Blick auf Reykjavik in Island
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Island als Vorreiter

Erste Erkenntnisse aus CoV-Testoffensive

Island geht im Kampf gegen die Coronavirus-Krise einen eigenen Weg: Das 364.000 Einwohnerinnen und Einwohner zählende Land setzt neben Maßnahmen zur Einschränkung des öffentlichen Lebens vor allem auf großflächiges Testen. Dabei wesentlich: Getestet werden auch Personen ohne Symptome – Rückschlüsse auf die Gesamtbevölkerung werden dadurch möglich.

Nach Angaben der isländischen Regierung wurden in Island im Verhältnis zu anderen Ländern bereits weit mehr Menschen auf das Virus getestet – mehr auch als in Südkorea, das unter Beobachtern oftmals als Vorbild im Umgang mit der Krise gehandelt wird. Bis Mittwoch (Stand: 14.00 Uhr) wurden in Island 6.163 Personen von der Forschungsinstitution deCode Genetics getestet. Anders als anderswo üblich, wurden die Personen zufällig ausgewählt – sie sind also repräsentativ für die Bevölkerung.

Weil die meisten Staaten ihren Fokus in puncto Tests aktuell rein auf Personen mit Symptomen einer Erkrankung legen, waren eindeutige wissenschaftliche Erkenntnisse bisher auch kaum möglich. Island befinde sich in einer einzigartigen Position, sagte der Chefepideimologe Thorolfur Gudnason zu BuzzFeed News. Die Forschungsinstitution deCode Genetics mache die hohen Testraten im Land erst möglich. „Es geht darum, einen Einblick in die tatsächliche Häufigkeit des Virus in der Bevölkerung zu gewinnen“, so Gudnason.

Daten: Hälfte der Fälle ist asymptomatisch

Bisher bekannt: Von den 6.163 Tests fielen 52 positiv aus (Stand: Mittwoch, 14.00 Uhr), die Häufigkeit einer Infektion liegt in der Gesamtbevölkerung bei unter einem Prozent (0,84 Prozent). „Erste Ergebnisse von deCode Genetics zeigen, dass sich ein geringer Anteil der Bevölkerung mit dem Virus infiziert hat und dass die Hälfte der bestätigen Fälle asymptomatisch ist“, so Gudnason: „Die andere Hälfte hat sehr milde, erkältungsartige Symptome.“ Die Daten würden ihm zufolge für künftige wissenschaftliche Studien noch sehr hilfreich sein.

Die isländische Ministerpräsidentin Katrin Jakobsdottir
AP/Seth Wenig
Die Regierung unter Ministerpräsidentin Katrin Jakobsdottir setzt auf Social Distancing und intensiviertes Testen

Die isländischen Behörden testen indes parallel zu deCode Genetics. Allerdings beschränken sich die Tests auf Personen mit Symptomen sowie Rückkehrer aus Risikogebieten. Insgesamt wurden in Island seit Ende Februar 737 Fälle bestätigt. Ein beträchtlicher Teil lässt sich dabei auf Urlaube im Tiroler Ischgl zurückführen.

Auf die Ausbreitung des Virus reagierte Island jedoch auch mit anderen Maßnahmen: Das Land hatte Mitte März Oberstufen und Universitäten geschlossen, Volksschulen und Kindergärten sind aber noch geöffnet. Am Sonntag ordnete die Regierung die Schließung von Schwimmbädern, Museen, Lokalen und Friseursalons an und untersagte Versammlungen von mehr als 20 Menschen.

Mangel an Tests weltweit

Allerdings: Großflächige Tests, wie es sie in Island, Südkorea oder Singapur gibt, scheinen für viele Länder derzeit kaum umsetzbar. Grund dafür ist vor allem der Mangel an Tests. Auch in Österreich gilt bisher: Getestet wird, wer Symptome aufweist und mit einer infizierten Person Kontakt hatte, oder aber aus einem Risikogebiet zurückkehrt. Medizinisches Personal hat zudem Vorrang. Die Testkapazitäten sollen demnächst aber stark erhöht werden.

