Mann in Schutzausrüstung desinfiziert einen Weg vor einer Kirche in Sofia
APA/AFP/Nikolay Doychinov
Strenges CoV-Vorgehen

Bulgarien riegelt Hauptstadt ab

In Bulgarien sind die Maßnahmen gegen das Coronavirus vor den bevorstehenden orthodoxen Osterfeiertagen weiter verschärft worden. Die Hauptstadt Sofia ist seit Freitag, dem orthodoxen Karfreitag, für den Straßenverkehr unbefristet abgeriegelt.

Fahrzeuge dürfen nach einer Anordnung von Gesundheitsminister Kiril Ananiew die Stadt mit gut 1,5 Millionen Einwohnern weder verlassen noch in sie hineinfahren. Nur wenige Ausnahmen sind erlaubt, unter anderem für Polizei und Krankentransporte. Noch offene Märkte und Blumenbörsen müssen bis zum orthodoxen Ostersonntag am 19. April schließen. Geöffnet haben nur Supermärkte, Apotheken sowie Tankstellen.

Die unbefristete Sperrung der Hauptstadt wurde notwendig, nachdem viele Bulgaren am Mittwoch und am Donnerstag Sofia mit dem Auto verlassen hatten – weil sie in ihren obligatorischen Deklarationen falsche Angaben gemacht hatten, wie Innenminister Mladen Marinow in der Nacht zum Freitag erläuterte.

Polizeisperre auf einer Autobahn an der Stadtgrenze von Sofia
EBU
Bei Kontrollen fiel auf, dass falsche Angaben über die Reisegründe gemacht wurden

Kirchen unter strengen Auflagen offen

Der Chef des Coronavirus-Krisenstabs, Wenzislaw Mutaftschijski, schloss wegen der schlechten Disziplin einiger Bewohner des Landes strengere Einschränkungen nicht aus. Bis zum 13. Mai gilt ein Ausnahmezustand.

Die orthodoxen Christen feiern dieses Jahr Ostern eine Woche nach den Westkirchen. Die rund 4.000 Gotteshäuser in Bulgarien dürfen bei strengen Hygienevorschriften und Maskenpflicht geöffnet bleiben. Die Gläubigen wurden aber aufgerufen, vor der Familienikone zu Hause zu beten.

Provinzkrankenhäuser schlecht ausgerüstet

Bei einer Bevölkerung von knapp sieben Millionen Menschen hat das ärmste EU-Land mit rund 300 Krankenhäusern relativ viele Kliniken – in der Provinz fehlt es aber vielerorts an Geld, Ausstattung und Personal.

Die Zahl der identifizierten Coronavirus-Infektionen steigt schnell. Bis Freitagmorgen waren es 825 Fälle – bei 611 vor einer Woche. Offiziell starben laut den Angaben von Freitagfrüh 40 Menschen an der Lungenerkrankung Covid-19, 141 Menschen genasen. Durch die strengen Schutzmaßnahmen sollen die Fallzahlen begrenzt werden, damit das Gesundheitswesen nicht überbelastet wird.

Covid-19-Kranker floh aus Spital

Unterdessen wurde ein ganzes Dorf unter Quarantäne gestellt, weil ein an Covid-19 erkrankter Bewohner aus der Klinik geflohen und in sein Dorf zurückgekehrt ist. Der 58-Jährige, der zudem an einer schweren Form von Diabetes leidet, sei am Dienstag mit einem Taxi vom Krankenhaus der südbulgarischen Stadt Stara Sagora in sein Geburtsdorf Panitscherewo gefahren, berichtete der Fernsehsender bTV.

Gesundheitsminister Ananiew stellte das Dorf umgehend für 14 Tage unter Quarantäne. Polizisten machten den Mann in seinem Haus in dem Dorf ausfindig. Er wurde mit einem Krankenwagen zurück in die Klinik gebracht. Wie das bulgarische Radio berichtete, wurde auch der Taxifahrer, der den Mann gut 30 Kilometer gefahren hat, ausfindig gemacht.

Handelsketten zu heimischer Ware verpflichtet

Zum Schutz heimischer Agrarerzeuger in der Coronavirus-Krise wurden die Handelsketten verpflichtet, regionale Produkte anzubieten. Dabei handelt es sich um Milch und Milcherzeugnisse, Fisch, Fleisch, Eier, Honig sowie Obst und Gemüse. Diese Verkaufsstände müssen eine ausreichende Fläche haben und speziell gekennzeichnet sein. Damit sollen die kleinen regionalen Erzeuger unterstützt werden und ihr Gewerbe erhalten bleiben, erläuterte die Regierung in Sofia am Montag ihre Anordnung.

In dem EU-Land sind sowohl heimische als auch ausländische Handelsketten tätig – wie etwa Billa, Kaufland, Lidl und Metro. Die ausländischen Ketten hatten bereits zuvor bulgarische Erzeugnisse im Angebot – allerdings nicht an Spezialständen. In den großen Supermarktketten sind allerdings Schätzungen zufolge etwa 80 Prozent des Angebots an Obst und Gemüse importiert.

Bulgarien will schneller in den Euro-Raum

Angesichts der Coronavirus-Krise will Bulgarien auch schneller als bisher vorgesehen in den Euro-Raum, um von den Finanzhilfen in dem Währungsverbund profitieren zu können. „Diejenigen, die in der Euro-Zone sind, werden Milliarden zur Verfügung haben“, sagte Bulgariens Regierungschef Boiko Borissow vor einer Woche in Sofia. Er machte deutlich, dass er daher den Antrag für den Beitrittsprozess Bulgariens zum Euro-Raum von Juli auf Ende April vorziehen wolle.

Als Vorstufe zur Integration in den Euro-Raum muss Bulgarien zunächst dem Wechselkursmechanismus II beitreten, in dem das Land zwei Jahre lang bleiben muss, bevor es die Gemeinschaftswährung einführen kann. Nach den Worten von Borissow eröffnet aber bereits der Beitritt zum Wechselkursmechanismus II die Möglichkeit, europäische Kredite zu erhalten. Das sei der einzige Weg, „damit unser Land aus der Krise kommt“, sagte er.