Eine Person sitzt in einem Liegestuhl an einem See
ORF.at/Roland Winkler
Grenzöffnungen für deutsche Urlauber

Gesundheitsministerium zurückhaltend

Das Gesundheitsministerium reagiert zurückhaltend auf den Vorstoß von Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP), die Grenzen für deutsche Sommerurlauberinnen und Sommerurlauber zu öffnen. „Der Wunsch nach einer Möglichkeit für Tourismus ist nachvollziehbar, allerdings abhängig von der Entwicklung der Corona-Pandemie in Österreich und international“, sagte eine Sprecherin am Sonntag.

„Das Gesundheitsministerium wird zu gegebener Zeit die dafür erforderlichen Rahmenbedingungen und Voraussetzungen prüfen“, hieß es in Beantwortung einer detaillierten Anfrage der APA weiter.

Die APA wollte konkret wissen, ob es für die einreisenden Urlauberinnen und Urlauber Gesundheitschecks geben wird, ob sie eine Bestätigung des Beherbergungsbetriebs vorlegen werden müssen, ob ihr Aufenthalt in Österreich zeitlich und räumlich (etwa auf ein Bundesland) begrenzt sein wird, welche Pflichten die Unterkunftgeber haben werden und ob auch eine umgehende und zwingende Repatriierung der Fremden im Fall einer Erkrankung vorgeschrieben wird, um das österreichische Gesundheitssystem zu schützen.

Deutsche und österreichische Grenzpolizisten an einem Grenzübergang
APA/Barbara Gindl
Österreichisch-deutsche Grenze: Das Gesundheitsministerium gibt sich zurückhaltend, was Köstingers Vorstoß betrifft

„Wenn Länder auf sehr gutem Weg sind“

Köstinger hatte in einem Interview mit der „Presse am Sonntag“ gesagt, dass den Österreicherinnen und Österreichern die Einschränkungen der Reisefreiheit in den nächsten Monaten noch erhalten bleiben werden. „Wenn Länder aber auch auf einem sehr guten und positiven Weg sind, wie beispielsweise Deutschland, dann gibt es durchaus auch die Möglichkeit, dass man sich bilateral einigt“, sagte Köstinger, ohne Details anzuführen.

Einen Termin für die Entscheidung über die Grenzöffnung wollte Köstinger nicht nennen. „Es gibt keinen Stichtag, es könnte ja zu weiteren Wellen der Infektion kommen. Und dann ist nicht auszuschließen, dass wieder weitreichende Maßnahmen getroffen werden müssen. Bis es Medikamente und einen Impfstoff gibt, werden wir uns auf massive Veränderungen einstellen müssen.“

Tourismussektor drängt auf Öffnung

Der Tourismussektor drängt stark darauf, die Grenzen für deutsche Urlauber zu öffnen. Bleiben die Grenzen nämlich zu, „dann wäre der Fremdenverkehr tot“, sagte der Tourismusforscher Andreas Reiter der „Kleinen Zeitung“ (Samstag-Ausgabe). Zwei Drittel der Tourismusbetriebe des Landes könnten das Ausbleiben der wichtigsten Gästegruppe, die mehr als die Hälfte der Umsätze bringe, nicht überleben.

Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP)
APA/Helmut Fohringer
Köstinger: „Wenn Länder aber auch auf einem sehr guten und positiven Weg sind, wie beispielsweise Deutschland, dann gibt es durchaus auch die Möglichkeit, dass man sich bilateral einigt.“

Die ersten Prognosen des Tourismusexperten Oliver Fritz vom Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO), die einen Nächtigungsrückgang von 24 bis 31 Prozent in Aussicht stellen, halten Branchenkenner jedenfalls für recht „optimistisch“. Bei der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV), welche die Vier- und Fünfsternhotellerie vertritt, geht man von einem Umsatzrückgang von „im besten Fall 40 bis 60 Prozent“ aus. Das Geschäft für die heurige Sommersaison bricht größtenteils weg. „Das hat es seit dem Zweiten Weltkrieg nicht gegeben“, sagte der ÖHV-Sprecher Martin Stanits.

Die Aussagen der Ministerin sorgen bei Tirols Hoteliers für Mut und Hoffnung. Mario Gerber, Obmann der Sparte Hotellerie in der Wirtschaftskammer Tirol (WK) sprach zwar nicht klar von einer Rettung für den Tiroler Tourismus, zeigte sich aber erfreut über die Aussagen der Tourismusministerin. „Man kann ein leichtes Licht am sehr dunklen Tourismustunnel erkennen“, so Gerber – mehr dazu in tirol.ORF.at.

