Nationalratsabgeordnete im Nationalrat
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Demos, Veranstaltungen

Teilnahme soll neu geregelt werden

Nach der doch lauten Kritik haben die Regierungsparteien ÖVP und Grüne die geplante Reform des Epidemiegesetzes konkretisiert. Die „Stopp Corona“-App wird ebenso wie die Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe nicht Bedingung für die Teilnahme an Veranstaltungen oder Demonstrationen sein. Das stellte die Koalition am Dienstag mit einem Abänderungsantrag klar.

Veranstaltungen, die ein Zusammenströmen größerer Menschenmengen mit sich bringen, können gemäß der Novelle untersagt, an die Einhaltung bestimmter Voraussetzungen oder Auflagen gebunden oder auf bestimmte Personen- und Berufsgruppen beschränkt werden. Beispielhaft in den Erläuterungen zum neuen Gesetzestext angeführt wird eine Beschränkung auf Mitglieder einer veranstaltenden Einrichtung, bestimmte Berufsgruppen wie etwa Spitzensportler und Spitzensportlerinnen.

Angeführt als mögliche Voraussetzungen werden Vorgaben zu Abstandsregeln, Verpflichtungen zum Tragen einer mechanischen Mund-Nasen-Schutzvorrichtung (MNS), eine Beschränkung der Teilnehmerzahl sowie Anforderungen an das Vorhandensein und die Nutzung von Sanitäreinrichtungen sowie Desinfektionsmitteln. Ausgeschlossen als Kriterien werden neben der Verwendung von Contact-Tracing-Technologie ein Abstellen auf Coronavirus-Risikogruppen, Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Alter, Religion, Weltanschauung und sexuelle Orientierung.

ÖVP und Grüne lehnten Begutachtung ab

Die Novelle soll am Dienstag im Nationalrat beschlossen werden. Die Änderung des Epidemiegesetzes, die ohne Ankündigung im Gesundheitsausschuss von ÖVP und Grünen beschlossen wurde, schlug zuletzt hohen Wellen. Die Opposition kritisierte, dass die Bestimmung, die künftig erlaubt, Veranstaltungen auf „bestimmte Personengruppen“ zu beschränken, bedeute: Andere Personengruppen, etwa CoV-Risikogruppen und Personen, die keine App installiert haben, werden ausgeschlossen.

Epidemiegesetz
Parlament
Laut Entwurf soll es künftig möglich sein, Veranstaltungen auf „bestimmte Personengruppe“ zu beschränken

Die Opposition brachte im Ausschuss einen Begutachtungsantrag ein, ÖVP und Grüne stimmten wegen Zeitdrucks dagegen. Allerdings wurde von den Koalitionsfraktionen betont, dass man sich die Bestimmung nochmals ansehe. Zuvor hatte bereits das Gesundheitsministerium versucht zu kalmieren. Mit dem Antrag werde es keinen verpflichtenden Einsatz von Software, um die Bewegung der Bevölkerung nachverfolgen zu können, durchsetzen. Gedacht sei vielmehr an die Begrenzung von Veranstaltungen auf Vereinsmitglieder oder Sportler und Sportlerinnen.

Veto durch Bundesrat möglich

Die Konkretisierung des Antrags wird von der SPÖ aber abgelehnt. Der stellvertretende Klubchef Jörg Leichtfried lehnte ein Blitzverfahren für dermaßen weitreichende Grundrechtseingriffe ab. Er blieb damit bei seinem Rückverweisungsantrag an den zuständigen Ausschuss und will dort eine Begutachtung durchführen lassen.

Ob das bedeutet, dass die SPÖ bei einem Beschluss am Dienstag im Nationalrat gemeinsam mit der FPÖ im Bundesrat ein Veto erzwingen will, womit sich das Inkrafttreten deutlich verzögern könnte, wollte Leichtfried nicht sagen. Er geht aber davon aus, dass die Sozialdemokraten ihr Abstimmungsverhalten auch in der Länderkammer nicht verändern, sollten nicht weitere Änderungen vorgenommen werden.

Kritik an Maßnahmen der Regierung

Die Coronavirus-Hilfe für Österreichs Wirtschaft prägte am Dienstag den Beginn der Nationalratssitzung. Während vor allem die ÖVP das verteidigte und die Rückkehr auf die „Erfolgsspur“ in Aussicht stellte, übte die Opposition Kritik. Zu wenig und zu bürokratisch sei das alles, lautete der Vorwurf. „Auch wenn der Tunnel länger ist, als wir gemeinsam wünschen, es gibt ein Licht am Ende des Tunnels“, sagte Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP). Aufgabe sei es, die Voraussetzungen zu schaffen, die den Unternehmen wieder Umsätze aus eigener Kraft und damit ein „rot-weiß-rotes Comeback“ ermöglichten.

Gesundheitsminister Anschober und Arbeitsministerin Schramböck auf der Regierungsbank
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Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) und Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP) nahmen an der Debatte teil

Dem guten Zuspruch für Wirtschaft und Industrie widmete sich auch der dafür zuständige ÖVP-Bereichssprecher Peter Haubner. „Täler der Tränen“ habe man bereits mehrfach durchschritten, mit Zusammenhalt und gemeinsamen Lösungen – unter anderem durch Stundungs-, Haftungs- und Garantiepakete – werde man das auch diesmal schaffen. Hier werde der Staat gebraucht, nach der Krise müsse er sich dann aber wieder auf seine Kernaufgaben zurückziehen.

