US-Präsident Donald Trump
Reuters/Leah Millis
USA

Wahlkampf prägt Trumps Coronavirus-Politik

Eine Rückkehr aus dem Coronavirus-Ausnahmezustand – die USA gelten derzeit als eines der am stärksten betroffenen Länder der Welt – in die Normalität ist für US-Präsident Donald Trump und seine Wiederwahl im November enorm wichtig. Trump braucht dazu auch gute Wirtschaftsdaten, deshalb soll diese so schnell wie möglich wieder hochgefahren werden. Des Weiteren fußt sein permanenter Wahlkampf neben seinen Tweets auf Massenveranstaltungen etwa in Stadien – was in Zeiten des „Social Distancing“ eigentlich nicht möglich ist.

Ersatz für diesen potenziellen Aufmerksamkeitsverlust ist gefragt. Trump will als Held aus der Coronavirus-Krise hervorgehen, und die Anerkennung soll sich bei der Wahl im Herbst niederschlagen – eine Klaviatur, die der Rechtspopulist Trump zu spielen weiß. Trump wird vorgeworfen, die Krise kleingeredet zu haben. So stellte er sich denn auch gegen die von den Gouverneuren in den Bundesstaaten erlassenen Maßnahmen – wegen der Wirtschaft, wie er sagte.

Trump verteidigte auch die von ihm selbst angeheizten Proteste gegen Schutzmaßnahmen wegen der Coronavirus-Pandemie in mehreren US-Bundesstaaten und unterläuft damit selbst seinen veröffentlichten Stufenplan zur Rückkehr zur Normalität, den allerdings die Bundesstaaten selbst durchführen müssen. „Das sind großartige Menschen“, sagte Trump am Sonntagabend. „Sie haben Lagerkoller.“ Diese Menschen wollten „ihr Leben zurück“.

Trumps Wahlkampfschilder am Straßenrand in New Hampshire
Reuters/Brian Snyder
Wahlplakat für Trump in New Hampshire

Und immer wieder China als Feindbild

Auch einen Schuldigen für die Pandemie hat Trump schnell gefunden. So in den immer wiederkehrenden Attacken auf China und mit dem Gerücht, dass China das Virus in einem Labor in Wuhan „erfunden“ habe. In den USA gibt es Berichte unter Berufung auf amerikanische Geheimdiensterkenntnisse, wonach das Virus aus einem Forschungslabor in China stammen könnte. Das Virus könnte vom Institut für Virologie in Wuhan versehentlich von einem Mitarbeiter in die Stadt gebracht worden sein, was der Leiter des Instituts und die chinesische Führung bereits mehrmals zurückgewiesen haben.

Trump hatte China am Wochenende weiter für die weltweite Verbreitung verantwortlich gemacht und Konsequenzen angedroht. Dabei sei entscheidend, ob ein Fehler gemacht worden sei, der außer Kontrolle geriet, oder Absicht dahinterstand, sagte Trump. Experten gehen allerdings davon aus, dass das Virus von Fledermäusen stammt und direkt oder über ein anderes Tier als Wirt auf den Menschen übergesprungen sein könnte. Der US-Streit mit China über den Ursprung des Coronavirus geht weiter parallel zu dem seit geraumer Zeit geführten Handelskrieg der beiden Staaten.

Laufend durch eigene Experten bei WHO informiert

Auch ein Konflikt mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gilt Fachleuten als Manöver, um von durch seine Regierung verursachten Problemen in der Krise abzulenken. So kündigte Trump an, die Zahlungen an die WHO vorerst auszusetzen. Seine Regierung werde in den kommenden 60 bis 90 Tagen prüfen, welche Rolle die WHO bei der „schlechten Handhabung und Vertuschung der Ausbreitung des Coronavirus“ gespielt habe. So lange lägen die Zahlungen auf Eis.

Wie die „Washington Post“ am Sonntag berichtete, erhielt
die US-Regierung jedoch von mehreren eigenen Experten bei der WHO laufend Informationen zur Coronavirus-Lage in China. Hochrangige, von Trump ernannte US-Gesundheitsbeamte hätten „regelmäßig auf den höchsten Ebenen“ mit WHO-Vertretern beraten, als sich die Krise entfaltete, berichtete die Zeitung unter Berufung auf ungenannte internationale und US-Beamte.

Donald Trum und Mike Pence verfolgen eine Pressekonferenz des Gouverneurs von New York im Fernsehen
APA/AFP/Jim Watson
Eine Rede des Gouverneurs des Bundesstaates New York, Andrew Cuomo, wird von Trump und seinem Vizepräsidenten Mike Pence via Bildschirm verfolgt

Ablenkung von geharnischtem Streit mit Gouverneuren

Das ganze Hinhacken von Trump auf die WHO soll laut Politexperten und -expertinnen offenbar von der US-Innenpolitik ablenken. Einige Gouverneure haben – teils gegen Trumps Willen – Maßnahmen ähnlich wie in europäischen Ländern für ihre Bundesstaaten beschlossen.

