Pflanzen werden im Eingangsbereich eines Supermarktes zum Verkauf angeboten
ORF.at
Umsatzentgang durch Schließungen

Fachhandel murrt über Supermärkte

Der heimische Fachhandel ist über Supermärkte empört, denn diese dürfen offen halten, während so gut wie alle anderen Geschäfte ob der Coronavirus-Krise schließen mussten. Laut einer Schätzung von RegioPlan von Freitag sind 73 Prozent der Geschäftsflächen in Österreich derzeit ungenutzt: Die Summen, die dem Einzelhandel durch die Schließungen entgehen, seien enorm.

Der stationäre Einzelhandel verliert 140 Millionen Euro, die Gastronomie rund 63 Millionen Euro täglich, beides inklusive Tourismus, heißt es nach einer methodischen Berechnung von RegioPlan weiter. Großer Unmut herrscht deshalb teilweise im Fachhandel. Man murrt wegen der wahrgenommenen Ungleichstellung durch die Coronavirus-Maßnahmen.

So müssen alle Fachgeschäfte, die nicht zur kritischen Infrastruktur gehören wie etwa der Lebensmittelhandel, nun schon die zweite Woche ihre Geschäfte geschlossen halten. Supermärkte mussten aber ihr Sortiment nicht auf das Wesentliche einschränken.

Von Pflanzen bis zu Elektrogeräten in Supermärkten

Zum Beispiel können in großen Supermärkten nicht nur Lebensmittel, sondern auch andere Produkte wie Pflanzen, Möbel, Elektrogeräte etc. verkauft werden. Der Fachhandel muss hingegen versuchen, seinen Umsatzentgang mit Onlineverkäufen abzufedern. Mancher Großanbieter hat tatsächlich mit Abtrennungen sein Nebensortiment vom Verkauf ausgeschlossen, die Regel ist das aber nicht.

Blumenhandel
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Blumenhandlungen müssen derzeit geschlossen halten

Spielwarenhändler zeigt Handelsketten an

Ein Geschäftsmann in Feldkirch in Vorarlberg wehrt sich juridisch dagegen, dass Supermärkte eben auch anderes als Lebensmittel und Dinge des täglichen Bedarfs verkaufen. Mario Sieber von der Spielewelt Feldkirch zeigte die großen Handelsketten bei der Bezirkshauptmannschaft an. Es könne nicht sein, dass kleine Händler das Nachsehen hätten, während die großen Handelsketten von der Krise profitieren, so der Einzelhändler. Gerade für die Spielwarenhändler ist das Ostergeschäft enorm wichtig, es macht bis zu 25 Prozent des Jahresumsatzes aus – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at.

Gartenabteilung in Baumarkt
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Die Pflanzenabteilungen in Baumärkten sind geschlossen

Pflanzenhandel ruft zu Fairness auf

Die Gärtnerei Starkl wiederum rief via Facebook die Supermärkte auf, aus Gründen der „Fairness“ keine Pflanzen und Gartensortimente im Angebot zu haben bzw. zu verkaufen. Tausende Arbeitsplätze seien in dieser Branche gefährdet, „weil der jetzt fehlende Umsatz nicht auf später verschoben werden kann. Unzählige Pflanzen werden schlicht und einfach kaputt, weil sie nicht gepflanzt werden können oder die Pflege zu aufwendig ist“, hieß es in dem Posting weiter. Die gewünschten Pflanzen könnten von Gärtnereien und Pflanzenzentren innerhalb der erlaubten Möglichkeiten geliefert werden, so Starkl via Facebook letzte Woche.

Handelsverband: Sensible Thematik

Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) wollte sich am Samstag nicht dezidiert zu der Kritik aus dem Einzelhandel am Lebensmittelhandel äußern. Blümel verwies lediglich darauf, dass sich die Situation täglich ändere. Die Regierung arbeite ständig an Verbesserungen, wichtig sei, dass die notwendigen Bedürfnisse des täglichen Lebens abgedeckt sind.

Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will sagte, man kenne die Problematik mit dem erweiterten Sortiment der Supermärkte aus Hunderten Anrufen von allen Seiten. „Das ist eine sehr sensible Thematik. Dazu möchte ich einfach sagen, dass sich der Handelsverband, der alle Handelsunternehmer vertritt, gegenüber der Politik stets um eine Klarstellung diesbezüglich bemüht hat“, so Will am Mittwoch zur APA über die Nebensortimente in Supermärkten.

