In Doha, der Hauptstadt des Golfemirats Katar, unterzeichneten der US-Sondergesandte für Aussöhnung in Afghanistan, Zalmay Khalilzad, und der Leiter des politischen Büros der Taliban in Doha, Mullah Abdul Ghani Baradar, vor rund 300 geladenen Gästen das Abkommen. Auch US-Außenminister Mike Pompeo war bei der Zeremonie anwesend.
Die mehr als eineinhalb Jahre lang verhandelte Einigung soll einen Abzug der US-Truppen aus Afghanistan einleiten. Im Gegenzug sollen die Taliban Garantien geben, dass das Land kein sicherer Hafen für Terroristen wird und sie Friedensgespräche mit der Regierung in Kabul aufnehmen.
Truppenreduktion in erstem Schritt
In einem ersten Schritt soll die Zahl der US-Truppen um rund ein Drittel reduziert werden. Das geht aus einer gemeinsamen Erklärung der afghanischen und US-amerikanischen Regierungen hervor, die kurz vor der Unterzeichnung in Doha in der afghanischen Hauptstadt Kabul veröffentlicht wurde. Demnach soll die Zahl der US-Streitkräfte von aktuell zwischen 12.000 und 13.000 binnen 135 Tagen auf 8600 reduziert werden.
Gleichzeitig würden die USA mit der NATO und anderen Verbündeten daran arbeiten, die Zahl der NATO-Truppen proportional dazu zu verringern, heißt es in der Erklärung weiter. Die USA und ihre Verbündeten würden alle ihre verbleibenden Streitkräfte innerhalb von 14 Monaten abziehen.
Woche der „Gewaltreduzierung“ als Voraussetzung
Washington hatte als Voraussetzung für ein Abkommen von den Taliban sieben Tage der „Gewaltreduzierung“ in dem kriegszerrissenen Land verlangt. Die sieben Tage waren um Mitternacht (Ortszeit Afghanistan) zu Samstag abgelaufen. Die Phase verlief lokalen Angaben zufolge zwar nicht gewaltfrei, aber erheblich ruhiger als üblich. Die Woche war als Test angesehen worden, ob die Taliban ihre Reihen kontrollieren können.
Trump spricht von Treffen mit Taliban
US-Präsident Donald Trump teilte am Freitag in Washington mit, beim Einsatz in Afghanistan seien große Fortschritte gemacht worden – aber unter hohen Kosten für US-Truppen, für den amerikanischen Steuerzahler und für das afghanische Volk. Im Wahlkampf habe er dem amerikanischen Volk versprochen, „dass ich damit beginnen würde, unsere Truppen nach Hause zu bringen und zu versuchen, diesen Krieg zu beenden. Wir machen erhebliche Fortschritte bei der Einlösung dieses Versprechens.“
Und Trump kündigte an, er wolle sich „in nicht so ferner Zukunft“ mit Taliban-Führern treffen. Zugleich schränkte er in Bezug auf den geplanten US-Truppenrückzug ein: „Sollten schlimme Dinge passieren, werden wir zurückkehren.“
Nach 9/11 von USA gestürzt
Die Taliban waren 2001 von einer US-geführten Militärkoalition von der Macht vertrieben worden, nachdem sie den Terrorpaten Osama bin Laden beherbergt hatten. Die USA machten den Al-Kaida-Chef für die Anschläge vom 11. September 2001 verantwortlich.
Vor allem seit dem Ende des internationalen Kampfeinsatzes Ende 2014, der von einem Ausbildungseinsatz abgelöst wurde, haben die Taliban wieder an Stärke gewonnen. Den letzten verfügbaren US-Militärangaben von Oktober 2018 zufolge beherrschte die Regierung nur noch wenig mehr als die Hälfte der Bezirke des Landes. Weitere rund 30 Prozent sind umkämpft. Auch die deutsche Bundeswehr ist an dem internationalen Einsatz in Afghanistan beteiligt.
Erster Schritt
Die USA-Taliban-Vereinbarung ist ein erster Schritt in Richtung Frieden. Es handelt sich im klassischen Sinne nicht um einen Friedensvertrag, weil bisher eine Konfliktpartei, die Regierung in Kabul, fehlte. Gleichzeitig wurden zwei wichtige Punkte für einen dauerhaften Frieden an die innerafghanischen Verhandlungen ausgelagert: ein landesweiter, dauerhafter Waffenstillstand sowie ein Abkommen über die künftige Verteilung der politischen Macht in Afghanistan – also darüber, wie die Taliban politisch eingegliedert werden.
Die eigentlichen Friedensgespräche für das Land stehen somit erst noch bevor. Beobachter gehen davon aus, dass es mindestens ein Jahr bis zu einem innerafghanischen Friedensschluss dauert.
USA und Taliban unterzeichnen Abkommen
Die USA und Vertreter der Taliban haben im Golfemirat Katar ein Abkommen über Wege zu einem Frieden in Afghanistan unterzeichnet.
USA bei Einschätzung vorsichtig
Entsprechend fielen daher selbst die Reaktionen von US-Außenminister Mike Pompeo und US-Verteidigungsminister Mark Esper aus, die zentral in die Verhandlungen eingebunden waren. Pompeo sprach einem „echten Test“ für die Bemühungen um dauerhaften Frieden in Afghanistan. „Wir stehen erst am Anfang“, sagte Pompeo am Samstag bei der Unterzeichnungszeremonie in Doha im Golfemirat Katar.
„Eine signifikante Verringerung der Gewalt wird die Bedingungen für Frieden schaffen, und das Fehlen derselben die Bedingungen für ein Scheitern.“ Pompeo warnte die Taliban, das Abkommen als Eingeständnis einer Niederlage der USA zu werten. Pompeo betonte, die USA müssten sicher sein, dass von Afghanistan keine Terrorbedrohung mehr ausgehe. Und Pompeo forderte die Taliban dazu auf, Erfolge wie die Stärkung der Rechte von Frauen und Mädchen in Afghanistan zu respektieren. Esper sprach von einem „Schlüsselmoment im Friedensprozess“, betonte aber ebenso, dass das erst der Anfang des Weges sei.
Ghani gibt sich optimistisch
Der afghanische Präsident Ashraf Ghani sagte, das Abkommen könne „ein Moment sein, um die Vergangenheit zu überwinden“. Die Regierung und das Volk in Afghanistan stimmten mit den internationalen Partnern überein, dass eine politische Lösung angestrebt werden müsse. Und Ghani zeigte sich zuversichtlich, dass eine Einigung möglich sein wird.
Borrell: Wichtiger Schritt
Der EU-Außenbeauftragte, der Spanier Josep Borrell, bezeichnete im Namen der EU das Abkommen als wichtigen ersten Schritt in Richtung eines umfassenden Friedensprozesses mit innerafghanischen Verhandlungen in dessen Zentrum. „Die Europäische Union erwartet, dass diese von afghanischer Seite geführten und kontrollierten Verhandlungen ohne Verzögerungen beginnen, in einer inklusiven Weise ablaufen und auf einen dauerhaften Frieden abzielen, der ein Klima von Sicherheit und Stabilität für alle Afghanen schaffen könnte“, sagte Borrell unter anderem in einer Erklärung.
Der Konflikt brauche eine politische Lösung, die Menschenrechte – Frauenrechte eingeschlossen – respektiere und allgemeine Missstände anspreche. Auch ÖVP-Außenminister Alexander Schallenberg begrüßte die Einigung.