Drei Viertel aus dem Ausland

Da noch nicht bekannt ist, wann wieder ausländische Touristen kommen, die bisher für 75 Prozent der Übernachtungen sorgten, sollen sommerurlaubswillige Österreicher wenigstens etwas Abhilfe schaffen. Köstinger hatte bereits in der Vergangenheit an die Österreicherinnen und Österreicher appelliert, einen Heimaturlaub anzudenken, sollten sie im Sommer wegfahren wollen.

Dass heuer Ferien in der Heimat vieles retten können, hält die Chefin der Österreich Werbung (ÖW), Petra Stolba, jedoch für unwahrscheinlich. „Man sieht schon, das geht sich nicht aus.“ Hinzu komme, dass auch etwa die Hälfte der Fachkräfte in der Branche aus dem Ausland stamme. „Das Hochfahren wird entsprechend schwierig.“

Ähnlich äußerte sich die Obfrau der Bundessparte Tourismus und Freizeitwirtschaft in der Wirtschaftskammer Österreich, Petra Nocker-Schwarzenbacher. Unterm Strich erwartet sie für den Sommer für ganz Österreich „einen markanten Rückgang und spürbare Einschnitte“ für die gesamte Tourismus- und Freizeitwirtschaft.

D: Keine Anzeichen für Lockerung

Für eine Grenzöffnung müsste aber auch Deutschland mitspielen. Deutschland hat im Zuge der Pandemie eine „weltweite Reisewarnung“ ausgegeben und rät somit komplett von „nicht notwendigen und touristischen Reisen“ ab. In den Reisehinweisen des deutschen Außenministeriums heißt es mit Blick auf Österreich, dass das Robert Koch-Institut „zunächst das Bundesland Tirol und dann ganz Österreich zum Risikogebiet erklärt“ hatte. Der österreichische Tourismus hat wegen der Vorkommnisse in Ischgl, wo sich Tausende Wintersportler aus ganz Europa infiziert haben, einen massiven Imageschaden, auch und gerade im wichtigsten Herkunftsland Deutschland, erlitten.

Auch bisherige Äußerungen deuten nicht auf eine Lockerung hin. „Die Wahrscheinlichkeit, dass Urlaub in anderen Ländern im Sommer so leicht möglich ist, schätze ich aus gegenwärtiger Sicht eher als unwahrscheinlich ein“, sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) vergangenen Donnerstag.

Kurz darauf zog der Tourismusbeauftragte der deutschen Regierung in Berlin, Thomas Bareiß (CDU), nach. „Der Sommerurlaub dieses Jahr wird wahrscheinlich eher in Deutschland stattfinden“, sagte er den deutschen Zeitungen. Deutschlands Außenminister Heiko Maas (SPD) geht noch nicht so weit. „Solange es Ausgangssperren gibt in vielen Ländern, wird dort auch kein Urlaub zu machen sein“, sagte er zwar, fügte aber hinzu: „Wir werden das von Woche zu Woche entscheiden.“

„Eigenerklärung“ statt ärztliches Attest

Österreich hat das in der Coronavirus-Krise verhängte strenge Einreiseregime indessen jüngst bereits etwas gelockert. So bestätigte das Gesundheitsministerium am Donnerstag, dass sich besondere familiäre Gründe wie Besuche von Familienangehörigen bei Krankheit, von eigenen Kindern im Rahmen von Obsorgepflichten oder des Lebenspartners mittels einer „Eigenerklärung“ anführen lassen, um ohne das sonst erforderliche ärztliche Attest einreisen zu können. Das gelte auch für Personen, die ein Tier zu versorgen hätten.

NEOS will „gemeinsame europäische Lösung“

Die Oppositionspartei NEOS drängte in Reaktion auf den Köstinger-Vorstoß auf „eine gemeinsame europäische Lösung für den Tourismus“. „Wenn jedes Mitglied der Europäischen Union seine eigenen Regeln aufstellt, dann droht zur aktuellen Krise auch noch ein völliges Sommerchaos“, schrieb die Europaabgeordnete Claudia Gamon am Sonntag in einer Aussendung.

Man müsse weiterhin für die Errungenschaft der Reisefreiheit der Europäer kämpfen, so Gamon. „Dass es in der jetzigen Situation ein kontrolliertes Vorgehen braucht, ist vollkommen verständlich, nur kann dieses Vorgehen nur ein europäisches sein.“