Bahnhof Brenner
APA/EXPA/Johann Groder
Coronavirus

Brenner-Fehlalarm legte Zugsverkehr lahm

Coronavirus-Fehlalarm auf dem Brenner: Wegen zweier Fahrgäste mit Husten und Fieber in einem Zug von Venedig nach München kam der Zugsverkehr Sonntagabend vier Stunden zum Stillstand. Die italienische Bahn meldete die Verdachtsfälle den ÖBB. Diese schalteten das österreichische Innenministerium ein – und der zuständige Bezirkshauptmann von Innsbruck-Land stoppte daraufhin den Zug per Bescheid.

Die beiden Fahrgäste hatten den Zug bereits in Verona verlassen und wurden dort negativ auf das neue Coronavirus SARS-CoV-2 getestet. Bis aber das Innenministerium Entwarnung gab, saßen 500 Passagiere aus zwei Zügen am späten Sonntagabend auf dem italienischen Grenzbahnhof auf dem Brenner fest. Um 23.30 Uhr ging die Reise weiter. Kurz davor hatte das Innenministerium Entwarnung gegeben.

„Die beiden coronaverdächtigen Personen wurden negativ getestet. Der Zug fährt daher in Kürze weiter“, teilte Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) in einer Stellungnahme mit. Bei allen Passagieren, die in Österreich aussteigen, würden Identitätsfeststellungen vorgenommen, hieß es. „Alle Behörden haben in diesem Fall rasch und mit hoher Vorsicht gehandelt. Die Meldekette hat unverzüglich funktioniert“, so Nehammer. In München durften die Passagiere bei der Ankunft hingegen unkontrolliert den Bahnhof verlassen.

Wegen Corona-Verdachts gestoppter Zug in München angekommen
APA/dpa//Lino Mirgeler
Der Zug kam nach einem stundenlangen Stopp auf dem Brenner schließlich in München an

Anschober: Grenzkontrollen „derzeit nicht erforderlich“

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) sagte in der Zeit im Bild 2, Grenzkontrollen gegen die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus seien „derzeit nicht erforderlich. Aber wir sind sehr, sehr in Sorge, wir sind vorsichtig und aufmerksam und werden morgen den Sachverhalt noch einmal mit allen Experten überprüfen“, verwies er auf das für Montag angesetzte Treffen des Einsatzstabs.

Passagiere des angehaltenen Zugs auf dem Bahngleis beim Bahnhof Brenner
AP/Matthias Schrader
Warten auf dem Bahnhof hieß es für viele Passagiere

Man könne derzeit nicht prognostizieren, wie sich die Epidemie entwickeln werde, in etwa drei Wochen werde man womöglich wissen, ob es zu einer globalen Ausbreitung kommt. „Die Gesundheitsbehörden tun alles, damit das nicht der Fall ist“, so Anschober. Er verwies auf den „hervorragend“ aufgestellten österreichischen Gesundheitsbereich und die gute internationale Vernetzung der Behörden. Sollte es bei Verdachtsfällen Spuren nach Österreich geben, werde das umgehend gemeldet und untersucht.

Gesundheitsminister Anschober über Coronavirus-Gefahr

Anschober verwies einmal mehr darauf, dass Österreich für alle Gefahren in Sachen Coronavirus gewappnet ist.

Fluggäste „extrem gut überprüft“

Direktmaschinen aus China, die fallweise auf dem Flughafen Wien-Schwechat ankommen, würden „extrem gut überprüft“, so der Ressortchef. Es kämen dabei keine Menschen aus der Krisenregion, und auf dem Flughafen Wien-Schwechat erfolgten weiterhin Fieberkontrollen, erläuterte Anschober.

Noch kein endgültiges Ergebnis gibt es zu den seit dem Jahr 2006 im Zuge der Vogelgrippe-Hysterie angeschafften und seither eingelagerten Grippeschutzmasken, deren Haltbarkeitsdatum mittlerweile abgelaufen ist. Anschober erwartet im Lauf der Woche ein Detailergebnis, „ob die Vorratshaltung als eiserne Reserve Sinn macht“.

