Innenminister Karl Nehammer (ÖVP), Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne)
APA/Roland Schlager
Lockerungen

Als Nächstes folgen Regeln für Sport, Kultur

Am Dienstag haben viele Handelsgeschäfte nach der vierwöchigen Sperre wieder geöffnet. Das nahm die Bundesregierung zum Anlass, einmal mehr von der Bevölkerung Disziplin zu verlangen. Weitere Lockerungen der Coronavirus-Regeln werden aber noch diese Woche verkündet – unter Verweis auf die Möglichkeit, wenn nötig die „Notbremse“ zu ziehen.

Mit der Lockerung der Maßnahmen ist Österreich eines der ersten Länder in Europa, die einen Schritt in Richtung Normalität gehen. Das Credo der Bundesregierung dazu formulierte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Wien: „So viel Freiheit wie möglich, so viel Einschränkung wie notwendig.“ Weiterhin gälten die Ausgangsbeschränkungen und die Aufforderung, Homeoffice zu betreiben, wenn das möglich sei. Nun gebe es einen ersten Schritt zur Öffnung, so Kurz. „Sollten sich die Zahlen in die falsche Richtung entwickeln, werden wir selbstverständlich die Notbremse ziehen.“ Eine solche „Notbremse“ wollte er aber nicht an Zahlen festmachen.

Kurz gab bei der Pressekonferenz im Bundeskanzleramt auch einen Ausblick auf die nächsten Schritte: Am Mittwoch sollen Neuerungen im Bereich der Sportveranstaltungen verkündet werden, am Freitag im Bereich der Kultur. Man habe bisher das Schlimmste verhindern können. „Bitte bleiben Sie weiterhin stark, bitte halten Sie weiterhin durch“, sagte Kurz. Die Krise sei „noch lange nicht überstanden“.

Kurz wollte noch nicht dezidiert sagen, wie es mit den Schulen zu einem „späteren Zeitpunkt“ weitergeht. Es gebe hier eine „sehr große Zahl an Menschen“. Zudem sei Abstandhalten und das Tragen von Masken für Kinder eine größere Herausforderungen und nicht so einfach wie bei Erwachsenen. Deshalb setze man bis Mitte Mai auf jeden Fall auf „Distance-Learning“, Ende April soll die Entscheidung getroffen werden, ob „wir es für möglich erachten, die Schulen Mitte Mai zu öffnen“. Die geltenden Ausgangsbeschränkungen würden „jedenfalls“ noch bis Ende April aufrecht sein. Die Regierung werde „zeitgerecht“ über Verlängerung oder Adaptierung informieren.

Keine Reparatur von Verordnungen

Eine Reparatur der eilig beschlossenen Gesetze und Verordnungen in der Coronavirus-Krise, die möglicherweise nicht verfassungskonform sind, sei nicht geplant, sagte Kurz. Dass möglicherweise manche Gesetzestexte mangelhaft seien, wie Kritiker meinen, begründete Kurz damit, dass „wir schnell gehandelt haben“. Das habe gut funktioniert. Die Gesetze und Verordnungen „sind nicht auf Dauer“. Bis eine Überprüfung durch die Höchstgerichte stattgefunden habe, „werden sie nicht mehr in Kraft sein“, so Kurz.

Die Bundesregierung zu den Entwicklungen

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) informierten über die stufenweise Lockerung der Maßnahmen.

„Ich bitte um etwa Nachsicht, dass es eine Ausnahmesituation ist.“ Juristen sollten Fragen in diesem Bereich nicht überinterpretieren. Es gehe darum, dass die Maßnahmen eingehalten werden und „die Republik funktioniert“. „Ob alles auf Punkt und Beistrich in Ordnung ist, wird am Ende des Tages der Verfassungsgerichtshof entscheiden.“ Zu diesem Zeitpunkt würden die Maßnahmen aber ohnehin nicht mehr in Kraft sein, sagte der Kanzler.

Bewertung „in Zwei- bis Dreiwochenschritten“

Auch Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) dankte der Bevölkerung für die Disziplin und warnte davor, nun unvorsichtig zu werden. Die gute Entwicklung sei dem Umstand zu verdanken, dass man schnell und gründlich gehandelt habe, so Kogler. Deshalb könne man auch früher als andere Länder die Maßnahmen wieder lockern. Auch Kogler verwies darauf, dass man im Notfall eine Bremse ziehen und wieder strengere Maßnahmen einführen könne.

