Epidemiegesetz: Befragte Juristen haben keine Bedenken

Die Änderung des Epidemiegesetzes infolge der Coronavirus-Krise ist nach Ansicht mehrerer Juristinnen und Juristen verfassungskonform. Das Gesundheitsministerium hatte nach dem Nationalrat die Expertenmeinung von Rechtswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern sowie NGOs eingeholt. Der Tenor: Die Bestimmungen, unter welchen Voraussetzungen Veranstaltungen oder Demonstrationen künftig stattfinden dürfen, stellten eine Verbesserung des Gesetzes dar.

„Insgesamt stellt die Neufassung in rechtsstaatlicher und grundrechtlicher Hinsicht einen erheblichen Fortschritt zur geltenden Fassung dar“, so der Verfassungsrechtler Heinz Mayer. Die Novellierung entspreche den verfassungsrechtlichen Erfordernissen, schreibt sein Kollege Bernd-Christian Funk. Auf Bewegungsfreiheit, Privatleben, freie Religionsausübung, Meinungsfreiheit, Vereins- und Versammlungsfreiheit werde Rücksicht genommen.

Auch der ehemalige Präsident des Verwaltungsgerichtshofs, Clemens Jabloner, zeigte sich „grundsätzlich zustimmend und einverstanden“. Christian Kopetzki, Leiter der Abteilung für Medizinrecht an der Uni Wien, befindet in seiner Stellungnahme: „Gegen die beschlossene Fassung des Paragrafen 15 Epidemiegesetz habe ich keine Einwände, weder aus rechtspolitischer noch aus verfassungsrechtlicher Sicht.“

Zustimmung auch von Amnesty International

Christiane Wendehorst, Professorin für Zivilrecht an der Uni Wien, hält die Neufassung ebenfalls für „inhaltlich begrüßenswert und der Klarheit jedenfalls dienlich“. Ganz im Sinne des Verhältnismäßigkeitsprinzips werde nun eindeutig zum Ausdruck gebracht, „dass die Maßnahmen, im Vergleich zur Untersagung, das mildere Mittel darstellen“. „Verfassungsrechtlich unbedenklich“ ist die Regelung auch für Andreas Janko und Michael Mayrhofer von der Johannes-Kepler-Universität.

Zustimmung kommt auch von Heinz Patzelt, dem Generalsekretär von Amnesty International Österreich. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das Diskriminierungsverbot seien berücksichtigt worden, meinte er. Statt eines Totalverbots gebe es nun eine Regelung, die Versammlungen und Veranstaltungen, wenn auch unter Auflagen, ermöglicht. „Eine begrüßenswerte Verbesserung! Wir fordern außerdem eine verhältnismäßige Umsetzung durch die Behörden.“

Kritik der SPÖ

Der Nationalrat hatte mit den Stimmen der Regierungsfraktionen ÖVP und Grüne am Dienstag Änderungen des Epidemiegesetzes beschlossen. Die Opposition ging bei diesem Vorhaben nicht mit. Die Novelle legt fest, unter welchen Voraussetzungen – etwa Abstandregeln und Mund-Nasen-Schutz-Pflicht – Veranstaltungen und Demonstrationen künftig stattfinden dürfen. Auch bestimmte Personengruppen können ausgeschlossen werden.

Lautstarke Kritik war vor allem von der SPÖ gekommen. Das Gesetz beinhalte schwerwiegende Eingriffe in die Versammlungsfreiheit und sei somit verfassungswidrig, hatte deren Vizeklubchef Jörg Leichtfried am Tag vor der Abstimmung gewarnt. Es handle sich um ein „verpfuschtes Gesetz“.

Grüne erfreut über breite Zustimmung

Die Grünen freuen sich unterdessen über die breite Zustimmung. „Wir nehmen uns ehrliche Kritik immer zu Herzen und sind daher auch grundsätzlich offen für Verbesserungsvorschläge. Wir haben zuerst zugehört und dann entsprechend gehandelt. Das verstehe ich unter gelebter Demokratie“, sagte die Justiz- und Verfassungssprecherin der Grünen, Agnes Sirkka Prammer.

Umso unverständlicher wäre es laut Prammer, wenn die SPÖ trotz der allseits gelobten Verbesserung in ihrer Fundamentalopposition zum Epidemiegesetz verharre und sich im Bundesrat dagegen aussprechen würde.

„Denken Sie in dieser für alle schwierigen Situation zuerst an das Wohl der Menschen in Österreich und nicht, wie Sie Ihre politische Sichtbarkeit erhöhen können“, appellierte Prammer an die SPÖ.