Trump muss allerdings vorgeben, das Heft des Handelns in der Hand zu haben, um vor seinen Anhängern gute Figur zu machen und als starker Präsident dazustehen. Trumps Behauptung, der US-Präsident besitze „absolute Machtbefugnisse“, hatte für Empörung bei den Gouverneuren gesorgt. Ein geharnischter Konflikt mit Gouverneuren war die Folge. So spielte Trump nun auch den ungeliebten Ball in Sachen Testungen – es gibt zu wenige in den USA – an die Bundesstaaten weiter.

Virologe Fauci warnt vor voreiligen Schritten

Die Gouverneure „wollten bei der Öffnung völlige Kontrolle über ihre Staaten haben, aber jetzt wollen sie, dass wir, die Bundesregierung, die Tests ausführen“, sagte Trump am Sonntagabend. Tests „sollten eine lokale Angelegenheit“ sein. Sowohl republikanische als auch demokratische Gouverneure beklagen einen Mangel an flächendeckenden Tests, die Voraussetzung für die von Trump angestrebte schrittweise Wiederöffnung der Wirtschaft sind.

In der Debatte über die Rückkehr zum Normalbetrieb warnte der Virologe und Präsidentenberater Anthony Fauci am Montag vor voreiligen Schritten. „So schmerzhaft es auch ist“, man müsse sich an die vorsichtigen Richtlinien für eine schrittweise Wiederöffnung halten, sagte Fauci dem US-Sender ABC. „Wenn wir das Virus nicht unter Kontrolle bringen, wird die wirkliche wirtschaftliche Erholung nicht stattfinden.“

Trump-Namenszug auf Notschecks

Im Rahmen des Zwei-Billionen-Dollar-Hilfspakets für die US-Wirtschaft soll es auch Hilfe für ärmere US-Bürger und -Bürgerinnen geben. Auch das wird offenbar für den Wahlkampf genutzt. Denn laut „Washington Post“ hat das US-Finanzministerium angeordnet, den Namen von Trump auf die Notschecks für Millionen US-Bürger und -Bürgerinnen drucken zu lassen.

Es handle sich dabei um einen beispiellosen Schritt, schrieb die Zeitung, eine erklärte Gegnerin von Trump und immer wieder in dessen Visier, letzte Woche unter Berufung auf nicht näher genannte Mitarbeiter der US-Steuerbehörde IRS. Die Schecks müssten nun entsprechend umgearbeitet werden, hieß es weiter.

Es sei das erste Mal, dass der Name eines Präsidenten auf einer Auszahlung der IRS erscheint, so die „Washington Post“ weiter. Weder bei routinemäßigen Rückerstattungen noch bei Notschecks, die die US-Regierung in den vergangenen Jahrzehnten an Steuerzahler aushändigte, habe es so etwas gegeben. Trump sagte später, er habe seinen Namen auf den Notschecks gar nicht gefordert.

Direkter Draht zu Wählerinnen und Wählern

Rund 70 Millionen Menschen sollen in der Coronavirus-Krise als Teil des US-Konjunkturpakets einen Scheck über 1.200 US-Dollar bekommen, pro Kind soll es zusätzlich 500 US-Dollar geben. Diese Direkthilfen an Steuerzahler gehören zum mehr als zwei Billionen Dollar schweren Paket der US-Regierung, das dem Einbruch der Wirtschaft entgegenwirken soll.

Die „Washington Post“ wertete die Entscheidung als ein weiteres Zeichen dafür, dass Trump versuche, die Anerkennung für Coronavirus-Hilfen für sich zu beanspruchen. Gut sechs Monate vor der Präsidentschaftswahl und mit einem pandemiebedingt pausierenden Wahlkampf böten ihm die Schecks die Möglichkeit, direkt mit Wählern und Wählerinnen in Kontakt zu treten.

Einwanderungsstopp angekündigt

Trump kündigte via Twitter an, er werde jegliche Einwanderung in die USA zeitweise aussetzen. Er werde einen dahingehenden Erlass unterzeichnen, schrieb er am Montagabend. Er begründete das mit Blick auf die Pandemie und dem „Angriff des unsichtbaren Feindes“ und der Notwendigkeit, „Jobs unserer großartigen amerikanischen Staatsbürger“ zu schützen.

Trumps Tweet enthielt keine weiteren Einzelheiten. Es blieb daher unklar, welche Formen der Einwanderung beziehungsweise welche Visa davon betroffen sein sollten. Auch der Zeitraum des Erlasses – ab wann und bis wann – blieb unklar. Zudem blieb die rechtliche Grundlage – deren Überprüfung sicher schon bald US-Gerichte beschäftigen dürfte – ebenfalls offen.