Deutlich weniger zufrieden zeigte sich die Opposition. FPÖ-Mandatar Erwin Angerer sprach von „monatelangem schwarz-grünem Corona-Wahnsinn“ und einem „Schuss ins Herz“ der heimischen Unternehmen. „Das Einzige, was Sie in den letzten Wochen gemacht haben, ist Angst geschürt.“ Die Firmen würden hängen gelassen, ständig müsse nachgebessert werden. „Wenn einem Unternehmen das Wasser bis daher steht, braucht er nicht einen Schirm, da braucht er einen Rettungsring“, so Angerer. Das beste Konjunkturpaket wäre aus seiner Sicht ein 1.000-Euro-Gutschein für jeden Österreicher.

NEOS: „Bürokratiedschungel“

Auch NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger unterstrich, dass eine „Politik der Angst oder mit der Angst“ nicht angebracht sei. Bei der Wirtschaftshilfe der Regierung vermisste sie Gewissenhaftigkeit und Praxistauglichkeit. Stattdessen würden die Unternehmen in einem „Bürokratiedschungel, der seinesgleichen sucht“, alleingelassen und müssten sich die Krisenhilfe selbst zahlen.

Für kluge Investitionen und gemeinsame, nachvollziehbare und transparente Entscheidungen sprach sich auch SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner aus. Die Selbstregulationskräfte der Wirtschaft zog sie in Zweifel. „Es ist der Staat, nicht der freie Markt, der genau in dieser größten Jahrhundertkrise den Menschen und den Unternehmern Schutz und Sicherheit gibt vor dem Fall ins Nichts, gesundheitlich, sozial und wirtschaftlich.“

Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer nannte als Priorität, die Menschen jetzt vor Arbeitslosigkeit und Armut zu schützen. Längerfristig brauche es ein radikales Umdenken. „Sichere Arbeitsplätze und nachhaltiges Wirtschaften sind zwei Bereiche, die verknüpft werden müssen“, sagte Maurer. Es brauche Investitionen, um Klima und Umwelt abzusichern.

Sozialgesetze beschlossen

Der Nationalrat beschloss Dienstagnachmittag in einer Blockabstimmung etliche Sozialgesetze in Zusammenhang mit der Krise. Darunter fallen die vorübergehende Anhebung der Notstandshilfe sowie die Risikogruppen für eine Covid-19-Erkrankung. Letztere Novelle, die gegen die Stimmen von NEOS angenommen wurde, schafft die Rahmenbedingungen dafür, dass Menschen, die besonders gefährdet sind, zu Hause bleiben können, wenn weder Homeoffice möglich ist noch spezielle Schutzvorkehrungen.

Klargestellt wird etwa, dass diese Ausnahme im Gegensatz zu den ursprünglichen Plänen auch für Mitarbeiter von Branchen der kritischen Infrastruktur und für geringfügig Beschäftigte gilt. Stellt der Dienstgeber Personen aus der Risikogruppe frei, sind ihm neben dem Entgelt und anteiligen Sonderzahlungen sämtliche Lohnnebenkosten zu ersetzen. Neben der Risikogruppenfrage wird in der Novelle klargestellt, dass befristete Pensionen, Kranken- sowie Rehabilitationsgeld weiterhin bezogen werden können, wenn die an sich vorgesehene Überprüfung, ob der Status noch gerechtfertigt ist, wegen der Coronavirus-Krise nicht vorgenommen werden kann.

Ebenfalls beschlossen wurde gegen die Stimmen von NEOS, dass die Notstandshilfe schon rückwirkend mit Mitte März und nicht wie ursprünglich geplant ab Mai auf die Höhe des Arbeitslosengeldes aufgestockt wird. Ein weiterer Beschluss betraf den Härtefallfonds, in den nun auch Personen aufgenommen werden, die mit mehreren geringfügigen Einkommen über die Geringfügigkeitsgrenze kommen. Zustimmung kam von Koalition und FPÖ.

Gesetze womöglich nicht vor Anfang Mai

Schließlich wurden noch mit Unterstützung von NEOS 600.000 Euro aus dem Krisenbewältigungsfonds zur Verfügung gestellt, damit der Anerkennungsfonds für freiwilliges Engagement auch Aktivitäten und Initiativen fördern kann, die zur Bewältigung der Coronavirus-Krise geleistet wurden.

Ob all diese Gesetze schon bald wirksam werden, entscheidet letztlich der Bundesrat. Da diese Woche keine Sondersitzung zustande kommen dürfte, ist ein Inkrafttreten mit Anfang Mai fürs Erste nicht möglich, da die nächste Sitzung der Länderkammer erst für den 7. Mai angesetzt ist. Dort könnten SPÖ und FPÖ ein Veto einbringen, das allerdings später vom Nationalrat per Beharrungsbeschluss wieder überstimmt werden könnte.

Parlament verhängt Einschränkung für Fotografen

Das Parlament schränkte mit Dienstag die Arbeitsbedingungen für Fotografen ein. Sie dürfen auf der Galerie nur noch seitlich von einem schmalen Pressebereich, wo üblicherweise bloß Fernsehkameras aufgestellt sind, ihre Fotos machen. Dadurch sind die üblichen frontalen Bilder von Regierungsbank und Rednerpult nicht mehr möglich. Als Grund gab die Parlamentsdirektion u. a. Beschwerden von Abgeordneten über Journalisten auf der Galerie an.

Hintergrund: Wegen der Sicherheitsmaßnahmen in der Krise sitzt derzeit rund ein Drittel der Abgeordneten auf der Galerie, die sonst für Besucher und Journalisten reserviert ist. Um den nötigen Abstand zwischen Medienvertretern und Mandataren herzustellen, wurde nun die Einschränkung der Arbeitsmöglichkeiten für die Fotografen vollzogen.