Innenminister Karl Nehammer (ÖVP), Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne)
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Nehammer, Kogler, Kurz und Anschober informierten im Bundeskanzleramt über den aktuellen Stand der Entwicklungen

Kogler, der in der Bundesregierung auch für Sport zuständig ist, sagte, die nächste Lockerung betreffe vor allem Sportstätten. Outdoor-Veranstaltungen seien leichter so zu organisieren, dass man die Ansteckungsgefahr im Zaum hält, als Veranstaltungen im Inneren. Ebenso sei es mit Sportarten, bei denen Abstand möglich sei. Die Maßnahmen werde man nun „in Zwei- bis Dreiwochenschritten verfolgen“ und evaluieren, ob die Zahlen wieder steigen oder nicht.

Auf Koglers Programm standen am Dienstag und Mittwoch auch noch Gespräche mit Fußballvertretern über mögliche Geisterspiele. „Wir werden heute und morgen noch mit dem ÖFB und der Bundesliga konferieren, um zu schauen, was möglich ist“, sagte Kogler. An dem angekündigten Entschädigungsfonds für Sportvereine und -verbände werde mit Hochdruck gearbeitet. „Teilweise passen die bestehenden Fonds schon auf einzelne Vereine im Sportbereich. Und für alle, die nicht gewinnorientiert sind, wird das in diesen Tagen fertiggestellt“, sagte Kogler.

Insgesamt knapp 25.000 Anzeigen

Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) ersuchte die Menschen angesichts der Öffnung im Handel, nicht gleich am ersten Tag die Geschäfte zu stürmen. „Die Baumärkte bleiben offen. Man muss nicht alles heute besorgen.“ Zudem ist laut Nehammer speziell bei den Baumärkten die Polizei in Kooperation mit den Filialleitern verstärkt an Ort und Stelle.

Am Osterwochenende hätten sich die Menschen „vorbildlich“ an die Regeln gehalten, so Nehammer. Es seien österreichweit 2.246 Anzeigen und 380 Organstrafverfügungen ausgestellt worden. „Und das, obwohl der Druck an diesem Wochenende so hoch war, dass man Freunde, Verwandte besucht, sich trifft“, sagte Nehammer. Seit Inkrafttreten der Ausgangsbeschränkungen am 16. März wurden 24.510 Anzeigen wegen Verstößen gegen das Covid-19-Maßnahmengesetz erstattet.

„Zweite Etappe wird deutlich schwieriger“

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) sagte, die erste Etappe im Kampf gegen die Virusausbreitung sei „ein großer Erfolg gewesen“. Dieser sei der österreichischen Bevölkerung zu verdanken. Sie habe bewiesen, „dass jeder Einzelne Teil der Lösung ist“, so Anschober. Es sei nun der zehnte Tag in Folge, an dem es eine Zuwachsrate bei den Ansteckungen von unter drei Prozent gebe, zuletzt nur 0,8 Prozent. Die zweite Etappe, sagte Anschober, werde aber „noch deutlich schwieriger“. Denn nun gehe es darum, die Maßnahmen zu lockern und dennoch die Zuwachsraten einzudämmen.

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) mit einer Kurvengrafik der aktuellen Fallzahlen
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Die Entwicklung sei konstant gut, so Anschober. Doch es gebe keinen Grund für ein Nachlassen.

Die Anzahl der Tests werde derzeit auf 10.000 täglich erhöht. Einen Engpass gebe es nicht, da die geringen Infektionszahlen auch geringe Testzahlen nach sich zögen, so Anschober. Wie bereits mehrfach angekündigt, sollen weiter zielgruppenorientiert Mitarbeiter in Gesundheitsbereich und im Handel sowie Personal und Bewohner von Alters- und Pflegeheimen getestet werden. „Wir gehen davon aus, dass wir in einem schrittweisen Arbeitsprozess gut mit den Ressourcen durchkommen“, sagte Anschober.

Dazu komme, dass nun auch Medizinerinnen und Mediziner bei konkretem Bedarf Tests beauftragen könnten. Wenig Optimismus hatte der Gesundheitsminister bezüglich der Frage nach einem Impfstoff. „Ich wäre sehr, sehr überrascht, wenn es dieses Jahr einen Impfstoff gibt.“ Mit wirksamen Medikamenten gegen Covid-19 rechnete Anschober aber früher. Er sagte, dass es in Summe durch die schrittweise Öffnung möglicherweise leichte Zuwächse geben werde. „Das Entscheidende ist, wir haben das Virus unter Kontrolle“, sagte der Gesundheitsminister.