Hände einer pflegebedürftigen Seniorin im Rollstuhl
ORF.at/Christian Öser
Mediziner warnen

24-Stunden-Betreuung vor Zusammenbruch

Wegen der CoV-bedingten Einreisebestimmungen für ausländische Pflegekräfte droht ein Personalmangel in der 24-Stunden-Betreuung. Mediziner warnen vor einem baldigen Zusammenbruch. Das Gesundheitsministerium versichert, an einer „ordentlichen Lösung“ zu arbeiten.

Ausländische 24-Stunden-Betreuerinnen und -Betreuer sind zwar von den strengen Reisebestimmungen ausgenommen. Sie gelten als Berufspendlerinnen und Berufspendler und müssen sich bei der Einreise aus Nachbarstaaten nur der Überprüfung ihrer Reisebewegungen und allfälliger Kontakte mit einem COVID-19-Erkrankten sowie der Messung der Körpertemperatur unterziehen.

Dennoch befürchten Experten eine Unterversorgung in der Betreuung. „Dieses System droht in den kommenden zwei Wochen zusammenzubrechen, da der Grenzübertritt nach Österreich aufgrund der Corona-bedingten Reisebeschränkungen nicht mehr legal stattfinden kann“, warnten am Wochenende Christian Fazekas, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin (ÖGPPM) von der Med Uni Graz, und Edgar Wutscher, Bundesobmann der Sektion Allgemeinmedizin der Ärztekammer (ÖAK) und praktischer Arzt in Sölden.

Weiterhin sei es das Ziel der zuständigen Behörden, dass keine Unterversorgung in der Pflege entsteht, teilte eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums am Samstag mit. Ende März hatte das Ministerium den Bundesländern freigestellt, Boni an derzeit in Österreich befindliche Betreuerinnen und Betreuer auszuzahlen, wenn sich diese entschließen, in Österreich zu bleiben.

„Psychische Störungen“ befürchtet

Viele hätten ihren Aufenthalt bereits verlängert, doch auch sie wollten irgendwann nach Hause, sagten die beiden Mediziner. „Die Pflegerinnen, die von ihnen betreuten Personen und deren Angehörige sind in einer akuten psychosozialen Notsituation, wobei für die Personen mit Pflegebedarf natürlich auch massive gesundheitliche Belastungen und Gefahren drohen“, warnte Wutscher in der Aussendung.

Fazekas befürchtet aufgrund des Drucks und der Verunsicherung eine „Zunahme an psychischen Störungen, etwa in den Bereichen Angst, Panik und Depression“. Außerdem sei bei Betroffenen mit einer Verschlechterung des gesamten gesundheitlichen Zustandes, beispielsweise bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder durch Entgleisung bei Diabetes, zu rechnen.

Regelmäßige und konsequente Tests

Für eine vernünftige Regelung wären regelmäßige und konsequente Testungen bei den 24-Stunden-Betreuerinnen und -Betreuern in Österreich und im benachbarten Ausland der zentrale Ansatzpunkt, um die legale Ein- und Ausreise ohne Quarantäne mittels Reisegenehmigungen sicherstellen zu können, so die Mediziner. „Gesundheitsministerium und Außenamt sollten diesen Vorschlag prüfen und mit den genannten Nachbarländern eine entsprechende Einigung erzielen – und das möglichst schnell“, forderte Fazekas.

Die bisher unternommenen Bemühungen zur Stabilisierung der Situation betrachten Wutscher und Fazekas als nicht ausreichend. „Die Gefahr ist groß, dass bislang daheim betreute Personen vielerorts ihr Zuhause verlassen müssen, einem höheren Risiko einer Ansteckung mit SARS-CoV-2 ausgesetzt werden, und Allgemeinmediziner, Pflegeheime und Krankenhäuser auf kurz oder lang die Misere eines gekippten Versorgungssystems in der 24-Stunden-Pflege zusätzlich auffangen müssten“, befürchtet Wutscher und ergänzte: „Niemand kann das wirklich wollen.“

Tests auf mobile Pflege ausweiten

Am Donnerstag hatte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) angekündigt, dass alle Bewohnerinnen und Bewohner sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Alters- und Pflegeheimen in „den nächsten Wochen“ getestet werden sollen. Österreichs Pensionistenverband (PVÖ) begrüßte die flächendeckenden Tests in Heimen, forderte aber eine Ausweitung auch auf mobile Pflegepersonen und Betreuungsdienste. Das sei besonders wichtig, da in den Heimen rund 20 Prozent, zu Hause aber fast 80 Prozent der Pflegegeldbezieherinnen und -Bezieher betreut würden, hieß es am Samstag vonseiten des PVÖ.

„Hier ist analog zu den stationären Einrichtungen eine 100-prozentige Testung von Pflegebedürftigen und Pflege-/Betreuungspersonal ebenso dringend notwendig“, wurde PVÖ-Generalsekretär Andreas Wohlmuth in einer Aussendung zitiert. Eine ähnliche Forderung hatte auch der Österreichische Gesundheits- und Krankenpflegeverband (ÖGKV) gestellt. In Niederösterreich sollen in einem Pilotprojekt nun bereits 1.700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der mobilen Pflegedienste regelmäßig auf das Coronavirus getestet werden – mehr dazu in noe.ORF.at.