Indische Wanderarbeiter fliehen massenhaft aufs Land

In Indien sind nach der Verhängung einer Ausgangssperre im Kampf gegen die Coronavirus-Pandemie hunderttausende arbeitslos gewordene Wanderarbeiter und Wanderarbeiterinnen aus den Städten in ihre Heimatdörfer zurückgekehrt. Die indischen Behörden versuchen nun, mit Grenzschließungen und provisorischen Massenunterkünften gegenzusteuern.

Wanderarbeiter und Wanderarbeiterinnen flüchten aus New Delhi
Reuters/Adnan Abidi

Sie befürchten, dass die Massenflucht dazu beiträgt, das neuartige Coronavirus in den ländlichen Gebieten Indiens zu verbreiten – und damit die Pläne der Regierung im Kampf gegen den Erreger konterkariert.

Zusammenstöße mit der Polizei

In Neu Delhi kündigte die Stadtverwaltung heute an, 400.000 Menschen zu versorgen. Mehr als 550 Schulen stünden als Unterkünfte zur Verfügung. Im Bundesstaat Maharashtra mit der Millionenstadt Mumbai haben die Behörden 262 Notunterkünfte eingerichtet, in denen mehr als 70.000 Menschen unterkommen sollen, wie der Regierungschef des Staates im Onlinedienst Twitter schrieb. Der bevölkerungsreichste Staat Uttar Pradesh kündigte an, 600 Notunterkünfte einzurichten, die auch als Quarantänezentren dienen sollen.

Gestern hatte die Regierung angeordnet, alle Bezirks- und Staatsgrenzen zu schließen, um die Massenflucht zu stoppen. Die örtlichen Behörden wurden angewiesen, provisorische Unterkünfte einzurichten. In der Stadt Surat im Westen Indiens kam es nach Behördenangaben zu Zusammenstößen zwischen mehr als hundert Arbeitern und der Polizei, nachdem die Menschen an der Ausreise gehindert worden waren.

„Wir mussten gehen“

Allein gestern hatten Busse aus den Vororten Neu Delhis rund 90.000 Menschen in verschiedene Landesteile gebracht, wie die Zeitung „Times of India“ berichtete. „Ich konnte mir das Zimmer, das wir hatten, nicht mehr leisten. Also hatten wir keine andere Wahl. Wir mussten gehen“, sagte Ranjit Kumar, der mit seiner Frau und seinem zweijährigen Sohn zwei Tage lang zu Fuß zu einem Busbahnhof lief.

Wanderarbeiter und Wanderarbeiterinnen veruschen in einen überfüllten Bus einzusteigen
Reuters/Adnan Abidi

Die ehemalige Gesundheitsministerin Sujatha Rao warnte vor einer rasanten Ausbreitung des Virus in den Armen- und Arbeitervierteln der indischen Metropolen. Viele Menschen lebten dort sehr beengt. „Soziale Distanz ist für sie keine Option“, sagte Rao der Nachrichtenagentur AFP.

Bis gestern meldeten die Behörden mehr als tausend Infektionsfälle in dem 1,3 Milliarden Einwohner zählenden Land. 29 Menschen starben nach offiziellen Angaben bislang an der Lungenkrankheit Covid-19. Experten zweifeln die Zahlen jedoch an und vermuten eine hohe Dunkelziffer an Infizierten, da nur wenig Menschen getestet werden.