Will betonte, es gebe eine klare Aussage der Regierung, dass die Händler, die als kritische Infrastruktur gelten, „den Versorgungsauftrag der Bevölkerung haben und der absolut im Vordergrund steht“. Er habe gleichzeitig „natürlich auch Verständnis dafür, dass es hier entsprechende Wettbewerbsverzerrungen gibt“.

Alles in allem macht der Fachhandel schwere Zeiten durch. „Von den 43.000 Händlern, die es in Österreich gibt, sind ca. 40.000 von der Sperre oder dem Betretungsverbot aufgrund des Covid-19-Gesetzes betroffen. Auch gesunde Unternehmen galoppieren mittlerweile an den Rand der Insolvenz“, sagte Will.

Riesige Unterschiede

Beim Blick auf einen längeren Zeitraum schneidet laut RegioPlan der Einzelhandel aufgrund des Angebots allerdings unterschiedlich ab. Die derzeitigen Verluste im stationären Einzelhandel bedeuten nämlich nicht, dass der gesamte entgangene Umsatz für immer verloren ist. Es kann aufgrund von Analogien aus anderen Fällen angenommen werden, dass in dieser Situation etwa ein Drittel der Ausgaben der Wohnbevölkerung, also etwa 40 Mio. Euro täglich, nur aufgeschoben sind und nach der Normalisierung wieder nachgeholt werden, so RegioPlan.

Auch Modebranche arg gebeutelt

In einigen Branchen, etwa Gartencenter, Baumärkte, Bekleidungshandel, Schuhhandel, hängt der tatsächliche Umsatzentgang aber noch mehr als in den anderen Branchen von der Dauer der Schließung ab: Jungpflanzen, Setzlinge und Gartenmöbel können später kaum noch verkauft werden, ebenso die Frühjahrsmode im Sommer nur noch zu sehr reduzierten Preisen.

So befürchtet die heimische Textil-, Bekleidungs- und Schuhindustrie „eine noch nie da gewesene Insolvenzwelle“, wie es am Freitag in einer Aussendung hieß. Obwohl bereits über 80 Prozent der aktuellen Frühjahrs- und Sommerware ausgeliefert seien, könne diese Ware in den Schuh- und Bekleidungsgeschäften durch deren zeitweilige Schließung nicht verkauft und damit die Lieferanten auch nicht bezahlt werden, so der Obmann des zuständigen Fachverbandes, Manfred Kern.

Wenig überraschend ist laut RegioPlan derzeit eine Verschiebung der stationären Umsätze in Richtung Internet zu beobachten. An den ersten „Hamsterkauftagen“ sei auch ein starker Anstieg der Onlinebestellungen zu beobachten gewesen. Derzeit lägen die Bestellungen nach Auskunft einiger (weniger) Marktteilnehmerer in Summe um etwa 25 bis 30 Prozent höher als normal, so RegioPlan.

Neue Käuferschicht für Onlinehandel

Dieser Effekt werde sich nach Beendigung der Maßnahmen der Bundesregierung wieder legen, aber dem Onlineeinkauf langfristig einen Boost geben, denn derzeit „üben“ den Onlineeinkauf Zielgruppen „aus“, die es vorher nicht getan hätten, so das Beratungsunternehmen weiter.

Zu beachten sei auch, so RegioPlan, dass diese Onlineumsätze zu knapp 70 Prozent „Online-pure-Playern“ zugutekämen, die meist im Ausland säßen oder ihre Unternehmenszentrale im Ausland hätten. Eine bloße Verschiebung der Umsätze der in Österreich tätigen stationären Händler in ihren eigenen Onlineshop gelinge somit nur sehr wenigen Unternehmen. Allerdings werde dem in vielen Branchen mit vielen neuen Onlineportalen derzeit kräftig gegengesteuert, heißt es von RegioPlan.

Kaum Profit bei Lebensmittellieferungen

Profiteure sind derzeit der Lebensmittel- und Drogeriehandel, die sich über Umsatzzuwächse freuen können. Allerdings sei dieser Mehrumsatz nur temporär und teilweise auch teuer erkauft: wegen höherer Personal- und Logistikkosten, Schutzmaßnahmen, teurerer Warenbeschaffung etc. Was zu erwarten ist, sei, dass sich der derzeit nur bei knapp zwei Prozent befindliche Onlineanteil im Lebensmittel- und Drogeriehandel bedingt durch die derzeitige Situation langfristig erhöhen werde.

Konsumenten lernten derzeit, dass die Hauszustellung von Lebensmitteln und anderen Waren auch Vorteile hat. Ob das den Lebensmittelhandel sehr freue, sei dahingestellt, mutmaßt RegioPlan. Denn viel Profit könne man mit der Lieferung von Lebensmitteln nicht machen.