Menschenleere Paseo de la Castellana, Madrid
AP/Manu Fernandez
Ausgangssperre in Spanien

Ruf nach Lockerungen wird lauter

In Spanien gelten besonders strenge Beschränkungen zur Eindämmung des Coronavirus. Diese sollen nun nochmals verlängert werden. Der Unmut darüber nimmt zu, die Rufe nach Lockerungen werden lauter.

Die knapp 47 Millionen Spanierinnen und Spanier dürfen seit 14. März nur in wenigen Ausnahmefällen aus dem Haus – in erster Linie um zur Arbeit oder zum Arzt zu fahren oder um Einkäufe zu tätigen. Spaziergänge und Sport im Freien sind unterdessen – anders als in anderen Ländern – strikt untersagt. Das soll bis zum 9. Mai auch so bleiben.

Ministerpräsident Pedro Sanchez kündigte am späten Samstagabend eine Verlängerung des Notstands und der sehr strikten Ausgangssperre um weitere zwei Wochen an. In einer Rede an die Nation äußerte der sozialistische Politiker derweil auch die Absicht, dass zumindest für Kinder die Regelungen Ende April etwas gelockert werden sollen. Vom 27. April an sollen sie in „begrenztem“ Umfang Zeit im Freien verbringen dürfen.

„Befreit unsere Kinder!“

Die Kritik an Sanchez wurde prompt lauter – vor allem mit Blick auf die Kinder. Nur in Italien herrschen ähnlich rigorose Regeln. „Spanien ist das letzte Land Europas, das das Ende der Ausgehsperre bekanntgibt“, titelte am Sonntag die Zeitung „El Mundo“. In einem Leitartikel hieß es: „Sanchez hat immer noch keinen Plan.“ Barcelonas Bürgermeisterin Ada Colau, selbst Mutter von zwei neun und drei Jahre alten Kindern, forderte auf Facebook: „Befreit unsere Kinder!“ Wie andere klagte auch sie, man dürfe mit dem Hund Gassi gehen, aber nicht mit den Kleinen an die frische Luft.

Die Verlängerung des sogenannten Alarmzustandes, der dritthöchsten Notstandsstufe des Landes, muss vom Parlament in Madrid noch gebilligt werden. Es wird dafür jedoch wieder eine Unterstützung von Teilen der Opposition erwartet. Sanchez sagte, man mache langsame und konstante Fortschritte im Kampf gegen das Virus. „Wir sehen am Horizont einen langsamen Marsch in Richtung einer neuen Normalität.“ Aber für generelle Lockerungen sei es noch zu früh, betonte Sanchez. Gegebenenfalls werde man diese Maßnahmen auf die Entwicklung der Pandemie in den verschiedenen Regionen des Landes anpassen.

Zahl der Todesfälle sinkt

Die strikte Ausgangssperre trägt von Santander bis Sevilla, von Bilbao bis Barcelona derweil offenbar Früchte. Binnen 24 Stunden seien nur 410 infizierte Menschen gestorben, teilte das Gesundheitsministerium am Sonntag mit. Das ist niedrigste Zahl seit dem 22. März. Am Vortag hatte es 155 Todesfälle mehr gegeben. Zu den Hochzeiten der Infektionswelle in Spanien Anfang April waren an einem Tag 950 Todesfälle registriert worden.

Frau mit Mundschutz geht auf einem leeren Platzin Barcelona mit ihren beiden Hunden spazieren
AP/Emilio Morenatti
Eine einsame Spaziergängerin auf einem Platz in Barcelona

Spanien ist nach den USA und Italien das am drittstärksten von der Pandemie betroffene Land der Welt. Mit den neuen Todesfällen stieg die Gesamtzahl der Menschen, die in Spanien an Covid-19 starben, auf 20.453. Die offiziellen Opferzahlen sind in Spanien jedoch umstritten: Um die Statistiken der verschiedenen Regionen zu vereinheitlichen, erfasst das Gesundheitsministerium nur noch die Todesfälle positiv getesteter Patienten. Mehrere Regionen kritisieren, dass Tausende Todesfälle auf diese Weise nicht in der nationalen Statistik auftauchten.

Spaniens Ministerpräsident Pedro Sanchez
Reuters/Ballesteros
Regierungschef Pedro Sanchez will die strenge Ausgangssperre um weitere zwei Wochen verlängern

Die Zahl der Infektionsfälle stieg um gut 4.000 auf rund 196.000. Die stetig abnehmende Zuwachsrate der Ansteckungen blieb mit gut zwei Prozent vergleichsweise niedrig. Im März waren Anstiege um über 20 Prozent verzeichnet worden. Die Entwicklung sei vor allem wegen der Tatsache bemerkenswert, dass immer mehr getestet werde, sagte der Chef der Behörde für Gesundheitliche Notfälle, Fernando Simon. Damit werden auch mehr Fälle erkannt. Die Zahl der in Labors durchgeführten PCR-Tests sei von 200.000 pro Woche Ende März auf zuletzt 400.000 geklettert.

Neidischer Blick nach Portugal

Ein Blick über die Grenze nach Portugal dürfte viele Spanierinnen und Spanier indes neidisch stimmen. Ministerpräsident Antonio Costa kündigte dort am Wochenende eine Lockerung der Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie nach Ende des Ausnahmezustands am 2. Mai an. Die Abschwächung der Regeln wolle er am 30. April bekanntgeben, sagte Costa im Interview der Wochenendzeitung „Expresso“.

Unter anderem werde eine Öffnung des Einzelhandels, von Friseurläden und Kindergärten in Erwägung gezogen. Auch Restaurants und Cafes sowie Kinos und andere Kultureinrichtungen könnten noch vor dem Sommer wieder öffnen. Im Gespräch mit „Expresso“ stellte Costa außerdem eine Öffnung der Strände im Sommer zumindest für die Einheimischen in Aussicht. Man werde aber mit Sicherheit Maßnahmen zur Begrenzung der Zahl der Besucher ergreifen und eng mit den Gemeinden zusammenarbeiten müssen.

„Das Virus macht im Sommer nämlich keinen Winterschlaf“, sagte Costa. Große Ansammlungen von Menschen werde es auch in den Sommermonaten nicht geben dürfen. Der Ausnahmezustand, die zweithöchste Notstandsstufe des Landes, war am 18. März erstmals in Demokratiezeiten ausgerufen worden. Seitdem gilt für die etwa zehn Millionen Bürger eine strikte Einschränkung der Bewegungsfreiheit. In Portugal ist die Lage mit rund 20.000 Infektionsfällen und zirka 700 Toten deutlich besser als beim Nachbarn Spanien. Nach Angaben der portugiesischen Behörden wurde der Höhepunkt bei den Neuinfektionszahlen bereits Ende März erreicht.