Emmanuel Macron
Reuters/Christian Hartmann
Pensionsreform

Empörung über Macrons Schachzug

Mit der Ankündigung, ihre umstrittene Pensionsreform am Parlament vorbei umzusetzen, hat die französische Regierung für Empörung gesorgt. Abgeordnete der rechten und der linken Opposition reichten Misstrauensanträge gegen die Regierung ein.

Der Chef der Gewerkschaft CGT, Philippe Martinez, kündigte breite Protestkundgebungen in den nächsten Tagen an. Nach zweiwöchigen zähen Debatten hatte Premierminister Edouard Philippe am Samstag in Absprache mit Präsident Emmanuel Macron überraschend die Beratungen in der Nationalversammlung in erster Lesung abgebrochen und angekündigt, die Pensionsreform ohne Beteiligung der Abgeordneten umzusetzen.

Er werde die „Episode der Nichtdebatte“ mit der Opposition beenden und setze das Gesetz in erster Lesung per Verfassungsklausel 49.3 um, sagte Philippe im französischen Unterhaus. Er warf der Opposition vor, mit der bewussten Verzögerung der Debatten Obstruktionspolitik zu betreiben.

41.000 Änderungsanträge

„Nach mehr als 115 Stunden öffentlicher Debatten, Tag und Nacht, auch an Wochenenden, ist die Nationalversammlung erst bei Artikel 8 eines gewöhnlichen Gesetzes angekommen, das insgesamt 65 umfasst.“ Tatsächlich liegen 41.000 Änderungsanträge zu dem Reformvorhaben vor.

Edouard Philippe
Reuters/Charles Platiau
Macron und sein Premier Philippe (im Bild) fürchten, dass die Pensionsreform im Parlament zerrieben wird

Artikel 49.3 der Verfassung erlaubt es der Regierung, Gesetze ohne Parlamentsbeschluss umzusetzen, wenn die Debatten nicht vorankommen. Die Opposition kann daraufhin binnen 24 Stunden einen Misstrauensantrag stellen. Übersteht die Regierung diesen, gilt das Gesetz als angenommen. Damit ist angesichts der komfortablen Parlamentsmehrheit für die Regierung von Präsident Emmanuel Macron zu rechnen.

40 verschiedene Pensionskassen

Macron will die mehr als 40 verschiedenen Pensionssysteme des Landes vereinheitlichen und das Milliardendefizit der Pensionskassen abbauen. Er drängte auf den Abschluss der ersten Lesung vor den Kommunalwahlen Mitte März und eine endgültige Verabschiedung der Reform, die auch dem Senat vorgelegt werden muss, vor der Sommerpause.

Die Gewerkschaften fürchten massive Einbußen für viele Pensionistinnen und Pensionisten. Monatelang organisierten sie landesweite Streiks gegen Macrons Pläne, die jedoch zuletzt wegen der leeren Streikkassen abgeflaut waren. CGT-Chef Martinez kündigte nun angesichts der „zutiefst skandalösen Haltung“ der Regierung neue Proteste „ab der kommenden Woche an“.

Konservative gegen Umgehung des Parlaments

Die konservative Oppositionspartei LR erklärte, sie könne nicht hinnehmen, dass das Parlament nicht über ein Gesetz abstimmen könne, das nach Angaben der Regierung „das wichtigste ihres Mandats“ sei. Der linke Abgeordnete Francois Ruffin warf der Regierung vor, sich über den „Willen“ der Franzosen sowie der Gewerkschaften und nun auch über das Parlament hinweggesetzt zu haben.

In Paris und weiteren Städten des Landes kam es am Samstagabend bereits zu Protestkundgebungen. An ihnen nahmen einige Dutzend bis – wie in Paris – mehrere hundert Menschen teil.

Philippe weiter zu Änderungen bereit

Premierminister Philippe forderte unterdessen die Sozialpartner auf, sich an der „Weiterentwicklung des Gesetzestextes“ zu beteiligen. Ein Ende der Debatten in der Nationalversammlung bedeute nicht das Ende der Änderungen am Gesetzesentwurf, erklärte er in einem Brief an die Teilnehmer der Finanzierungskonferenz.

Philippe hatte nach wochenlangen Protesten gegen die Pensionsreform unter anderem angekündigt, auf die Erhöhung des Pensionsalters auf 64 zu verzichten. Zur Bedingung macht er aber, dass sich die Sozialpartner bis Ende April auf eine Alternative zur Finanzierung einigen.