Pflegesituation
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WIFO-Expertin

Handlungsbedarf bei Pflege

Die Pflege rückt in der Coronavirus-Krise zunehmend in den Fokus. Vor allem in der Altenpflege sieht Ulrike Famira-Mühlberger, stellvertretende Chefin des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO), besonderen Handlungsbedarf. Die Bereitstellung von 100 Millionen Euro für eine Notfallbetreuung in der Pflege ist für sie ein wichtiger Schritt der Regierung. Ebenso begrüßt sie die flexible Förderung der 24-Stunden-Betreuung.

Besonderes Augenmerk müsse man in der Coronavirus-Krise auf die Altenpflege richten, forderte die Pflegeexpertin am Dienstag im Gespräch mit der APA. Wenn die Zahl der Infizierten weiter steigt, werde es auf verschiedenen Ebenen zu Problemen kommen, befürchtet sie. Einerseits würden Ältere zur Risikogruppe gehören, außerdem gebe es bereits Personalengpässe in der Pflege, so die Expertin.

Durch die steigende Zahl der Infektionen sei absehbar, dass auch Pflegepersonal stärker von Covid-19 betroffen sein wird. Sie hält daher eine massive Ausweitung der Tests für das Pflegepersonal, aber auch von gepflegten Personen – vor allem jenen in Pflegeheimen – für dringend notwendig, um die betroffenen Personen rechtzeitig zu separieren.

„Baustelle“ 24-Stunden-Pflege

Als weitere „Baustelle“ sieht Famira-Mühlberger die Einreisemöglichkeit für 24-Stunden-Betreuungskräfte. Rund 33.000 Pflegebedürftige sind in Österreich von deren Einsatz abhängig, betonte sie in einer aktuellen Analyse. „Wenn’s hart auf hart kommt, muss man Pragmatismus walten lassen“, ist die Expertin überzeugt. So müsse man für die Betreuung vielleicht auch ungeschultes Personal einsetzen, sagte sie. Für Pflegetätigkeiten selbst sollten natürlich bestmöglich geschulte Kräfte zum Einsatz kommen.

Die stellvertretende WIFO-Leiterin betonte auch, dass von den 24-Stunden-Betreuerinnen und -betreuern eigentlich nur Betreuungstätigkeiten übernommen werden dürfen. Diese Krise zeige ihr zufolge klar die Abhängigkeit Österreichs von ausländischen Betreuungskräften, die zu geringen Stundenlöhnen für die Betreuung der Pflegebedürftigen in Österreich sorgen würden. „Aber das System besteht, weil alle profitieren“, merkte Famira-Mühlberger an.

In die Kritik stimmte am Dienstag auch der Österreichische Gesundheits- und Krankenpflegeverband (ÖGKV) ein. Aktuell werde deutlich, „wie fragil und instabil der Bereich der 24h-Betreuung ist, da die umfangreiche Abhängigkeit von Personal dieses Versorgungssegmentes aus dem Ausland viele weitere Probleme sichtbar macht“, hieß es in einer Aussendung der Organisation.

Dass viele 24-Stunden-Pflegekräfte ihren Einsatz in Österreich nun teils schon verlängert haben, aber irgendwann nach Hause wollen, versteht Famira-Mühlberger. „Das ist ja keine Sklavenhaltung“, sagte sie und verwies darauf, dass die meisten selbst Familien in ihren Herkunftsländern hätten. Könne keine zufriedenstellende Lösung mit den Herkunfts- oder Reisedurchzugsländern gefunden werden, müssten Alternativlösungen ausgearbeitet werden, fordert sie. Die Regierung hatte zuletzt angekündigt, „mit Hochdruck“ an einer Lösung zu arbeiten.

Betreuung auch in leeren Hotels

Die von der Regierung angedachte Lösung, Betreuungsplätze in derzeit geschlossenen Reha- und Kuranstalten zur Verfügung zu stellen, findet die WIFO-Vizechefin gut. Sie sprach etwa auch von leeren Hotels, die für alternative Betreuungsplätze infrage kommen würden.

Jedenfalls tritt sie dafür ein, weiterhin Ersatzkräfte für den Pflegebereich zu rekrutieren. Das könnten neben Zivildienern auch Personen sein, die durch die Entwicklungen der letzten Tage freigestellt wurden bzw. in naher Zukunft freigestellt werden, so die Expertin. Aus diesem Reservoir sollte das AMS in Kooperation mit Pflegedienstleistern gezielt Personen adressieren, lautet ihre Aufforderung.