Frauenministerin Susanne Raab und Innenminister Karl Nehammer
APA/Herbert P. Oczeret
Zuletzt mehr Fälle

Neue Kampagne gegen häusliche Gewalt

Mit den Ausgangsbeschränkungen wegen der Coronavirus-Pandemie ist häusliche Gewalt Thema geworden. Die Grundannahme: „Eingesperrt“ sein, vielleicht noch auf wenig Raum, kann verstärkt zu Konflikten führen. Zahlen zeigen einen leichten Anstieg der Fälle, aber schon dieser alarmiere, hieß es am Sonntag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz von Innenminister Karl Nehammer und Frauenministerin Susanne Raab (beide ÖVP). Das Angebot für Betroffene wurde verstärkt.

Das Thema Gewalt in der Familie sei eines, „das wir besonders ernst nehmen“, sagte Nehammer eingangs und verwies auf die von der Bundesregierung gestartete Kampagne „Sicher zu Hause“, bevor er aktuelle Zahlen nannte. Im Jänner seien von der Polizei 937 Betretungs- und Annäherungsverbote ausgesprochen worden, im Februar 874, im März 961, was einem leichten Anstieg im letzten Monat entspricht. Aber der sei es, „der uns alarmiert“, sagte Nehammer.

Gemeinsam mit Raab stellte er die neue Kampagne, die Frauen Hilfestellung bei gewalttätigen Partnern bieten soll, vor. Es gebe dafür „null Toleranz“, betonte der Innenminister. Er appellierte an Opfer von häuslicher Gewalt, zumeist Frauen und Kinder, nicht zu schweigen. „Es wird Ihnen geholfen“, versicherte Nehammer. Polizistinnen und Polizisten würden genau wissen, was im konkreten Fall zu tun ist, sie seien „dazu ausgebildet, genau das zu entscheiden“ – und außerdem für Prävention.

Seit dem Wochenende gibt es auf der Website des Innenministeriums umfassende Informationen und Serviceangebote rund um das Thema Gewalt in der Familie, seit Sonntag zusätzlich Inserate, für kommende Woche kündigte das Ministerium „Präventionsspots“ an. Die Informationen stehen in mehreren Sprachen zur Verfügung.

Mehr Stress als vor der Krise

Die aktuellen Lebensbedingungen in der Coronavirus-Krise seien „herausfordernd“, hieß es einer begleitenden Aussendung zu der Pressekonferenz. Familien und Paare verbrächten den ganzen Tag gemeinsam zu Hause, „und das in manchmal sehr beengten räumlichen Verhältnissen“, dazu kämen vielleicht noch existenzielle Sorgen – eine Mischung, die im äußersten Fall in Gewalt münden kann. Je länger die Situation so bleibe, desto größer werde das Risiko, sagte Frauenministerin Raab.

Pressekonferenz: „Häusliche Gewalt während Corona“

Bundesweit wurden im März 961 Betretungs- und Annäherungsverbote verhängt. Im Monat davor war dieser Schritt gegen häusliche Gewalt 874-mal gesetzt worden. Gemeinsam mit Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) stellte Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) eine neue Kampagne vor, die Frauen Hilfestellung bei gewalttätigen Partnern bieten soll.

Dringender Appell an Betroffene

Sie verwies auch darauf, dass in anderen Ländern die Situation bereits angespannter sei als in Österreich, etwa in Frankreich, wo häusliche Gewalt schon deutlich zugenommen habe, in Paris über 30 Prozent. Auch wenn der Anstieg in Österreich geringer ausfällt, müsse man wachsam sein. Experten hielten es auch für möglich, dass sich ein Anstieg erst zeitverzögert zeigt. Jedenfalls sollten Betroffene sich bei „jeglichen ersten Anzeichen“ von Gewalt an die Frauenhelpline oder die Onlineberatung unter Haltdergewalt.at und selbstverständlich auch an die Polizei wenden, so Raab.

Die Frauenhelpline ist 24 Stunden kostenlos unter der Telefonnummer 0800 222 555 erreichbar, online gibt es Beratung und Hilfe unter Halt der Gewalt.

Die Frauenministerin verwies auf die bereits vor rund zwei Wochen beschlossenen Maßnahmen zu besserem Gewaltschutz, etwa die personelle und finanzielle Aufstockung für die Frauenhelpline, und darauf, dass die Kampagne zu einer gesteigerten Nachfrage nach Beratung geführt habe. Die Zahl der Anrufe sei um über 70 Prozent gestiegen.

Gemeinsames Maßnahmenpaket

Man habe nun die Informationsoffensive noch ausgebaut, so Raab, weil jedes Angebot nur so gut sei, „wie es bekannt ist“. Sie unterstütze daher auch die neue Kampagne des Innenministeriums, „weil in dieser Ausnahmesituation jede von häuslicher Gewalt bedrohte Frau wissen soll, dass es Hilfe für sie und ihre Kinder gibt“, sagte die Ministerin.

Sie und Justizministerin Alma Zadic (Grüne) hatten Mitte März, nachdem die Ausgangsbeschränkungen verhängt worden waren, ein Maßnahmenpaket vorgestellt. Expertinnen und Experten bzw. Stellen, die mit dem Problem befasst sind, hatten zuvor die Befürchtung geäußert, es könne wegen der Coronavirus-Krise bzw. der Einschränkungen der Bewegungsfreiheit vermehrt zu Konflikten in den eigenen vier Wänden kommen, und gefordert, Prävention und Sanktion müssten auch in der aktuellen Krisensituation gewährleistet sein.

Quarantäne „kein rechtsfreier Raum“

Quarantäne und Isolation seien kein „rechtsfreier Raum“, hatte Raab daraufhin beteuert, die Krise „kein Freibrief für häusliche Gewalt“, wiederholte sie am Sonntag in der aktuellen Aussendung. Im März war noch kein Anstieg bei der Zahl der Wegweisungen und Betretungsverbote zu beobachten gewesen, zuletzt hatte auch noch die Wiener Polizei erklärt, es gebe „keine signifikante Änderung“ in den Fallzahlen. Allerdings gab es laut der Frauenministerin schon vor zwei Wochen „eine erhöhte Nachfrage nach Information“.

Aktuell auch Thema in Deutschland

Das Thema ist aktuell auch in Deutschland sehr präsent. Am Wochenende hieß es dazu, die Zahlen stiegen. Die deutsche Familienministerin Franziska Giffey (SPD) sah Gefahr primär in den Städten. „Aus den Ländern bekommen wir unterschiedliche Rückmeldungen. Es gibt offensichtlich ein Stadt-Land-Gefälle.“ Aus ländlichen Regionen, wo es mehr Möglichkeiten gebe, ins Freie zu gehen, und wo Menschen nicht so sehr auf engem Raum lebten, sei das Konfliktpotenzial nicht so hoch. „Dort hören wir noch nicht von zusätzlichen Fallzahlen“, sagte Giffey. Bereits in der vergangenen Woche habe sie aber aus Berlin die Rückmeldung bekommen, dass die Anzeigen wegen häuslicher Gewalt um zehn Prozent gestiegen seien.