Großbritannien: Johnson aus Klinik entlassen

Der britische Premierminister Boris Johnson ist gestern aus dem Krankenhaus entlassen worden. Er werde aber nicht sofort wieder mit seiner Arbeit beginnen, teilte ein Regierungssprecher in London mit. Johnson wolle allen im St. Thomas’ Hospital für die „brillante Pflege“ danken, die er erhalten habe, so der Sprecher.

St. Thomas’ Hospital in London
APA/AFP/Glyn Kirk

Der 55-Jährige werde sich auf dem offiziellen Landsitz des Premiers, Chequers in der Nähe von London, erholen. Schon am Vortag hatte sich Johnson bei den Mitarbeitern des St. Thomas’ Hospitals bedankt. „Ich kann ihnen nicht genug danken. Ich verdanke ihnen mein Leben“, sagte der Premier in einer knappen Mitteilung.

Wie die britische Nachrichtenagentur PA unter Berufung auf Regierungskreise berichtete, erhielt Johnson im Krankenhaus Briefe und Babyultraschallbilder von seiner schwangeren Verlobten Carrie Symonds sowie Tausende Karten mit Genesungswünschen. Zudem habe er sich unter anderem mit Filmen die Zeit vertrieben.

Raab vertritt Johnson

Johnson wird derzeit von Außenminister Dominic Raab vertreten. Die Befugnisse des Premierministers hat Raab aber nicht. Großbritanniens ungeschriebene Verfassung sieht keine klare Regelung für den Fall vor, dass der Regierungschef ausfällt. Es wird damit gerechnet, dass Johnson noch mehrere Wochen fehlen könnte.

Großbritannien könnte nach Einschätzung der Wellcome-Stiftung in der Bilanz das am schlimmsten von der Coronavirus-Pandemie betroffene Land innerhalb Europas werden. Im Vereinigten Königreich werde die Todesrate möglicherweise die höchste sein, sagte der Direktor der Stiftung, Jeremy Farrar, dem britischen Sender BBC. Zweifellos müsse man aus der derzeitigen Lage Lehren ziehen, betonte er. Massentests könnten noch helfen, Zeit zu gewinnen, um das Gesundheitswesen aufzurüsten.

Mehr als 10.600 Tote

Inzwischen meldete London mehr als 10.600 Tote. Es wird aber mit einer großen Dunkelziffer gerechnet – vor allem viele Todesopfer in Seniorenheimen sind noch nicht erfasst. Im Land mangelt es an Tests, Schutzausrüstung und Beatmungsgeräten. Der staatliche Gesundheitsdienst National Health Service (NHS) ist chronisch unterfinanziert und marode.

Die meisten Toten wurden in England – insbesondere in der britischen Hauptstadt – registriert. Gesundheitsminister Matt Hancock sprach angesichts des Überspringens der 10.000er-Marke von einem „düsteren Tag“.