Ein Afroamerikaner mit Schutzmaske steht hinter einer Absperrung neben einem Zufahrtsschild zu einem Krankenhaus in Brooklyn (New York)
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USA

CoV lässt Arm-Reich-Schere aufklaffen

Das Coronavirus zeigt die sozialen Unterschiede in den USA besonders deutlich auf. Ein überproportionaler Anteil der Infizierten sind Afroamerikaner, in extrem dicht besiedelten Gebieten breitet sich das Virus besonders schnell aus. Der Zugang zu medizinischer Versorgung ist oft von Arbeit abhängig, die vielen jetzt wegbricht.

„In der Theorie infiziert der Erreger Prinzen und Bettelknaben gleichermaßen“, schrieb die „New York Times“ am Freitag, doch Gebiete mit besonders hohem Arbeiter- und Einwandereranteil wie etwa im New Yorker Stadtteil Queens seien besonders stark betroffen. Das offenbare die „Ungerechtigkeiten in der amerikanischen Gesellschaft und ihrem Gesundheitssystem.“

Diese Woche wurde auch von Regierungsseite bestätigt, dass ein Teil der Bevölkerung besonders stark vom Coronavirus betroffen ist: „Wir sehen starke Anhaltspunkte dafür, dass Afroamerikaner in weitaus größerem Umfang betroffen sind als andere Bürger unseres Landes“, sagte US-Präsident Donald Trump während einer Pressekonferenz am Mittwoch.

Arbeitslosigkeit als besondere Gefahr

Verschärft wird die Krise in den USA durch die prekäre Situation bei den Arbeitsplätzen. Die USA vermeldeten in den vergangenen drei Wochen über 16 Mio. neue Arbeitslose, die jetzt nicht nur um Geld, sondern auch um medizinische Versorgung bangen müssen und damit sich und andere potenziell gefährden könnten.

Zwei Afroamerikaner mit Schutzmaske vor einem Supermarkt in Washington (USA)
APA/AFP/Saul Loeb
Das Coronavirus ist in den USA für benachteiligte Bevölkerungsschichten besonders gefährlich

Denn obwohl es Programme in den USA gebe, um Krankenversicherung auch in der Arbeitslosigkeit weiter zu beziehen, sei das für viele nicht zu stemmen, da trotzdem Kosten entstünden, wie ein Gewerkschafter gegenüber dem „Guardian“ sagt.

Expertin: Arbeiten als einzige Alternative

Doch auch für Menschen, die momentan einer Beschäftigung nachgehen, gibt es ein deutliches Ungleichgewicht. Elise Gould, Ökonomin am Economic Policy Institute in Washington, sagte gegenüber dem „Guardian“, dass ein Viertel der Angestellten in der Privatwirtschaft keinen Anspruch auf eine bezahlte Freistellung im Krankheitsfall habe.

Vor allem Menschen mit niedrigem Lohn seien dadurch einem deutlich höheren Risiko ausgesetzt, sich mit dem Coronavirus zu infizieren – für sie gebe es keine andere Wahl, als zu arbeiten, selbst mit Krankheitssymptomen, zitierte der „Guardian“ die Ökonomin. Und viele würden viel stärker in Kontakt mit der Öffentlichkeit kommen, was das Risiko weiter erhöht – arbeiten im Homeoffice ist Personen mit besseren Jobs vorbehalten.

Behördenleiter macht auf Vorerkrankungen aufmerksam

Der Direktor des Nationalen Instituts für Infektionskrankheiten, Anthony Fauci, sprach auf der Pressekonferenz mit dem US-Präsidenten von einer „Verschlimmerung eines Gesundheitsgefälles“. Hinzu kommt, dass Erkrankungen wie Herzkrankheiten und Diabetes bei Afroamerikanern häufiger zu verzeichnen seien als bei anderen Gruppen, sagte Fauci. Solche Vorerkrankungen, die auch mit der durchschnittlich betrachtet deutlich schlechteren wirtschaftlichen Situation zusammenhängen, machten eine Verlegung auf die Intensivstation wahrscheinlicher, so Fauci.

Massenbegräbnisse in New York

Ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückt nun ein besonders trister Indikator für die sozialen Unterschiede: Auf Hart Island, einer Insel, die zur Stadt New York gehört, werden seit dem 19. Jahrhundert Menschen in Massengräbern begraben, die entweder keine Angehörigen haben oder die sich keine Beerdigung leisten können. Der „Guardian“ berichtet, dass rund 25 Menschen pro Woche von Gefängnisinsassen, die hier einem Job mit Niedriglohn nachgehen, begraben werden.

Graben mit Särgen auf Hart Island (New York)
AP/John Minchillo
Auf Hart Island werden Menschen begraben, deren Angehörige sich kein Begräbnis leisten können

Seitdem New York in den USA am stärksten von der Coronavirus-Krise betroffen ist, steigt diese Zahl jedoch stark. Ein Sprecher der Anlage sagte, dass man mittlerweile rund zwei Dutzend Menschen pro Tag begrabe – fünf Tage die Woche.

Über 5.000 Tote in New York City

In New York City, einer Stadt mit knapp ungefähr so vielen Einwohnern wie Österreich, sind über 5.000 Menschen im Zusammenhang mit dem Coronavirus gestorben, wie aus Zahlen der Johns-Hopkins-Universität vom Donnerstag hervorgeht. Über 87.000 Menschen wurden positiv getestet.

Angesichts einer leichten Stabilisierung der Lage in der Coronavirus-Krise hat der Gouverneur des US-Bundesstaates New York bereits vor neuen Infektionswellen gewarnt. „Ich will keine zweite Welle, ich will keine dritte Welle“, sagte Andrew Cuomo am Freitag bei seiner täglichen Pressekonferenz. Deswegen müsse die Wiedereröffnung der Gesellschaft, für die er noch kein Startdatum nannte, graduell und sehr vorsichtig geschehen.