Blick auf die Zugspitze
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Warten auf Antworten

Tirol kommt nicht zur Ruhe

Nachdem das Nachrichtenmagazin „profil“ am Montag berichtet hatte, dass Island Tirol über zurückgekehrte Coronavirus-Infizierte sehr genau informiert hatte, hat die Causa am Dienstag weiter an Fahrt aufgenommen. Während Tirol für baldige Antworten auf die Expertenkommission verwies, liegt der Staatsanwaltschaft nun ein Zwischenbericht vor. Unterdessen wurden weitere Lockerungen zur Einreise aus dem Ausland bekannt.

Wie das Magazin schrieb, sei in den Ischgler Hotels, in denen die mit dem Coronavirus infizierten 14 Personen aus Island genächtigt hatten, kaum getestet worden, obwohl die Verantwortlichen Bescheid wussten. Während die Tiroler Landesparteien zur Aufklärung ihre Expertenkommission bis Donnerstag zusammengestellt haben wollen, bestätigte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) die Inhalte entsprechender Medienberichte vom Vortag.

„Nach meinem Informationsstand ist der Bericht des ‚profil‘ korrekt“, sagte Anschober am Dienstag bei einer Pressekonferenz. Er bat aber um Geduld: „Ich finde es gut, dass in Tirol eine Untersuchungskommission Transparenz schaffen wird und eruieren wird, ob es Fehler gegeben hat. Das sollten wir in Ruhe abwarten.“ Die Tiroler nahm der Gesundheitsminister in Schutz: „Aus Absicht kann ich mir nicht vorstellen, dass etwas unterlassen wurde."

Platter erwartet sich Aufklärung

In den betroffenen Hotels, deren Namen den Tiroler Behörden bereits seit 5. März bekannt waren, sollen nur jene Kontaktpersonen der Gäste aus Island getestet worden sein, die auch über Symptome klagten. Ende Februar wurden dagegen in einem Innsbrucker Hotel, als die österreichweit ersten Fälle auftauchten, alle Kontaktpersonen der Infizierten getestet und in Quarantäne geschickt.

Gesundheitsminister Rudolf Anschober
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Anschober kann sich keine Absicht vorstellen und wartet die Ergebnisse der Untersuchungskommission ab

Die Expertenkommission soll nun über diese Vorgänge Bericht erstatten. „Ich will sehen, wo ist etwas gut gelaufen und wo ist etwas weniger gut gelaufen“, so Platter am Dienstag bei einer Videopressekonferenz des Landes. Es soll auch beleuchtet werden, ob es Unterschiede in der Handlungsweise zwischen den jeweiligen Bezirkshauptmannschaften gegeben habe.

Staatsanwaltschaft untersucht Tiroler Coronavirus-Ausbreitungsherde

Island hat nach der Erkrankung mehrerer Tirol-Urlauber bereits am 5. März 2020 eine Reisewarnung für Tirol ausgesprochen und die Bundesregierung darüber informiert. Der Verein für Verbraucherschutz hat eine Sammelklage für rund 5.300 Skiurlauber angestrebt, die sich in Ischgl angesteckt haben.

Am Montag hatten sich die Tiroler Landesparteien darauf geeinigt, dass die Kommission aus sieben Mitgliedern bestehen soll. Damit sollen alle relevanten Fachbereiche abgedeckt werden. Laut Berichten wurden von den Parteien der ehemalige Richter Josef Geisler, der frühere Dritte Nationalratspräsident Siegfried Dillersberger (FPÖ) und der deutsche Honorarkonsul in Tirol, Dietmar Czernich, für das Gremium vorgesehen. Die Einsetzung der Kommission soll mittels Allparteienantrag im Landtag im Mai eingebracht werden. Vor dem Sommer will man die Arbeit noch aufnehmen.

FPÖ-Abgeordneter fordert Rücktritte

Ihr Urteil hinsichtlich der politischen Verantwortung schon gefällt zu haben scheint indes die Tiroler FPÖ. Landesparteichef Markus Abwerzger forderte in einer Aussendung den Rücktritt von ÖVP-Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg und Landessanitätsdirektor Franz Katzgraber. Zudem verlangte er einen Nationalratsuntersuchungsausschuss zur Covid-19-Pandemie.

SPÖ-Landesparteichef Georg Dornauer sieht Platter und Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg (ÖVP) „noch immer auf der Verantwortungsflucht“. Beide würden weiterhin keine Fehler vonseiten der Tiroler Behörden sehen, das sei „nicht länger akzeptabel“, so Dornauer in einer Aussendung. Entsprechend wichtig sei die „ehestmögliche Einsetzung einer unabhängigen Untersuchungskommission“.

Auch Liste-Fritz-Landtagsabgeordneter Markus Sint sprach sich für volle Transparenz aus und fragte: „Warum hat der Innsbrucker Stadtmagistrat, nach Bekanntwerden erster Corona-Fälle in Innsbruck am 25. Februar, so viel drastischer durchgegriffen, als es die Bezirkshauptmannschaft Landeck bei den Fällen in Ischgl getan hat?“

Der Tiroler ÖVP-Klubobmann Jakob Wolf kritisierte seinerseits „Vorverurteilungen“ durch FPÖ und SPÖ. Dornauer und Abwerzger würden damit die Arbeit der Expertenkommission konterkarieren, so Wolf in einer Aussendung. Es gehe um eine „sachliche, transparente und konstruktive Aufarbeitung aller Entscheidungen“.

