Cast von „There Is No Evil“ auf der Bühne
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Berlinale

Goldener Bär für „Es gibt kein Böses“

Der Episodenfilm „Es gibt kein Böses“ des iranischen Regisseurs Mohammed Rassulof hat den Goldenen Bären der 70. Berlinale gewonnen. Das gab die Jury Samstagabend in Berlin bekannt – allerdings in Abwesenheit des Regisseurs, der selbst keine Reiseerlaubnis bekam. Die Wahl ist auch ein politisches Statement. Der Spezialpreis der Jury ging an die Österreicherin Sandra Wollner.

Die iranische Filmszene ist international mehr als geachtet – doch im eigenen Land leidet die Branche unter der Gängelung des Regimes. Förderungen gibt es praktisch nur für Filme, die die herrschenden Verhältnisse nicht kritisieren. Dabei ist es bereits der dritte Goldene Bär für einen Regisseur aus dem Iran: 2011 gewann „Nader und Simin – Eine Trennung“ von Asghar Farhadi, 2015 „Taxi Teheran“ von Dschafar Panahi. „Es gibt kein Böses“ ist eine deutsch-tschechisch-iranische Koproduktion.

Der Regisseur Rassulof war wie sein Kollege Panahi wegen Protesten nach den Präsidentschaftswahlen 2009 verhaftet und zu sechs Jahren Haft verurteilt worden. Seitdem dürfen beide zumindest offiziell keine Filme mehr machen. Trotzdem haben sie es geschafft, Underground-Filme zu drehen und diese auf ausländischen Festivals zu zeigen.

Baran Rasoulof
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Die Tochter des Regisseurs, Baran Rassulof, nahm den Preis stellvertretend für ihren Vater entgegen.

Allmächtiges Kultusministerium

Seit Jahrzehnten herrscht im Iran zwischen Filmemachern und Behörden eine große Spannung. Drehbücher müssen im Kultusministerium abgenommen werden, erst dann kann offiziell die Produktion beginnen. Aber auch nach Ende der Dreharbeiten muss eine Abteilung die Aufführung der Filme genehmigen. Manche Szenen etwa zwischen Mann und Frau, die in Deutschland normal wären, sind dort nicht erlaubt.

Der ironische Titel „Es gibt kein Böses“ handelt in vier Episoden von Menschen, die mit der Todesstrafe zu tun haben oder deren Leben dadurch geprägt wird. So zeigt eine Episode einen Familienvater, der sich später als Henker entpuppt oder ein verlobtes Paar, bei dem sich im Verlauf des Films zeigt, dass der Mann sich den Heimaturlaub durch die Teilnahme an einer Hinrichtung quasi erkauft hat.

Paula Beer beste Schauspielerin

Die deutsche Schauspielerin Paula Beer wurde Samstagabend als beste Darstellerin geehrt – sie bekam den Silbernen Bären für ihre Rolle in Christian Petzolds Liebesfilm „Undine“. „Vielen, vielen Dank“, sagte Beer. Sie freue sich wahnsinnig. Man könne aber nur so gut sein wie sein Gegenüber – ihr Kollege Franz Rogowski sei der „wunderbarste Spielmann“, den man sich wünschen könne. In Petzolds Film spielen die beiden ein Liebespaar.

Paula Beer
APA/AFP/Tobias Schwarz
Paula Beer freut sich sichtlich über den Preis der besten Darstellerin

Bester Darsteller wurde der Italiener Elio Germano, der im Künstlerdrama „Hidden Away“ („Volevo nascondermi“) einen Maler spielt, der lange aus Ausgestoßener lebte. Der Große Preis der Jury ging an das Coming-of-Age-Drama „Never Rarely Sometimes Always“: US-Regisseurin Eliza Hittman erzählt darin von einer 17-Jährigen, die ungewollt schwanger ist. Der Südkoreaner Hong Sangsoo gewann den Silbernen Bär für die beste Regie: In seinem Film „Die Frau, die rannte“ unternimmt eine Frau erstmals wieder etwas ohne ihren Mann. Die italienischen Brüder Fabio und Damiano D’Innocenzo erhielten den Silbernen Bären für das Drehbuch zum Drama „Bad Tales“ („Favolacce“).

Jürgen Jürges ausgezeichnet

Ausgezeichnet wurde auch der deutsche Kameramann Jürgen Jürges, der schon mit Größen wie Wim Wenders und Rainer Werner Fassbinder drehte. Er erhielt nun den Silbernen Bären für eine „herausragende künstlerische Leistung“ für seine Arbeit an „DAU. Natasha“. Der Experimentalfilm ist Teil eines großangelegten Kunstprojekts.

Die Berlinale zählt neben Cannes und Venedig zu den wichtigsten europäischen Filmfestivals. In diesem Jahr konkurrierten 18 Beiträge im Wettbewerb. Erstmals leiteten die Niederländerin Mariette Rissenbeek und der Italiener Carlo Chatrian die Filmfestspiele.

Ein Sonderpreis zur 70. Berlinale ging an die französische Komödie „Delete History“ („Effacer l’historique“). Nicht mehr vergeben wurde dafür der Alfred-Bauer-Preis. Hintergrund sind Recherchen zur Vergangenheit des ersten Festivalleiters Alfred Bauer, der nach einem Bericht der „Zeit“ ein „hochrangiger Funktionär der NS-Filmbürokratie“ gewesen sein soll.

Die Gewinner der 70. Berlinale

Die 70. Berlinale ist Geschichte. Die Österreicherin Sandra Wollner hat in der frisch eingeführten Sektion „Encounters“ den Spezialpreis der Jury erhalten.

Spezialpreis an Österreicherin

Mit Sandra Wollners „The Trouble With Being Born“ ist bei der 70. Berlinale ein Beitrag aus Österreich ausgezeichnet worden. Die vom ORF kofinanzierte Produktion wurde mit dem Spezialpreis der Jury in der Sektion „Encounters“ ausgezeichnet. „Encounters“ ist eine neue Schiene neben dem eigentlichen Wettbewerb und den Berlinale Shorts.

Die 1983 geborene Steirerin Sandra Wollner trat mit ihrer Sci-Fi-Dystopie über einen Androiden namens Elli, der von einem Mann nach dessen Erinnerungen erschaffen wurde, an. Vor der Kamera standen unter anderen Lena Watson, Dominik Warta und Ingrid Burkhard. Die österreichisch-deutsche Koproduktion ist eine von insgesamt 15 Titeln in der ersten Runde der „Encounters“. Die Sektion will neue Stimmen des Kinos unterstützen und den verschiedenen Spielformen des Kinos mehr Raum geben.