Chinesischer Arbeiter mit Atemschutzmaske
Reuters/China Daily
OECD-Prognose

CoV könnte Wirtschaftswachstum halbieren

Die Coronavirus-Epidemie kann nach Einschätzung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) die Weltwirtschaft schwer treffen. Sollte sich die Lage nicht bessern und immer weitere Länder betroffen sein, könnte das Wachstum dieses Jahr auf eineinhalb Prozent fallen, teilte die OECD am Montag mit.

Sollte sich die Lage dagegen bald stabilisieren, dürfte die Weltwirtschaft 2020 um 2,4 Prozent zulegen, nachdem es 2019 bereits vergleichsweise schwache 2,9 Prozent waren. Am stärksten wäre China betroffen, wo das Virus zuerst auftrat. Folgen der wirtschaftlichen Probleme in der Volksrepublik dürften dann schnell zu spüren sein in den weltweit vernetzten Lieferketten von Unternehmen, ebenso für Reiseanbieter und Rohstoffhändler.

Für das laufende erste Quartal schließt die OECD nicht aus, dass die Weltwirtschaft schrumpft. Alle 20 führenden Industrie- und Schwellenländer sind wirtschaftlich betroffen. Je stärker die Verbindungen zu China seien, desto stärker seien auch die Auswirkungen – etwa in Japan, Südkorea und Australien.

Wachstum in China deutlich verlangsamt

Das Wirtschaftswachstum in China dürfte sich laut OECD wegen des Virus deutlich verlangsamen. Die Ökonomen rechnen hier 2020 nur noch mit 4,9 Prozent, nachdem es 2019 noch 6,1 Prozent waren. Gegenüber den jüngsten OECD-Schätzungen im November sind auch die Perspektiven für Indien deutlich schwächer. Deutschland dürfte nur um 0,3 Prozent zulegen, etwas weniger als zuletzt gedacht. 2019 waren es noch 0,6 Prozent. Italien, das vor allem im wirtschaftlich wichtigen Norden viele Coronavirus-Fälle hat, wird laut OECD 2020 stagnieren, nachdem es 2019 noch ein Miniwachstum von 0,2 Prozent gab.

Die OECD empfiehlt höhere staatliche Ausgaben, um dem Konjunkturrückgang entgegenzuwirken. Die Gelder müssten vor allem in die Gesundheitssysteme fließen, um genügend Personal und Material zur Verfügung zu haben. Die Liquidität im Finanzsystem müsse zudem gesichert werden, damit Banken Gelder an Unternehmen verleihen könnten, die in Schieflage geraten. Auch Kurzarbeit sei ein sinnvolles Instrument.

Einbrüche vor allem in der Tourismusbranche

Starke Einbrüche muss vor allem die Tourismusbranche hinnehmen. Wie EU-Wirtschaftskommissar Thierry Breton bekanntgab, verliere der Sektor jeden Monat eine Milliarde Euro an Umsatz. „Chinesische Touristen kommen seit Jänner nicht mehr nach Europa. Das bedeutet, dass zwei Millionen Hotelübernachtungen wegfallen. Das ist eine Milliarde Euro pro Monat seit Jänner“, sagte Breton dem französischen Fernsehsender BFM. Europas Tourismusbranche hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten stark von Chinas wirtschaftlichem Aufstieg profitiert.

Auch für die Fluglinien ist das Virus ein großes wirtschaftliches Problem. Airlines, die weltweit Ziele anfliegen, dürften nach Einschätzung ihres Verbandes IATA nach derzeitigem Stand im laufenden Jahr etwa 1,5 Milliarden Dollar durch die Virusfolgen verlieren. Am Montag wurde bekanntgegeben, dass auch der Flughafen Wien-Schwechat ein Sparpaket schnürt – mehr dazu in noe.ORF.at.

Weil die Nachfrage nach Italien-Flügen wegen des Coronavirus stark gesunken ist, streicht die AUA im März und April 40 Prozent ihres Italien-Angebots, wie das Unternehmen mitteilte. Flüge nach China werden bis 24. April ausgesetzt, der Iran wird bis zum 30. April nicht angeflogen – mehr dazu in wien.ORF.at.

Ökonom sieht Wendepunkt a la Lehman-Crash

Der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), der österreichische Ökonom Gabriel Felbermayr, sagte am Samstag in Ö1-„Journal zu Gast“, dass er in der Coronavirus-Krise einen Wendepunkt in der Weltwirtschaft sehe ähnlich wie beim Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers 2008. Nicht, weil er damit rechne, dass die Welt wie damals in eine große Wirtschaftskrise schlittere – allerdings habe damals ein Umdenken eingesetzt, dass Liquidität nicht grenzenlos zur Verfügung stehe – Audio dazu in oe1.ORF.at.