1.000 Seiten starker Zwischenbericht

Nach der Einbringung einer Sachverhaltsdarstellung durch den Verbraucherschutzverein (VSV) in der Causa Ischgl liegt der Staatsanwaltschaft Innsbruck unterdessen der Zwischenbericht der Polizei vor. Er umfasse 1.000 Seiten und sei „sehr detailliert und umfangreich“, sagte Sprecher Hansjörg Mayr.

Nach der Einbringung einer Sachverhaltsdarstellung bei der Staatsanwaltschaft, weil die Tiroler Behörden die Sperren von Hotels und Pisten hinausgezögert hätten, haben sich bisher 5.380 Tirol-Urlauberinnen und -Urlauber beim VSV gemeldet. Davon kommen 65 Prozent, 3.680 Menschen, aus Deutschland, teilte VSV-Obmann Peter Kolba am Dienstag mit. Die Masse sei danach in Heimquarantäne gekommen. „Aber 2,5 Prozent kamen ins Krankenhaus oder sogar auf die Intensivstation. Inzwischen sind auch 25 Tote zu beklagen“, erklärte der VSV-Obmann.

Ortsansicht von Sölden
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Der Vorwurf der Urlauberinnen und Urlauber lautet, Tirol hätte früher reagieren müssen

In dieser Woche werde es jedenfalls ob des Umfangs keine Entscheidung mehr über die allfällige Einleitung eines offiziellen Ermittlungsverfahrens geben, so Mayr weiter. Allenfalls könne die Polizei vorher noch mit weiteren Erhebungen beauftragt werden. Indes schlossen sich laut dem Sprecher mit Stand Dienstagvormittag 321 Personen, die sich in Tiroler Skiorten mit dem Coronavirus angesteckt hatten, als Opfer dem Verfahren an – mehr dazu in tirol.ORF.at.

Bundesweit: Ausländische Jagdpächter dürfen einreisen

Weiters bestätigte das Land Tirol gegenüber ORF.at, dass trotz der bis Ende Mai aufrechten, strengen Einreisebestimmungen nach Österreich eine weitere Erleichterung in Kraft treten soll. Nicht nur für Pflegepersonal und Berufspendlerinnen und -pendler soll die Einreise nach Tirol ermöglicht werden, sondern auch für ausländische Jagdpächterinnen und -pächter. Sie müssen sich zudem weder in die 14-tätige Quarantäne begeben noch ein ärztliches Attest vorweisen, dass sie gesund sind. In Tirol gibt es 1.300 Jagdgebiete, 300 davon sind an Menschen aus dem Ausland verpachtet. Die Erleichterungen haben mit der Jagdzeit zu tun, die am 15. Mai beginnt, heißt es aus dem Landesjägerverband. Es geht darum, den vorgegebenen Abschussplan zu erfüllen – mehr dazu in tirol.ORF.at.

Die Landesregierung Tirol betonte gegenüber ORF.at allerdings, dass es sich dabei „um keine Tiroler Regelung“ handelt. Vielmehr sei vom Bundesland Vorarlberg eine entsprechende Anfrage ausgearbeitet und an den Bund gestellt worden. Dann sei die entsprechende Jagdpächterregelung vom Gesundheitsministerium an alle Landesregierungen ausgeschickt worden. Eine entsprechende E-Mail des Innenministeriums, versandt vom Staatlichen Krisen- und Katastrophenmanagement, Koordinationsstab Covid-19, liegt ORF.at vor.

In dieser heißt es wörtlich: „Die in gültigen Jagdpachtvertrag genannten Personen dürfen im Rahmen des sogenannten ‚gewerblichen Verkehrs‘ unter Vorlage einer Kopie des Jagdpachtvertrages, einer gültigen Jagdkarte und eines gültigen Reisedokuments am Grenzübergang einreisen.“ Und weiter: „Nach Rechtsauskunft des Gesundheitsministeriums kann die vom Bundesland Vorarlberg gewählte Vorgehensweise in Bezug auf ausländische Jagdpächter bundesweit zur Anwendung kommen.“ Ein Sprecher des Innenministeriums hält im Gespräch mit ORF.at fest, dass es sich um keine Verordnung des Innenministeriums handle, sondern um eine „Auslegung“ der Verordnung des Gesundheitsministeriums.

Ausnahme für Südtiroler Studierende

Auch Studierende aus Südtirol dürfen wieder nach Tirol einreisen. Sie werden künftig an der Grenze zu Österreich als „Pendler-Berufsverkehr“ erfasst. Die Einigung wurde zwischen dem Südtiroler Bildungslandesrat Philipp Achammer (SVP), ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann und Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) erzielt. Die Südtiroler Hochschülerschaft hatte zuvor eine Lösung für die davon betroffenen 6.700 Studierenden gefordert – mehr dazu in tirol.ORF.at. Der Betrieb an den österreichischen Universitäten wird in den kommenden Wochen wieder schrittweise hochgefahren.