FPÖ-Bundesparteiobmann Norbert Hofer forderte indes die Einberufung des Nationalen Sicherheitsrats. „Es ist fahrlässig, an den Grenzen keine Maßnahmen zu setzen. Wenn die Seuche erst einmal in Österreich angekommen ist, ist es zu spät“, sagte er am Montag. Der Reiseverkehr nach Österreich aus den betroffenen Regionen solle eingeschränkt werden.

Vier Tote in Italien

Unterdessen steht das öffentliche Leben in vielen Gegenden Norditaliens wegen des Coronavirus-Ausbruchs praktisch still. Die Zahl der Infizierten lag am Sonntagabend bei mehr als 150, damit ist Italien das Land mit der höchsten Zahl an bestätigten Fällen in Europa.

Am Montag wurde ein viertes Coronavirus-Todesopfer in Italien bekannt. Dabei handelt es sich um einen 84-Jährigen, der in einem Krankenhaus in der lombardischen Stadt Bergamo behandelt wurde. Damit stieg die Zahl der Todesopfer in der Lombardei auf drei, in Venetien war am Freitag ein 78-Jähriger an den Folgen einer Coronavirus-Erkrankung gestorben.

Die meisten Infizierten kamen aus der Lombardei, wo zehn Gemeinden in der Provinz Lodi zu Sperrzonen erklärt wurden. Sie liegen in der Nähe von Mailand, der zweitgrößten Stadt Italiens und dem Finanzzentrum des Landes.Medien zeigten Fotos von Supermärkten in Mailand mit leer geräumten Regalen und langen Schlangen an den Kassen. Zahlreiche Sehenswürdigkeiten bleiben zu. Der Mailänder Dom sollte zum Beispiel als Vorsichtsmaßnahme für Touristen bis mindestens Dienstag geschlossen bleiben. In Kirchen in der Lombardei und in Venetien fielen Gottesdienste aus. Auch die Hafenstadt Triest beschloss am Sonntagabend eine Reihe von Sicherheitsmaßnahmen.

Öffentliche Verkehrsmittel wurden eigens desinfiziert. Der Ausbruch traf auch die Mailänder Modewelt. Das Modehaus Giorgio Armani habe entschieden, die Büros und die Produktionsstätten an mehreren Standorten sieben Tage zu schließen, berichtete die Nachrichtenagentur ANSA. Die Armani-Show auf der Mailänder Modewoche war ausschließlich online zu sehen. Die Modekammer gab bekannt, dass auch die beiden letzten, für den Montag angesetzten Shows der Fashion Week ausschließlich im Stream zu sehen sein sollen.

Schließungen auch in Venedig

In Venetien wurde die Gemeinde Vo abgeriegelt. Schulen, Universitäten und Museen bleiben geschlossen. Auch der Karneval von Venedig, der bis Dienstag gehen sollte, wurde vorzeitig beendet. Das Fenice-Theater und die Museen in Venedig sind am Montag geschlossen. Die Markusbasilika wird geschlossen. Trauerzeremonien und geplante Hochzeiten werden nur im engsten Kreise der Familienangehörigen zelebriert.

Die Vaporetti, die Wasserbusse Venedigs, werden einer großen Desinfizierungsaktion unterzogen. Für die Hoteliers in Venedig, die bereits die gravierenden Auswirkungen des Hochwassers im Herbst zu spüren bekommen haben, sind das vorzeitige Ende des Karnevals und die Museumsschließungen eine weitere Hiobsbotschaft.

Frankreich gegen Grenzschließung zu Italien

Der französische Verkehrsminister Jean-Baptiste Djebbari sagte BFM Business, eine Schließung der Grenzen zu Italien sei nicht nötig. Ein solcher Schritt wäre nicht sinnvoll, da die Ausbreitung des Virus vor Grenzen nicht haltmache, ergänzte er.