Laborsituation in Südkorea
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Südkorea begann nach dem Auftreten erster Fälle zahlreich zu testen

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnte europäische Regierungen zuletzt davor, vor allem auf die Einschränkung des gesellschaftlichen Lebens zu setzen. „Worauf wir uns wirklich konzentrieren müssen, ist, die Kranken mit Infektionen zu finden und sie zu isolieren“, sagte der WHO-Experte Mike Ryan am Wochenende in der BBC. Er riet vor allem dazu, die Zahl der Tests stark in die Höhe zu fahren. Das sei in Verbindung mit Ausgangsbeschränkungen ein Modell für Europa, das Asien als Epizentrum der Pandemie abgelöst habe.

Südkorea: „Unser Geheimnis“

Südkorea, das nach China lange Zeit eines der am schwersten betroffenen Länder war, führte bald nach dem Auftreten erster Fälle im Land eine großangelegte Testoffensive ein. Anders als in anderen Ländern werden in Südkorea massenhaft mögliche Kontaktpersonen auf das Coronavirus getestet. Mehr als 270.000 Tests wurden bereits vorgenommen. Offiziellen Angaben zufolge ist Südkorea mit einer Bevölkerung von 51 Millionen Menschen in der Lage, 20.000 Tests pro Tag durchzuführen.

Die Zahl der Neuinfektionen nahm zuletzt stark ab. Als Schlüssel im Kampf gegen das Virus sieht die Regierung in Südkorea Tests. „Das Testen ist wesentlich, weil es zur Früherkennung führt, es minimiert die weitere Ausbreitung und macht eine rasche Behandlung erkrankter Personen möglich“, so Außenministerin Kang Kyung Wha im BBC-Interview. „Das ist das Geheimnis hinter unserer sehr niedrigen Sterblichkeitsrate“, so Kang zudem. Von Schnelltests, die dort vielfach zum Einsatz kommen, rieten einige Fachleute aufgrund mangelnder Aussagefähigkeit ab.

Erste Erkenntnisse

Tatsächlich gab es zuletzt schon einige wissenschaftliche Publikationen, die auf die Bedeutung von Tests hinweisen. So zeigt sich etwa, dass – wie am Beispiel Island sichtbar – ein wesentlicher Anteil der Infizierten keine oder nur sehr milde Symptome aufweist. Diese asymptomatischen Krankheitsverläufe haben oftmals in weiterer Folge großen Anteil an der unkontrollierten Ausbreitung des Virus.

Straßensperre bei der Einfahr  des italienischen Ortes Vo
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Nach den ersten zwei Infizierten ist die Gemeinde Vo unter Quarantäne gestellt und alle 3.000 Bewohner getestet worden

BuzzFeed nennt auch das norditalienische Dorf Vo, wo das Virus früh entdeckt worden war, als Beispiel: Die gesamte Bevölkerung wurde dort nach dem Auftreten erster Fälle getestet. Das Ergebnis: Drei Prozent waren positiv – obwohl ein Großteil der Getesteten keine Symptome aufwies. Zwei Wochen nachdem ein Ausgangsverbot erlassen worden war, wurden die Tests wiederholt. Das Ergebnis diesmal: Die Ausbreitungsrate wurde um 90 Prozent reduziert. Die übrigen positiven Fälle – alle waren symptomlos – blieben weiterhin in Quarantäne.

Einer vergangene Woche im Magazin „Science“ veröffentlichten Studie zufolge ist es zudem wahrscheinlich, dass es für jeden bestätigten Fall noch fünf bis zehn weitere unentdeckte Fälle in der Bevölkerung gibt. Die Studie, die auf Daten aus China basiert, geht davon aus, dass 80 Prozent der Neuansteckungen mild verlaufen würden.