Kritik an Aufspüren von Erkrankten durch Polizei

Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) hat bei einer Pressekonferenz gestern angedacht, dass die Polizei dabei behilflich sein könnte, Coronavirus-Infizierte und deren Kontaktpersonen aufzuspüren. „Wir sind sozusagen die Flex, die Trennscheibe für die Gesundheitsbehörden, um die Infektionskette rasch zu durchbrechen“, formulierte es Nehammer in der Pressekonferenz. Kritik gab es nicht nur von Parteikolleginnen und -kollegen, sondern auch vom Verfassungsjuristen Bernd-Christian Funk.

Er sagte im Ö1-Mittagsjournal: Ein derartiger Vorstoß dürfe nur mit Zustimmung des Parlaments umgesetzt werden, auch wenn die Polizei laut Verfassung die Aufgabe allgemeiner Hilfeleistungen in Gefahrensituationen innehabe. „Aber ohne einwandfreie und klare Rechtsgrundlagen geht es nicht“, so Funk.

Abgelehnt wurde das von einigen Parteikolleginnen und -kollegen, etwa von der niederösterreichischen Landeshauptfrau und ehemaligen Innenministerin Johanna Mikl-Leitner. Sie schrieb an 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihrer Gesundheitsbehörden: „Unsere Landessanitätsdirektion hat nicht den Eindruck, dass der Einsatz zusätzlicher Institutionen die rasche, vertrauensvolle Zusammenarbeit verbessern wird, sondern im schlechten Fall für Zurückhaltung von Betroffenen führen kann. Daher werden wir dieses Angebot vorerst nicht in Anspruch nehmen.“

Mehr dazu in noe.ORF.at

Ohne Rechtsgrundlage?

Kritisch zeigte sich auch der Wiener SPÖ-Gesundheitsstadtrat Peter Hacker. Die Situation Erkrankter „noch zusätzlich zu verschärfen, indem man dann Polizisten in die Wohnungen dieser Menschen schickt, kann ich mir überhaupt nicht vorstellen“. In Wien sei das jedenfalls nicht notwendig, „und wir haben auch keinen Bedarf danach“, so Hacker zu Ö1.

Das Innenministerium beteuerte indes, es gehe hauptsächlich um telefonischen Kontakt mittels Fragebogen. Doch auch das gehe zu weit, so FPÖ-Klubobmann und Ex-Innenminister Herbert Kickl. Sobald ein Polizist von dem Fragebogen abweiche, „dann bin ich bei der Einvernahme oder beim Verhör. Und die Infizierten sind keine Kriminellen“, so Kickl.

In Oberösterreich und der Steiermark haben Polizistinnen und Polizisten bereits bei der telefonischen Aufklärung von Coronavirus-Infektionsketten assistiert – womöglich ohne Rechtsgrundlage, so Ö1.

Audio dazu in oe1.ORF.at