Die Ankündigung der vom Populisten Babis geführten Koalition, nicht nur die Ausgangsbeschränkungen zu lockern, sondern auch die De-facto-Grenzsperren aufzuheben, haben letzte Woche für Überraschung gesorgt.
Immerhin hatte Prag bereits im Jänner die Visavergabe an Chinesinnen und Chinesen wegen der vor allem in der Provinz Wuhan grassierenden Epidemie gestoppt. Die Schulen wurden etwa eine Woche vor Österreich geschlossen und schließlich formell ein Ausnahmezustand verhängt.
Deutlicher weniger Tote als Österreich
Die drakonischen Maßnahmen wurden wochenlang von der Bevölkerung fast einhellig begrüßt – und sie haben dazu geführt, dass es – in Relation zur Bevölkerungsgröße – deutlich weniger Infektionen und vor allem Todesfälle gibt als in anderen Ländern. Mit 200 Toten hat das 10,7 Millionen Einwohner zählende Land auch drastisch weniger Covid-19-Tote zu beklagen als Österreich mit weit mehr als 500 Toten.
„Die Reaktion der tschechischen Regierung war hart, besonders wenn man sie mit Ländern wie Schweden vergleicht“, so Pavel Havlicek vom Prager Thinktank International Affairs gegenüber der auf Ost- und Südosteuropa spezialisierten Nachrichtenwebsite Balkan Insight. Nun werde versucht, „die Sorge um die Sicherheit der Bevölkerung mit der wirtschaftlichen Erholung unter einen Hut zu bringen“.
Viel Eigenlob
Die tschechische Regierung lobte sich in den Wochen wiederholt selbst: Man habe rasch und entschlossen gehandelt. Und zum Beweis wurde auf andere Länder verwiesen, die erst später Maßnahmen ergriffen. Havlicek sieht das mit mehr Distanz: „Babis will der Erste sein und er hat viel Aufmerksamkeit der internationalen Medien dafür erhalten.“ Der Plan zur Lockerung der Pandemiemaßnahmen sei „überhastet“ präsentiert worden.
Babis reagierte nicht zuletzt auf Druck der Opposition. Petr Fiala, Chef der konservativen ODS, hatte wenige Tage vor der Ankündigung der Grenzöffnung durch die Regierung genau das gefordert und eine Beschwerde beim Gericht angekündigt. Das Gericht hob schließlich die Ausgangsbeschränkungen aufgrund von Formalfehlern auf – daraufhin gab die Regierung die Aufhebung unmittelbar bekannt.
Kritische Stimmen im Land verweisen dagegen darauf, dass die Lockerungen bekanntgegeben wurden, bevor die Regierung selbst diese beschlossen hatte. Außerdem fehle es an Details, und der Plan sei nicht durchdacht, so die Kritik. Und Fiala kritisierte, der präsentierte Fahrplan werfe mehr Fragen auf, als er beantworte.
Grundlage für die Lockerung ist zudem eine Coronavirus-App, die es bisher aber nicht gibt. Und auch das Testen soll ausgeweitet werden – der Plan dafür steht aber noch nicht.
Höhenflug in Umfragen
Politisch macht sich für Babis sein hartes Vorgehen gegen das Coronavirus derzeit jedenfalls bezahlt: Der Abwärtstrend für seine Partei ANO 2011 hat sich gedreht und sie legte in den letzten Wochen deutlich zu. Die Umfragewerte des Multimilliardärs Babis hatten zuvor vor allem unter den seit Jahren bestehenden Betrugsvorwüfen gelitten. Erst im Jänner war die EU-Kommission in einer Überprüfung zum Schluss gekommen, Babis habe widerrechtlich EU-Agrarförderungen kassiert.
Dazu kam Aufregung über einen Vorschlag von Verteidigungsminister Lubomir Metnar, im Falle eines – pandemiebedingten – Ausfalls des Parlaments solle der Regierungschef alle Vollmachten erhalten. Der Vorschlag wurde zu dem Zeiptunkt, an dem in Ungarn Ministerpräsident Viktor Orban sich vom Parlament dessen Selbstausschaltung bestätigen ließ, publik und sorgte bei der Opposition für Sorgen, Babis könnte – ähnlich wie Orban und die polnische Regierungspartei PiS – die Krise zur Schwächung der Demokratie nützen.
Zweite Messlatte für Erfolg
Abzuwarten bleibt jedenfalls, wie sich die Situation nach der Lockerung entwickelt. Klar ist, dass auch in Tschechien der Druck der Wirtschaft zuletzt stark gestiegen ist. Tschechien, das nicht Teil der Euro-Zone ist, hat eine stark exportorientierte Wirtschaft und hängt vor allem von Bestellungen der deutschen Industrie ab.
Die Kfz-Zulieferindustrie ist ein besonders wichtiges Standbein. Angesichts der düsteren Prognosen einer starken weltweiten Rezession könnte es für Tschechien schwierig sein, hier die Beine rasch wieder auf den Boden zu bekommen. Anzunehmen ist, dass ein erfolgreicher Neustart der Wirtschaft – nach der dauerhaften Eindämmung der Pandemie – die zweite Messlatte für den Erfolg der Regierung sein wird.