OECD: Weltwirtschaftswachstum könnte sich 2020 halbieren

Die Coronavirus-Epidemie kann nach Einschätzung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) die Weltwirtschaft aus der Spur bringen. Sollte sich die Lage nicht bessern und immer weitere Länder betroffen sein, könnte das Wachstum dieses Jahr auf eineinhalb Prozent fallen, teilte die OECD heute mit. Das wäre in etwa die Hälfte des erwarteten Plus vor Ausbruch des Virus.

Sollte sich die Lage dagegen bald stabilisieren, dürfte die Weltwirtschaft 2020 um 2,4 Prozent zulegen, nachdem es 2019 bereits vergleichsweise schwache 2,9 Prozent waren. Am stärksten wäre China betroffen, wo das Virus zuerst auftrat. Folgen der wirtschaftlichen Probleme in der Volksrepublik dürften dann schnell zu spüren sein in den weltweit vernetzten Lieferketten von Unternehmen, ebenso für Reiseanbieter und Rohstoffhändler.

Für das laufende erste Quartal schließt die OECD nicht aus, dass die Weltwirtschaft sogar schrumpfen könnte. Alle 20 führenden Industrie- und Schwellenländer sind wirtschaftlich betroffen. Je stärker die Verbindungen zu China seien, desto stärker seien auch die Auswirkungen – etwa in Japan, Südkorea und Australien.

Frankreich kündigt gemeinsame G-7-Aktion an

Die Finanzminister der sieben wichtigsten Industriestaaten (G-7) wollen in dieser Woche über die Folgen des Coronavirus-Ausbruchs für das Wirtschaftswachstum sprechen. „Es wird eine konzertierte Aktion geben“, kündigte der französische Finanzminister Bruno Le Maire heute an. Er habe bereits gestern mit US-Finanzminister Steven Mnuchin gesprochen, der den G-7-Vorsitz innehat.

Es werde eine Telefonschaltung geben, „um unsere Reaktionen zu koordinieren“, sagte Le Maire dem Fernsehsender France 2. Auch die Finanzminister der Euro-Zone stehen seinen Worten zufolge in Kontakt. Er wolle zudem mit der Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, reden. „Wir müssen so handeln, dass diese Auswirkungen, von denen wir wissen, dass sie wichtig für das Wachstum sind, so gering wie möglich sind“, sagte Le Maire.

Globale Zinssenkung prognostiziert

Die in der vergangenen Woche stark in Mitleidenschaft gezogenen Börsen stabilisierten sich heute etwas. Der Handelsplatz Schanghai etwa schloss mit drei Prozent im Plus. Der DAX legte zur Eröffnung heute 1,3 Prozent auf 12.044 Punkte zu, nachdem er in der vergangenen Woche wegen Spekulationen auf eine weltweite Rezession durch die Coronavirus-Epidemie mehr als zwölf Prozent verloren hatte. Analysten erwarten aber weiterhin anhaltende Schwankungen.

Ursache für den stabileren Wochenbeginn dürfte die Hoffnung auf eine koordinierte globale geldpolitische Reaktion sein. Der ehemalige US-Notenbank-Insider Bill Nelson sagte nach dem Fall der globalen Aktienmärkte eine globale Zinssenkung der Zentralbanken voraus. In seinem Blog mit dem Titel „Sei auf der Hut!“ schrieb der Topökonom des US-Bankenverbands, dass die fünf großen Zentralbanken der Welt und die Fed am Mittwoch eine koordinierte globale Zinssenkung bekanntgeben werden.

Möglicherweise seien die Peoples Bank of China (PBOC) und die Hongkong Monetary Authority einbezogen, da die beiden Volkswirtschaften am stärksten unter dem Ausbruch des Coronavirus gelitten hätten.

Japanische Zentralbank stützt Spekulationen

Die Japanische Zentralbank (BOJ) untermauert Spekulationen über eine koordinierte globale geldpolitische Maßnahme. BOJ-Chef Haruhiko Kuroda sagte heute in einer Eilmeldung, die Zentralbank werde die notwendigen Schritte unternehmen, um die durch den Ausbruch des Coronavirus erschütterten Märkte zu stützen.

„Die BOJ wird die Entwicklungen aufmerksam verfolgen und sich bemühen, die Märkte zu stabilisieren und ausreichende Liquidität über Marktoperationen und Ankäufe von Vermögenswerten zu bieten“, sagte er. Kurodas Äußerung folgt auch der Äußerung des Fed-Vorsitzenden Jerome Powell, der sich am Freitag ähnlich zur US-Geldpolitik geäußert hatte.

Die BOJ versorgte das japanische Finanzsystem mit zusätzlicher Liquidität. Den Banken wurde der übergangsweise Ankauf von Staatsanleihen im Wert von 500 Mrd. Yen (etwa 4,2 Mrd. Euro) angeboten. Verkaufen die Banken Staatsanleihen in ihrem Besitz, erhalten sie im Gegenzug liquide Mittel.