Der japanische Premier Shinzo Abe
Reuters/Issei Kato
Coronavirus

Japan entscheidet sich spät für Notstand

Japan hat im Kampf gegen die Coronavirus-Pandemie später als andere Länder Maßnahmen ergriffen. Am Donnerstag rang sich die Regierung nun doch durch, den Notstand auf das ganze Land auszudehnen. Tests auf das Virus sind aber immer noch alles andere als selbstverständlich. Es fehlt an Fachpersonal und Ausrüstung. Die Großstadt Osaka bat zuletzt um Regenmäntel als Ersatz für Schutzkleidung.

Der Notstand wegen der Pandemie, verhängt am Dienstag letzter Woche für den Großraum Tokio und sechs weitere Präfekturen, darunter auch Osaka, gelte nun für das ganze Land, berichteten japanische Medien am Donnerstag.

Die Regierung unter Ministerpräsident Shinzo Abe habe sich wegen des Tempos und der unklaren Richtung der Ausbreitung der Infektionen dazu entschlossen, hieß es. Die ergriffenen Maßnahmen sollen vorerst bis 6. Mai gelten.

Zu wenig Distanz

Die Zahl der Infektionen bzw. Erkrankungen sei zuletzt in Regionen, für die noch nicht der Notstand gegolten hatte, gestiegen, berichtete am Donnerstag etwa die zweitgrößte Tageszeitung des Landes, die „Asahi Shimbun“ in ihrer englischsprachigen Ausgabe. Ausgangssperren bzw. Ausgangsbeschränkungen wie in vielen europäischen und anderen Ländern gibt es keine, nur Aufrufe, möglichst zu Hause zu bleiben.

Dichtgedrängte Passagiere in U-Bahn von Tokio
APA/AFP/Charly Triballeau
Abstand halten bleibt eher ein Appell

Außerdem hätten Daten gezeigt, dass sich die Menschen bemühten, auf Distanz zueinander bleiben, aber keineswegs genug. Die Zahl der Menschen, die wochentags aus dem Haus gehen, sei um 30 auf 60 Prozent gesunken, schrieb die „Asahi Shimbun“ am Donnerstag. Allerdings sei dieser Wert weit weg von der Zielvorgabe der Regierung, einer Reduktion um 70 bis 80 Prozent, um die Ausbreitung des neuartigen Virus zu bremsen. Die Daten inkludiere außerdem Regionen, in denen bereits der Ausnahmezustand galt, darunter auch Tokio. Die Regierung sei darüber „alarmiert“.

Tests nur bei dringendem Verdacht

Trotzdem muss sich die Regierung und insbesondere Premierminister Abe Kritik gefallen lassen, zu zögerlich zu handeln. Ärztinnen und Ärzte warnten vor einem Zusammenbruch des Gesundheitssystems, sollten die Infektionszahlen deutlich ansteigen. Laut Medienberichten vom Donnerstag forderten Krankenhäuser der Stadt Kyoto in einer gemeinsamen Erklärung den Staat auf, die Zahl der Tests auszuweiten.

Der japanische Premier Shinzo Abe
AP/Kyodo
Regierungschef Abe muss sich Kritik gefallen lassen

Bisher würden Versicherungen Tests nur bei Personen bezahlen, die bestimmte Symptome, etwa mehrere Tage lang Fieber von mehr als 37,5 Grad, aufweisen. Durch diese Praxis könnte sich medizinisches Personal etwa bei Operationen oder Geburten bei symptomlosen Infizierten anstecken, so die Befürchtung. Bei vielen Menschen führt eine Infektion mit SARS-CoV-2 zu keinen oder zumindest nur vergleichsweise milden Symptomen.

Fast leere U-Bhan-Zug in Tokio
Reuters/Kim Kyung-Hoon
Leere U-Bahn in Tokio nach Erklärung des Notstands für die Metropolregion

Noch immer werden in Japan, der drittgrößten Volkswirtschaft der Welt, viel weniger Tests durchgeführt als in anderen Ländern. Zwar habe Ministerpräsident Abe am 7. April erklärt, dass sich der Staat bemühen werde, die Testkapazitäten auf täglich bis zu 20.000 zu erhöhen. In der Realität würden jedoch maximal rund 7.800 Tests pro Tag durchgeführt, berichtete „Asahi Shimbun“.

Es fehlt an allem Möglichen

Zu den Größenordnungen: Japan hat mit über 125 Millionen etwa 14-mal so viele Einwohner wie Österreich, wobei hierzulande (mit Stand Donnerstagvormittag) bisher laut Gesundheitsministerium knapp 163.000 Tests durchgeführt wurden. Die Zahl der bestätigten Fälle lag in Österreich zuletzt bei 14.370, die der Todesfälle bei 410. In Japan waren es laut Angaben des TV-Senders NHK entsprechend 9.500 bzw. 192.

Gesperrter Raucherbereich in Tokio
Reuters/Kim Kyung-Hoon
Auch kein Rauchen im Freien

Dass in Japan derart wenige Tests durchgeführt würden, liege unter anderem an veralteter Ausrüstung und einem Mangel an staatlichen Einrichtungen sowie Fachleuten, hieß es. Vor diesem Hintergrund gingen einzelne lokale Behörden nun dazu über, privaten Einrichtungen zu erlauben, Tests durchzuführen. Abe wurde dafür kritisiert, durch die geringe Zahl der Tests die Fallzahlen lange kleingehalten und zu spät und zu laxe Maßnahmen ergriffen zu haben.

Regenmäntel statt Schutzkleidung

Dass es vor allem auch an medizinischem Material fehlt, zeigte sich an einem Aufruf der Stadt Osaka vom Dienstag. Sie bat die Bevölkerung um Regenkleidung als Ersatz für adäquaten Schutz in Krankenhäusern. Jede Farbe ist uns recht", wurde Bürgermeister Ichiro Matsui zitiert. Der Mangel an angemessener Schutzkleidung sei in der Wirtschaftsmetropole mit etwa 2,7 Millionen Einwohnern so akut, dass Krankenhausmitarbeiter dazu übergegangen seien, Müllsäcke als Provisorium zu verwenden. In Kliniken würden Spirituosen als Handdesinfektionsmittel verwendet, hieß es.