECDC) stellt wegen der rasanten Ausbreitung von SARS-CoV-2 in Italien ihre Risikobewertung zu dem Virus auf den Prüfstand. Angesichts der sich schnell entwickelnden Lage werde man die Auswirkungen der Cluster in Italien hinsichtlich des Risikos für die gesamte EU und den Europäischen Wirtschaftsraum bewerten, teilte das ECDC am Sonntagabend in Solna bei Stockholm mit.

ECDC-Direktorin Andrea Ammon kündigte an, innerhalb der nächsten 24 Stunden eine aktualisierte Risikoeinschätzung herauszugeben. Man rechne damit, dass es in den kommenden Tagen weitere Fälle in Italien sowie möglicherweise auch in anderen Teilen der EU geben werde.

Beschränkungen auch in Österreich möglich

Auch in österreichischen Städten und Ortschaften könnte es theoretisch Beschränkungen im Fall des Ausbruchs einer meldepflichtigen Erkrankung geben. Das ist im Paragraf 24 des Epidemiegesetzes festgehalten, wie Oliver Gumhold vom Gesundheitsministerium zuletzt erklärte.

Im Epidemiegesetz heißt es dazu: „Sofern dies im Hinblick auf Art und Umfang des Auftretens einer meldepflichtigen Erkrankung zum Schutz vor deren Weiterverbreitung unbedingt erforderlich ist, hat die Bezirksverwaltungsbehörde für die Bewohner von Epidemiegebieten Verkehrbeschränkungen zu verfügen. Ebenso können Beschränkungen für den Verkehr mit den Bewohnern solcher Gebiete von außen angeordnet werden.“ Bisher kam es Gumhold zufolge noch nie zu so einem Fall.

Wirtschaftskammer richtet Hotline ein

Die Wirtschaftskammer richtet wegen des Coronavirus unterdessen ab Montag eine Hotline (05 90900-4352, Mo–Fr 9.00–17.00 Uhr) für betroffene Unternehmen aus Österreich ein. Ziel sei es, den Firmen beispielsweise beim Kontakt zu chinesischen Behörden zu helfen. Das Ressort organisierte auch eine „Taskforce“ namens „Wirtschaft COVID-19“ zwischen der chinesischen Botschaft, Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung. Rund 1.000 Firmen aus Österreich haben Niederlassungen in China, dem mit Abstand wichtigsten Handelspartner in Asien.