Ein Broker in der Deutschen Börse überwacht seinen Bildschirm.
AP/dpa/Boris Roessler
Angst vor Rezession

Coronavirus schickt Börsen auf Talfahrt

An den Börsen geht die Angst vor den wirtschaftlichen Folgen des neuartigen Coronavirus um – und lastet schwer auf den Aktienkursen. Am Freitag setzten sich die Verluste der vergangenen Tage fort. Während die Sorge vor einer weltweiten Rezession wuchs, erlebten die Börsen die schwärzeste Woche seit der Finanzkrise 2008.

Man muss kein Insider und keine Insiderin sein, um zu sehen, dass es in der vergangenen Woche an den Börsen weltweit nicht rund lief. Alle wichtigen Aktienindizes gaben in den vergangenen Tagen teils deutlich nach. Der Euro Stoxx 50 als Leitindex für die Euro-Zone fiel am Freitag zeitweise um fast fünf Prozent auf den niedrigsten Stand seit Sommer vergangenen Jahres. Er schloss mit einem Minus von 3,66 Prozent. Die Verluste seit Wochenbeginn beliefen sich auf mehr als zwölf Prozent. Auch der DAX in Frankfurt und der Wiener Leitindex ATX kamen am Freitag einmal mehr nicht aus den roten Zahlen. Die Börsen in London und Paris verzeichneten ihre schlechteste Woche seit der Finanzkrise vor mehr als zehn Jahren.

Zuvor waren bereits die Kurse in Asien erneut auf Tauchstation gegangen. Die Börsenbarometer in Schanghai und Tokio schlossen jeweils mit einem Minus von drei Prozent. Die Wall Street erlebte ihre schlimmste Woche seit der Finanzkrise 2008. Bereits am Donnerstagabend hatte an der New Yorker Börse der Index Dow Jones 4,4 Prozent verloren. Das war der größte prozentuelle Verlust seit mehr als zwei Jahren – und mit 1.200 Punkten der größte jemals verbuchte Punkteverlust des Index.

Auch am Freitag ging der Leitindex zwischenzeitlich sehr stark zurück, die Talfahrt konnte aber abgebremst werden. Er schloss mit 1,4 Prozent im Minus. Eine Stellungnahme von US-Notenbankchef Jerome Powell hatte die Anleger beruhigt: Die FED werde gegebenenfalls eingreifen, um die wirtschaftlichen Folgen der Coronavirus-Krise abzufedern, erklärte Powell. Angesichts der „Risiken“ durch das Virus werde die Notenbank „ihre Instrumente nutzen und angemessen handeln, um unsere Wirtschaft zu unterstützen.“

Indexentwicklung seit Anfang 2020: ATX, DAX, Eurostoxx, Mailand, Dow Jones, Shanghai – Kurvengrafiken
Grafik: APA/ORF.at Quelle: APA

Pessimistische Analysen

Pessimistisch fielen die Kommentare der Analysten aus. „Innerhalb weniger Tage wurden die Kursgewinne der vergangenen Wochen und Monate pulverisiert“, sagte Analyst Christian Henke vom Brokerhaus IG. Ipek Ozkardeskaya von der Swissquote Bank sprach von einem „Panikmodus“ der Anleger. „Im Würgegriff des Virus – eine Handelswoche, die man so schnell nicht vergisst“, kommentierte das Miraji Othman, Analyst der Bayerischen Landesbank.

Die „Wall Street“ in New York City.
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Nicht nur in den USA deutet die Kursrichtung seit Tagen nach unten

Noch in der vergangenen Woche hätten die Aktienbörsen auf Rekordständen oder mehrjährigen Hochs notiert, sagte Othman. „Entsprechend stark fallen nun die Anpassungen an die neuen Verhältnisse aus.“ Das zuvor allgemein akzeptierte Szenario einer raschen Wiederbelebung der chinesischen Wirtschaft hätten die Marktakteure nun ad acta gelegt. Der starke Ausbruch der Infektionen in Italien, Südkorea und anderen Ländern verdeutliche, dass das Coronavirus nun ein globales Phänomen sei.

Noch „kein Ende des Tunnels“

Die Epidemie scheine sich zu einer Pandemie zu entwickeln, sagte Norihiro Fujito, Chefanlagestratege bei der Investmentbank Mitsubishi UFJ Morgan Stanley. „Die Märkte können damit umgehen, solange das Ende des Tunnels zu sehen ist. Im Augenblick kann aber niemand sagen, wie lange das Ganze anhält und wie schlimm es wird.“

„Wir müssen nicht auf Konjunkturdaten warten, um zu sehen, wie stark die Wirtschaft leidet“, sagte Volkswirt Tomoaki Shishido von der Investmentbank Nomura. Man brauche sich nur den Einbruch der Buchungszahlen der Fluggesellschaften und Hotels anzuschauen. „Die Belastung durch das Coronavirus wird eindeutig größer sein als durch den Zollstreit zwischen den USA und China.“ Daher rechne er fest mit einer Zinssenkung der US-Notenbank Fed im kommenden Monat.

Elektronische Anzeige zeigt den Index des Nikkei 225 in Tokyo.
APA/AFP/Kazuhiro Nogi
Der japanische Nikkei-225-Index war nur einer von vielen Indizes, die die Woche deutlich im Minus beendeten

Friedrich Heinemann vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung warnte, die Epidemie habe „das Potenzial eines gravierenden negativen konjunkturellen Schocks“. Ähnlich wie bei der Finanzkrise im Jahr 2009 sollten die EU-Staaten „Vorbereitungen für koordinierte fiskalische Gegenmaßnahmen treffen, die rasch aktiviert werden können, wenn sich die Sorgen um den ökonomischen Schaden bewahrheiten“.

„Bewusstsein für weitaus größere Risiken“

Die Warnung vor einer Rezession äußerte auch der US-Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften, Robert Shiller. „Die direkten Effekte auf die Weltwirtschaft halten sich zwar erst einmal in Grenzen. Aber das Virus hat plötzlich ein Bewusstsein für die weitaus größeren Risiken geschaffen, die die globalen Finanzmärkte belasten werden“, sagte Shiller dem deutschen „Handelsblatt“ (Freitag-Ausgabe).

Vor allem auf den US-Aktienmärkten, die er für 40 Prozent überbewertet hält, werde es „unweigerlich zu einer heftigen Korrektur kommen“, sagte Shiller. Die wachsende Angst vor der Epidemie könne sich auf die Realwirtschaft auswirken „und in eine Rezession führen“. Der Yale-Ökonom hatte sowohl das Platzen der Internetblase kurz nach der Jahrtausendwende als auch den Absturz der Immobilienpreise im Jahr 2007 vorhergesehen.