Blick in den Plenarsaal im Rahmen einer Sitzung des Nationalrates
APA/Robert Jäger
Nationalrat

Fast zurück zur Normalität

Nachdem der Nationalrat in den vergangenen Plenarsitzungen im Eilverfahren mehr als 100 Coronavirus-Beschlüsse gefasst hat, kehrt nun langsam wieder Normalität im Hohen Haus ein. Am Mittwoch tagt die Volksvertretung in voller Besetzung. Was bleibt, ist die Kritik am Parlamentarismus in Krisenzeiten.

Weiterhin gelten auf alle Fälle die Sicherheitsvorkehrungen, wie es aus dem Parlament heißt. Die Redner und Rednerinnen werden am Mittwoch auch wieder hinter eine Plexiglasscheibe stehen. Außerdem gibt es eine „gelockerte“ Sitzordnung, das bedeutet: Ein Drittel der Abgeordneten wird auf der Besuchergalerie sitzen, zwei Drittel nehmen auf ihren Plätzen im Großen Redoutensaal in der Hofburg Platz. Der Mindestabstand von einem Meter könne so eingehalten werden, so Parlamentssprecher Karl-Heinz Grundböck zu ORF.at.

In der letzten Präsidialkonferenz habe man sich auf „stärkere Schritte zurück zur Normalität“ verständigt. Das sieht man übrigens auch an den Tagesordnungspunkte, die wieder weniger mit den Maßnahmen der Regierung zu tun haben, sondern mehr mit Anträgen, die noch vor dem Ausbruch des Virus hierzulande eingebracht wurden. Das schließt freilich nicht aus, dass der eine oder andere Antrag betreffend die Epidemie noch eingebracht wird.

Kritik an „Fantasielosigkeit“

Dass bei der Sitzung am Mittwoch wohl wieder etwas lauter debattiert wird, liegt aber nicht nur an der Anzahl der Parlamentarierinnen und Parlamentarier. Schon in der letzten Sitzung Anfang April gab es statt des oft zitierten „nationalen Schulterschlusses“ auch kritische Stimmen zu den Maßnahmen, um die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen. Den 3., 4. und 5. Covid-19-Gesetzespaketen stimmten etwa NEOS und FPÖ nicht zu – für die ersten beiden Pakete votierten alle Klubs.

Die Oppositionsparteien beklagen seit Wochen eine mangelnde Einbindung des Parlaments in Sachen Coronavirus-Gesetzgebung. Anträge von SPÖ, FPÖ und NEOS würden von den Regierungsparteien ignoriert, heißt es. ÖVP und Grüne argumentieren aber, dass Vorschläge der Opposition in ihre Gesetzesanträge einflössen. Der frühere Nationalratsabgeordnete Alfred Noll (JETZT) sprach – wohl wegen der Einstimmigkeit – von einer „Fantasielosigkeit des österreichischen Nationalrats“, wo es keinen Diskurs gebe.

Haltung zu Kritik am Parlamentarismus

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) wendet sich gegen Kritik am heimischen Parlamentarismus in Coronavirus-Zeiten.

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) sagte hingegen im der ORF-„Pressestunde“, dass der „nationale Schulterschluss“ in Krisenzeiten notwendig sei. „Wer schnell hilft, hilft doppelt“, so der ÖVP-Politiker. Jetzt kehre man aber „Stück für Stück zum normalen Parlamentarismus“ zurück, was auch bedeutet: Man reagiere nicht auf Zuruf der Regierung, sondern „die Regierung beschließt etwas“, und das werde dem Parlament zugeleitet – oder das Parlament werde eben selbst aktiv.

Debatte über Unterausschuss für Hilfspaket

Am Mittwoch dürfte die Debatte über die Einsetzung eines Unterausschuss für die Vergabe der Coronavirus-Milliardenhilfen für Unternehmen in Höhe von 38 Milliarden Euro lauter werden. Zuständig dafür ist die Covid-19-Finanzierungsagentur (COFAG), die 24 der 38 Milliarden verwaltet und eine Tochter der staatlichen Abbaumanagementgesellschaft (ABBAG) ist, die wiederum dem Finanzministerium untersteht. Vorgesehen ist auch ein COFAG-Beirat, der aber von den Oppositionsparteien boykottiert wird. Er sei zu „zahnlos“, das Konstrukt zu verwinkelt.

Rednerpult hinter einer Plexiglasscheibe
APA/Roland Schlager
Das Plexiglas bleibt, Schutzmasken können freiwillig getragen werden

ÖVP und Grüne wiesen die Kritik zum Beirat zwar zurück, gingen in den letzten Tagen aber auf die Opposition zu. Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer sprach in der „Tiroler Tageszeitung“ von einem eigenständigen Ausschuss, ÖVP-Klubobmann August Wöginger zeigte sich ebenfalls verhandlungsbereit. Viel mehr als mediale Signale habe es bisher aber nicht gegeben, hieß es am Montag aus dem SPÖ-Parlamentsklub gegenüber ORF.at. Die grüne Fraktion hingegen verwies auf Gespräche, die noch in diesen Tagen stattfänden.

Gemeinsamer Antrag fix

Ein gemeinsamer Antrag von SPÖ, FPÖ und NEOS, um einen Unterausschuss einzusetzen, sei jedenfalls fix, wie die SPÖ versicherte. Dieser sei auch schon an die Regierungsfraktionen übermittelt worden. „Die Gelder sollen nicht im Dunkeln vergeben werden“, hieß es, deshalb sei der Ausschuss – so zumindest der Plan – auch medienöffentlich. Enden soll er per Ende 2022, bis dann sollten alle Maßnahmen abgewickelt sein.

Bis dahin soll der Ausschuss aber der begleitenden parlamentarischen Kontrolle der budgetrelevanten Maßnahmen in der Coronavirus-Krise dienen, wie es im Entwurf heißt. Als budgetrelevante Maßnahmen werden die Ermächtigungen an den Finanzminister, Garantien zu übernehmen, der Härtefallfonds und die Maßnahmen der ABBAG/COFAG für Großunternehmen bezeichnet. Da die Geschäftsordnung geändert werden muss, braucht der Antrag eine erste Lesung – die am Mittwoch stattfinden wird.

Am Dienstag gab SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner bekannt, dass auch die Verfassung geändert werden soll. Der Nationalrat soll mit der Mitwirkung an der Vollziehung der Covid-19-Maßnahmen betraut werden, die Mitglieder bekommen Kontrollrechte. Dass man dies nun per Gesetzesantrag versuche, begründetet Vizeklubchef Jörg Leichtfried damit, dass alle bisherigen Versuche trotz „öffentlicher Gutheißerei“ der Regierung bisher gescheitert seien.