Bühne des Song Contest in Rotterdam
EBU/NPO/AVROTROS/NOS
Coronavirus

Song Contest 2020 abgesagt

Der Eurovision Song Contest 2020 in Rotterdam ist abgesagt. Die Veranstaltung, an der Künstlerinnen und Künstler aus 41 Ländern teilnehmen wollten, wurde wegen der Coronavirus-Krise in diesem Jahr komplett abgesagt. Die Coronavirus-Krise sei zu unabsehbar, als dass man das organisatorisch extrem aufwendige Live-Event weiter planen könne, schrieb die European Broadcasting Union (EBU) auf Twitter.

Der Bewerb hätte von 12. bis 16. Mai über die Bühne gehen sollen. Zuvor seien verschiedene Szenarien in Erwägung gezogen worden, so die EBU. Man sei stolz darauf, dass man die Veranstaltung seit 64 Jahren ohne Unterbrechung über die Bühne gebracht habe, umso trauriger sei es – auch für die Millionen Fans aus aller Welt –, dass man zu dieser Entscheidung gekommen sei. Gemeinsam mit dem Veranstaltungsland, den Niederlanden, prüfe man eine mögliche Verschiebung auf 2021.

„Dieser Beschluss der EBU war unvermeidlich angesichts der Umstände, von denen ganz Europa derzeit durch das Coronavirus betroffen ist, und all der Maßnahmen, die Regierungen nun ergreifen müssen“, sagte die Chefin der niederländischen Rundfunkanstalt NPO, Shula Rijxman. Auch die Chefs von zwei weiteren beteiligten Anstalten äußerten Verständnis.

Keine Alternativen zu Absage

Einerseits befindet sich die EBU nach wie vor in Gesprächen mit der Stadt Rotterdam, was eine Durchführung des ESC 2021 angeht. Andererseits bittet man auch um Geduld, während man sich den „Auswirkungen dieser beispiellosen Entscheidung“ stellt. Eine Verschiebung auf einen späteren Termin in diesem Jahr wäre jedenfalls keine Option gewesen, da man auch in den kommenden Monaten noch mit Einschränkungen durch das Coronavirus rechnet.

Ebenso wenig machbar wäre ein Event ohne Publikum aufgrund der aktuellen Auflagen und Reisebeschränkungen. „Das einzigartige Format des Song Contest als internationales Live-Event bedeutet letztlich, dass es keine realistische Alternative dazu gibt. Deshalb haben wir keine andere Möglichkeit, als die Show abzusagen.“

Offene Fragen zum Prozedere

Unklar ist jetzt noch, was das für die Kandidatinnen und Kandidaten bedeutet – ob sie und ihre Titel automatisch für das nächste Jahr gesetzt sind etwa. Dagegen spricht, dass die Musiknummern laut Reglement normalerweise nur wenige Monate vor dem Bewerb veröffentlicht werden dürfen. Da es keinen Präzedenzfall gibt und die Ausnahmeregelung alle betreffen würde, könnte es durchaus sein, dass die EBU die Teilnehmerliste in das nächste Jahr mitnimmt.

Österreichs Song-Contest-Starter Vincent Bueno
ORF/Roman Zach-Kiesling
Vincent Bueno wird im Mai nicht in Rotterdam singen

Vincent Bueno wäre für Österreich angetreten

Für Österreich wäre heuer Vincent Bueno mit der Nummer „Alive“ ins Rennen gegangen. Der in Wien aufgewachsene Sohn philippinischer Eltern gewann 2008 im ORF die Castingshow „Musical! Die Show“, 2009 belegte er bei „Dancing Stars“ Platz sieben. Zuletzt war er auf der Bühne beschäftigt und im Wiener Metropol in der Rolle des Vince im 1970er-Jahre-Musical „Rock My Soul“ zu sehen.

Bueno wollte im zweiten Halbfinale am 14. Mai um sein Finalticket kämpfen. Song-Contest-Erfahrung hat er bereits: Er unterstützte 2017 den heimischen Kandidaten Nathan Trent in der Ukraine als Backgroundsänger. Schon 2016 wäre Bueno fast schon selbst zum Zug gekommen, in der Vorausscheidung musste er sich damals nur Zoe Straub geschlagen geben.

„Schade, aber Entscheidung richtig“

Die Entscheidung nachvollziehen kann jedenfalls auch Bueno: „Natürlich berührt mich diese Nachricht sehr, aber Sicherheit hat immer Vorrang“, betonte er in einem Statement gegenüber der APA. „Man kann das Glas halb voll oder halb leer sehen. Mein ganzes Team und ich haben zwar viel Leidenschaft, Zeit und Herzblut in den Song Contest gesteckt, aber jetzt kann ich in dieser für alle schwierigen Zeit zu 100 Prozent für meine Familie da sein, und meine Töchter müssen mich nicht ständig vermissen.“

Auch ORF-Programmdirektorin Kathrin Zechner fand die Absage in einer ersten Reaktion „unendlich schade“, allerdings sei es von der EBU die „einzig richtige Entscheidung“. „Es geht hier immerhin um die Gesundheit der InterpretInnen und Delegationen aus 41 Ländern sowie der MitarbeiterInnen in Rotterdam – und die hat immer Priorität.“ Der Song Contest zeichne sich dadurch aus, „dass Tausende Menschen aus zahlreichen Nationen zwei Wochen lang in der Host-City ein völkerverbindendes Fest der Musik feiern – und genau das wäre im Moment nicht zu verantworten.“

Deutschland verzichtete auf Publikumsentscheid

Auch die Konkurrenz stand eigentlich schon fest: In Deutschland ließ man statt eines Publikumsvotings diesmal Musikexperten und Song-Contest-Fans entscheiden. Die Wahl fiel auf den 22 Jahre alten Ben Dolic, der mit dem Dance-Popsong „The Violent Thing“ antreten wollte.

International hatten sonst noch recht wenige Beiträge Aufmerksamkeit erlangt, am ehesten noch Dadi Freyr und Gagnamagnid mit dem Song „Think About Things“, die für Island lakonisch-ironisch an den Start gehen wollte. Ganz ähnlich gelagert wäre auch der litauische Beitrag „On Fire“ des Trios The Roop: Auch hier trifft eingängiger Elektropop auf selbstironische Inszenierung.

Große Stücke wurden von Russland erwartet. Das Land wollte die Rave-Pop-Band Little Big in die Niederlande schicken – was als mutige und überraschende Entscheidung aufgenommen wurde. Sie gelten als russische Antwort auf die südafrikanische Band Die Antwoord – mit ähnlich verschwimmenden Grenzen zwischen Satire und Wahnsinn.

Belgien mit bekanntem Act

Der Preis für den abgefahrensten Songtitel wäre in diesem Jahr fix an Rumänien für das als Wortspiel gedachte „Alcohol You“ der Sängerin Roxen gegangen. Der bisher bekannteste Name im Starterfeld stammte aus Belgien: Das Trio Hooverphonic zählte rund um die Jahrtausendwende gemeinsam mit Bands wie dEUS, K’s Choice und Soulwax zu einer ganzen Welle an belgischen Projekten, die europaweit Erfolg hatten. Mit „Release Me“ wollten sie an alte Erfolge anknüpfen.