Coronavirus-Testkit
Reuters/Dado Ruvic
„Belastbare Daten fehlen“

Experten zweifeln an CoV-Rückfällen

Ist man nach einer Covid-19-Erkrankung immun gegen das Coronavirus? Diese Frage ist weltweit entscheidend für das weitere Vorgehen gegen die Pandemie. Erst vor wenigen Tagen sorgte die Nachricht von möglichen Rückfällen von an Covid-19 Erkrankten für Aufregung. Gemeldet wurden knapp 100 Fälle in Südkorea, zuvor auch welche in Japan und China. Zahlreiche Experten zeigen sich aber skeptisch über eine erneute Infektion.

Der südkoreanische Infektiologe Kim Woo Joo erwartet eine steigende Zahl von Fällen einer erneuten Infektion mit dem Virus. Joeng Eun Kyeong vom Südkoreanischen Zentrum für Krankheitsbekämpfung (KCDC) vermutet aber, dass das Virus bei den bekanntgewordenen möglichen Wiedererkrankten „reaktiviert“ wurde. Er glaubt nicht an tatsächliche Neuinfektionen. Berichte über Rückfälle seien mit großer Vorsicht zu genießen, sagte auch die Virologin Elisabeth Puchhammer-Stöckl von der Medizinischen Universität Wien. In Österreich gab es dazu bisher keine Meldung.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) will die Fälle jedenfalls untersuchen. Nach WHO-Richtlinien darf ein Patient erst entlassen werden, wenn zwei Tests auf das Coronavirus mit einem Abstand von 24 Stunden durchgeführt wurden und negativ ausfielen.

Coronavirus-Teststation in Seoul
APA/AFP/Ed Jones
Zuletzt gab es in Südkorea den Verdacht, dass sich fast 100 Patienten erneut mit dem Virus infiziert haben

Immunität bei Affen getestet

Es fehlen „belastbare Daten, die von einer echten Reinfektion ausgehen“, warnte Ivo Steinmetz vom Diagnostik- und Forschungszentrum für Molekulare BioMedizin der Medizinischen Uni Graz vor voreiligen Schlüssen. Einen wissenschaftlichen Beweis, dass man nach einer Infektion mit dem Coronavirus immun dagegen ist, gibt es nicht. Doch zahlreiche Experten und Expertinnen halten eine erneute Infektion innerhalb kurzer Zeit für unwahrscheinlich.

Bei anderen Coronaviren und bei Grippeviren lässt sich jedenfalls eine Immunität beobachten. Das ist dem immunologischen Gedächtnis des Körpers zu verdanken. Die bei der ersten Infektion gebildeten Antikörper werden dann bei einem neuerlichen Eintritt eines Virus ausgeschüttet und schützen den Körper vor dem Erreger. In einer – sehr kleinen – chinesischen Studie an Rhesus-Affen, die genetisch dem Menschen sehr ähnlich sind – konnte eine Immunität der Tiere nachgewiesen werden. Auch andere Studien deuten bisher darauf hin, dass der Großteil der genesenen CoV-Infizierten ausreichend Antikörper gebildet hat.

Tests „mal positiv, mal negativ“

Für die angeblichen Fälle erneuter Infektionen bei denselben Personen haben Experten mehrere Erklärungen. Gesichert sei, dass bei vielen Menschen mit bereits abgelaufenen Infektionen Virusnukleinsäure noch relativ lange ausgeschieden wird, sagte Puchhammer-Stöckl. Das heißt, dass sich Virusspuren mitunter auch noch Wochen nach der Genesung in Abstrichen finden lassen.

Labormitarbeiter arbeiten an PCR-Test
APA/AFP/Oscar Del Pozo
Bei der Durchführung der PCR-Tests kann es Unschärfen geben

„Meines Erachtens ist es das, was wir häufig sehen: Die Patienten, die das Virus nicht so gut kontrollieren können, sind kurze Zeit negativ und dann wieder positiv“, sagte die deutsche Virologin Ulrike Protzer vom Klinikum der TU München gegenüber dem Bayrischen Rundfunk (BR). Auch am Zentrum für Virologie der Meduni Wien sei zu beobachten, wie Proben von ein und demselben Infizierten „mal positiv und mal negativ waren“. Das passiere bei den sehr sensitiven PCR-Tests (Polymerase-Kettenreaktion) vor allem bei geringerer Viruslast, so Puchhammer-Stöckl.

Gespräch mit Virologin Elisabeth Puchhammer-Stöckl

Die Virologin im ZIB-Spezial-Interview über die mögliche Immunität nach einer CoV-Infektion, die Arbeit an einem Impfstoff und die Entwicklung von Pandemien.

Virus versteckt sich nicht in Körperzellen

Auch wenn Testergebnisse bei einem erkrankten Patienten zunächst negativ ausfallen und dann wieder „ganz schwach positiv sind“, bedeute das nicht, dass sich jemand wieder angesteckt habe, so Steinmetz. Zu Unschärfen kommt es offenbar gerade in der abklingenden Phase der Covid-19-Erkrankung: „In dieser Phase funktioniert der Test eher nach dem Zufallsprinzip“, bestätigten auch die deutschen Experten Melanie Brinkmann (TU Braunschweig) und Friedemann Weber (Uni Gießen).

Eine Form von Latenz, also, dass sich das Virus in Körperzellen verstecke und bei Stress reaktiviert werde, wie das etwa bei Herpesviren der Fall ist, gebe es bei den Coronaviren nicht, so Brinkmann. Der Vorgang der Latenz sei extrem kompliziert, die Herpesviren hätten dies erst in Millionen Jahren der Koevolution mit dem Menschen perfektioniert.

PCR-Tests zeigen Erbmaterial von Virus

Es zeigt sich aber in mehreren Untersuchungen, dass manche mit dem Coronavirus Infizierte auch nach dem Abklingen der Krankheit das Virus in geringen Mengen ausscheiden. Das muss aber nicht automatisch ansteckend sein. Denn mit den PCR-Tests werde nicht das Virus, sondern das Virusgenom angezeigt, erklärte Florian Krammer, Professor für Vakzinologie an der Icahn School of Medicine in New York. Es komme oft vor, dass noch Virusgenom vorhanden sei, aber kein infektiöses Virus mehr.

Aus dem Genom lasse sich eine Ansteckungsgefahr nicht nachweisen, so die Experten. Aber auch der deutsche Virologe Christian Drosten geht davon aus, dass das nach der Genesung nachgewiesene Virusmaterial nicht für andere infektiös ist. Es habe dazu bereits erste Analysen gegeben. Drosten: „Wir konnten nie infektiöses Virus isolieren.“