Frau liest ein Magazin
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Katzen- oder Hundetyp?

So kam der „Kreuzerltest“ in die Illustrierten

Wer bin ich? Diese alte Frage taucht immer wieder auf. Weniger philosophische als unterhaltende Antworten darauf wollen Persönlichkeitstests geben. „Bist Du ein Hunde- oder Katzen-Typ?“ oder „Wie gut bist Du als Liebhaber/in“ zeigen das Muster der vielgestaltigen Fragen. Dass die Persönlichkeitstests, die „Kreuzerltests“, nicht wissenschaftlich sind, ist auch den Gestaltern und Gestalterinnen meist klar.

Doch wie kam der „Kreuzerltest“ überhaupt in die Illustrierten? Angefangen hat alles im 19. Jahrhundert. Die Quizfragen entwickelten sich aus einem einfachen Gesellschafts-, einem einfachen Partyspiel, in dem man persönliche Fragen beantworten musste. Daraus entstanden dann – ähnlich den heutigen Stammbüchern – Alben, in denen formalisierte Fragen abgedruckt waren und die man im Freundeskreis mit der Bitte um möglichst persönliche aber auch pointierte Antworten herumreichte.

Berühmtheit erlangten dann die Fragen an den jugendlichen Marcel Proust, der es später mit seinem Roman „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ zu Weltruhm brachte. Der Proust-Fragebogen gilt als Urversion der zahlreichen Persönlichkeitstests in Zeitschriften, Illustrierten und natürlich online.

Marcel Proust
Public Domain
Der französische Schriftsteller Marcel Proust kam mit der Benennung zu unverhofften Ehren

Die Crux mit den Antworten

Der französische Schriftsteller hatte allerdings nichts mit der Erfindung zu tun. Diese Art von Fragebogen erhielt erst Jahrzehnte später seinen Namen – denn das Album, in dem Proust als Teenager die Fragen beantwortete, fiel 1924, zwei Jahre nach Prousts Tod, in die Hände des Psychoanalytikers Andre Berge, des Sohnes jener Frau, in deren Album Proust die Fragen beantwortete.

Fragebogen von Marcel Proust in einem Notizbuch
APA/AFP/Damien Meyer
Die Antworten Prousts auf Französisch zu den auf Englisch gestellten Fragen in dem nun berühmten Album

Wie viel sagen die Antworten von Proust über ihn selbst aus? Das wollte Berge klären, stieß allerdings bald an seine Grenzen, wie der Literaturwissenschaftler Evan Kindley in seinem Standardwerk von 2016 „Questionnaire“ schreibt.

In den Fußstapfen von Marx, Wilde und Cezanne

Diese Alben waren Ende des 19. Jahrhunderts so weit verbreitet, dass Eintragungen etwa von Karl Marx, von dem irischen Dandy und Enfant terrible Oscar Wilde, dem Journalisten, Autor und Sherlock-Homes-Erfinder Arthur Conan Doyle, dem symbolistischen Schriftsteller Stephane Mallarme und dem französischen Maler Paul Cezanne bekannt sind.

Sie und viele weitere ergötzten sich an den Antworten anderer, aber auch an der – eigenen – Finesse, sprachlichen Originalität und gesellschaftlichen Gewandtheit in der Beantwortung.

Promis, Starlets und die eigene Zahnärztin

Diese Lust an der formalisierten Befragung Prominenter setzt sich im 21. Jahrhundert fort – man denke nur an Rubriken in diversen Zeitschriften, Internetseiten, aber auch im Radio wie etwa der Ö3-Wordrap.

Und auch zur Selbstdarstellung in Kurzform etwa auf Websites funktioniert das Format noch immer. Denn wer will nicht wissen, was die Lieblingsfarbe, die Lieblingsspeise oder das Lieblingstier eines regionalen Promis, eines globalen Stars oder der eigenen Zahnärztin ist.

Zeitungsstand in Paris, 1907
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Ein Zeitungsstand auf einem Pariser Boulevard um 1907

Vergebliche Suche nach dem Urtest

In Zeitschriften hielt der beliebte persönliche Fragebogen allerdings erst zaghaft, aber doch Einzug. Vorformen der Persönlichkeitstests sollen laut Fachleuten bereits in Zeitschriften Ende des 19. Jahrhunderts vorgekommen sein. Die Forschungssituation ist allerdings alles andere als zufriedenstellend, wie ein Rundruf von ORF.at an österreichischen und deutschen Universitäten zeigt. Auch bei den Verlagshäusern selbst sieht es nicht anders aus. Genauere Angaben über das erste Auftreten sind rar bzw. nicht vorhanden.

Zeitungsstand in New York, 1942
AP/Robert Kradin
Ein Zeitungsstand in New York 1942

Im englischsprachigen Raum liegt der Beginn der Persönlichkeitstest in Illustrieren ebenfalls im Dunkeln. „Ich kann keinen bestimmten Veröffentlichungszeitpunkt für das erste Quiz in einer Zeitschrift identifizieren“, hieß es auch von Sammye Johnson, Professor für Kommunikation an der Trinity University gegenüber der „Columbia Journalism Review“ („CJR“) vor einigen Jahren. Er vermute jedoch, dass Quizfragen – obwohl sie damals möglicherweise nicht so genannt wurden – seit Beginn der frühesten Magazine existierten. Er verwies dabei recht allgemein darauf, dass US-Magazine von Anfang an Wert auf „vielfältige und vielseitige Inhalte setzten, um die Leser zu unterhalten und zu informieren“.