Griechenland traf indes erste Maßnahmen. Unter anderem werden seit Montagfrüh die Besatzungen von Fähren, die zwischen Italien und Griechenland pendeln, informiert, welche vorbeugenden Maßnahmen getroffen werden müssen, damit mögliche Verdachtsfälle rasch isoliert werden. Das berichtete am Montag der griechische Rundfunk. Bereits am Vorabend hatte Athen alle künftigen Schulausflüge nach Italien verboten.

Nehammer: „Kein Grund zur Panik“

Es gebe keinen Grund zur Panik, hatte Nehammer am Sonntagvormittag in einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz gesagt. Die Lage in Italien werde aber genau verfolgt – Österreich sei für den Fall der Fälle „gut gerüstet“.

Coronavirus: Österreich laut Nehammer „gut gerüstet“

„Wir sind gut gerüstet in Österreich.“ Das sagte Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) bei einem Medientermin im Innenministerium anlässlich der raschen Verbreitung des neuartigen Coronavirus in Italien.

„Die Lage in Italien nehmen wir sehr ernst“, so Nehammer. Auffällig sei der rasche Anstieg der Fallzahlen, die Lage im Nachbarland entwickle sich „dynamisch“. In Österreich sei man derzeit aber noch „in der glücklichen Lage“, dass es keinen Fall gibt. Der Innenminister verwies auf die bisherigen Verdachtsfälle, die sich alle nicht bestätigt haben. Sollte ein Fall bestätigt werden, dann liege ein Maßnahmenkatalog bereit, sagte Franz Lang, der Leiter des Bundeskriminalamts (BK).

Dieser sehe sowohl „Maßnahmen nach vorne“ als auch „Maßnahmen nach hinten“ vor, so Lang. Konkret müsse „ab der ersten Minute“ die Versorgungskette samt Quarantäne der Betroffenen greifen. Zudem müssten etwa Reisewege abgeklärt und etwaige Kontaktpersonen und Kontaminationsquellen gesucht werden. Beides müsse gleich präzise erfolgen, um eine mögliche Ausbreitungsgefahr einzuschätzen, sagte Lang.

„Zwangsmaßnahmen“ nicht ausgeschlossen

Was die Zuständigkeiten betrifft, habe im Umgang mit einem Krisenfall wie diesem das Gesundheitsministerium die inhaltliche Führung. „Die Polizei sichert alle notwendigen Maßnahmen, wenn nötig auch mit Zwangsmaßnahmen“, so Nehammer, der auf die Koordinierungsfunktion seines Ressorts verwies.

Die Lage und die damit als notwendig erachtete Vorgangsweise werden von den zuständigen Stellen immer wieder neu abgeklärt. So werde am Montag der Einsatzstab des Innenministeriums samt Vertretern aller betroffenen Ministerien und der Bundesländer erneut zusammenkommen. Zudem stehe man in engen Kontakt mit den italienischen Behörden. Anschober verwies bereits zuvor auf die gemeinsame Strategie der europäischen Gesundheitsbehörden.

Außenministerium aktualisiert Reisehinweise

Personen, die grippeähnliche Symptome aufweisen, rät das Außenministerium, in Italien „auf keinen Fall zum Arzt oder ins Krankenhaus zu gehen, sondern die Telefonnummer 1500 anzurufen, um die weitere Vorgangsweise abzuklären“. Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) riet am Sonntag in einem Pressestatement unterdessen von nicht zwingend notwendigen Reisen in die betroffenen italienischen Gebiete ab.

In Italien lebende, geschäftsreisende oder urlaubende Österreicher können sich bei Problemen, die rund um die Coronavirus-Verbreitung im Nachbarland für sie auftreten, an die österreichischen Vertretungen im Land wenden: Das Generalkonsulat Mailand und die Botschaft in Rom stünden zur Verfügung und seien mit Auslandsösterreicherinnen und Auslandsösterreichern in Kontakt, hieß es am Sonntagnachmittag aus dem Außenministerium.