Auch der Erste Weltkrieg spielt mit

Ein weiterer historischer Strang, von dem die Fragebögen zehrten, kommt aus den USA. Dort wurden im Zuge des Ersten Weltkriegs psychologische Tests entwickelt, um die Stressresistenz von Soldaten abzutesten – das Woodworth Psychoneurotic Inventory der Amerikanischen Psychologischen Gesellschaft, dem laut Angaben größten Psychologieverband der Welt. Die für Zivilisten und Zivilistinnen adaptierte Version gilt ebenfalls als eine der Quellen für Fragebögen.

Kugelschreiber auf einem Magazin
ORF.at/Lukas Krummholz
Das Verhältnis der Geschlechter zueinander ist ein beliebtes, oft vordergründiges Thema in Zeitschriften und auch in Persönlichkeitstests

Eine unmögliche Aufgabe

Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen dann die diversen Quizformate in Zeitschriften offenbar sporadisch vor. Der „Guardian“ verweist in einem älteren Artikel darauf, dass die ersten regelmäßigen Fragebögen in den 1950er Jahren im „Ladies’ Home Journal“, einer US-Publikation, vorgekommen sein sollen. Eine der ersten Fragen für die weibliche Leserschaft: Wie die Ehe zum Funktionieren bringen? Eine fast unmögliche Aufgabe angesichts der Perspektive des Tests aus der „Sicht der idealen Ehefrau“.

Groß herauskommen und einen Trend auslösen sollten die Persönlichkeitstests dann schließlich durch das Magazin „Cosmopolitan“ ab Mitte der 1960er Jahre in den USA. Sie waren, wie auch die spärlichen Vorgänger, durchdrängt von klassischem Geschlechterrollenverständnis, moralischem Zeigefinger und normativen gesellschaftspolitischen Wertungen gegenüber ihrem Zielpublikum – Frauen.

Frau mit einem Kugelschreiber liest ein Magazin
ORF.at/Lukas Krummholz
Tests und auch Rätsel sind weiterhin ein beliebtes Format in Zeitschriften

Vom grantigen Ehemann

Fragen wie etwa „Wie einzigartig bist Du?“, „Bewerte Dein Potenzial als Mitbewohnerin“, und „Bist Du eine gute Ehefrau?“ und Derartiges mehr wurden stetig ausgebaut und verändert.

Bei Letzterem kommt bei den Ergebnissen etwa vor, wenn der Ehegatte permanent grantig sei, solle man nachsichtig sein und etwas im eigenen Verhalten verbessern – und nicht den Mann dazu bringen, etwas an seinem Verhalten zu ändern, wie es in einem Artikel der „CJR“ über den Test heißt.

Eine andere Art bediente sich Bildern. Den Leserinnen wurde eine Reihe von Bildern einer Frau auf einer Party, beim Skifahren oder Ähnlichem gezeigt, und sie sollten Bildunterschriften auswählen, die die Gedanken der Frau in dieser Situation beschrieb. Ihre Antworten enthüllten dann „eine tiefe Wahrheit über ihre Weiblichkeit oder ihren gesunden Menschenverstand“, wie es im Beitext des Tests laut „CJR“ hieß.

Mordgeschichte mit Schuldkomplex

„Cosmopolitan“ publizierte laut dem „Guardian“ etwa den „Test der untreuen Frau“. Als Einleitung vor den Fragen gibt es eine regelrecht dramatische und heute recht seltsam anmutende Geschichte. Eine Frau, die ihren Mann betrog, wird getötet, weil ihr niemand Geld für einen Verrückten auf einer Brücke gibt, der ihr nach ihrem Liebesabenteuer eben nur für Geld den Weg freigeben will.

Die anschließende Frage lautet, wer für den Tod der Frau verantwortlich ist: Der Verrückte, der Liebhaber der Frau, ihr Ehemann oder die Frau selbst, schließlich habe sie ja ihren Mann betrogen. Je nachdem, welcher fiktiven Person man die Schuld gibt, hat man etwa „ein ausgeprägtes Bewusstsein für die Schwierigkeiten der menschlichen Existenz“ oder gar ein „ausgeprägtes Selbstwertgefühl“ – eine tatsächliche Lösung kann es allerdings nicht geben.

„Wir reden gerne über uns“

Mit Ende der 1960er Jahre wurden schließlich Persönlichkeitstest von den unterschiedlichsten Magazinen wie etwa Jugend-, Mädchen- und Frauenzeitschriften und Lifestyle-Illustrierten aufgegriffen und für die jeweilige Leserschaft thematisch adaptiert. Damit hatten sie auch ihren ersten großen Auftritt im deutschsprachigen Raum.

Unterschiedlich werden die Beweggründe bewertet, warum die Persönlichkeitstests etwa auch im Internet noch derart beliebt sind. Das geht laut „Guardian“-Artikel von der Faszination der klassischen Frage aller Fragen „Wer bin ich?“ über „Menschen lieben es, Dinge zu teilen, die repräsentieren, wer sie sind“ bis zum „narzisstischen Wunsch, kategorisiert zu werden“, bis hin zu „Wir reden gerne über uns“ – und natürlich auch andere, wie etwa „CJR“ in einem älteren Beitrag schreibt.