Küste in Griechenland
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Sommerurlaub

Zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Nach wochenlangem Stillstand lockern viele Staaten die Maßnahmen gegen das Coronavirus. Für viele stellt sich nun die Frage, ob und wie der Wunsch nach einem Urlaub im Sommer Wirklichkeit werden könnte. Für die Länder wiederum sind die Einnahmen aus dem Tourismus gerade in Krisenzeiten essenziell – der Wettstreit um Reisende hat bereits begonnen.

Zwischen Österreich und Deutschland ist ein Tauziehen um die Grenzöffnungen entbrannt. „Ich werde in dieser Frage nicht lockerlassen. Österreich schafft alle Voraussetzungen für einen sicheren und schönen Urlaub“, sagte Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) der „Bild"-Zeitung. Wegen der Coronavirus-Pandemie hat Berlin eine Reisewarnung für alle Länder der Welt erlassen. Sie gilt bis 14. Juni. Einen Fahrplan für die Zeit danach gibt es noch nicht.

In der deutschen Spitzenpolitik zeigte man sich bisher zurückhaltend, was eine rasche Öffnung der Grenzen betrifft. „Reisen steht vorerst nicht auf der Agenda“, erklärte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel. Innenminister Horst Seehofer sagte: „Solange das Virus keinen Urlaub macht, müssen auch wir uns mit unseren Reiseplänen beschränken – so verständlich der Wunsch für die Menschen und die Tourismusbranche auch ist.“

Grenzkontrolle zwischen Deutschland und Österreich
APA/Barbara Gindl
Grenzkontrolle im bayrischen Freilassing: Österreich und Deutschland liefern sich derzeit ein Tauziehen um Grenzöffnungen

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder schlug Touristinnen und Touristen den Freistaat als Alternative zu Österreich vor: „Man muss nicht nach Österreich fahren. Man kann auch in Bayern Urlaub machen“, so Söder. Mittlerweile werden auch in Deutschland die Rufe nach einer baldigen Öffnung der Grenzen lauter. Mehrere Abgeordnete der Regierungspartei CDU forderten am Donnerstag ein sofortiges Ende der Grenzkontrollen.

Buhlen um Stammgäste

Zahlenmäßig sind die Deutschen die größte Gruppe unter den Touristinnen und Touristen in Österreich. 37,4 Prozent der insgesamt 79 Millionen Nächtigungen seien im Vorjahr auf Reisende aus Deutschland entfallen, meldete die Statistik Austria am Mittwoch. Vielfach sind es Stammgäste, die Jahr für Jahr ihren Urlaub in den heimischen Bergen oder an den Seen verbringen und die bereits ein Quartier gebucht oder zumindest reserviert haben. Diese Gäste zu halten ist nicht nur für die Beherbergungsbetriebe überlebenswichtig: Eine Flaute im Tourismus sei eine der größten Gefahren für die österreichische Wirtschaft insgesamt, warnte die EU-Kommission.

Die Regierung versucht daher, Druck auf Berlin aufzubauen. „Ich sehe mich hier als Verbündete der vielen deutschen Gäste, die ihren Urlaub in Österreich verbringen wollen. Unser Erfolg beim Kampf gegen das Coronavirus ist die solide Grundlage dafür, dass wir an Zukunftskonzepten für den Sommer arbeiten“, erklärte Köstinger gegenüber der „Bild“. Die schrittweise Öffnung der Grenzen „zwischen all den Ländern, die gut durch diese Krise gekommen sind und niedrige Neuinfiziertenzahlen haben,“ sei am Donnerstag auch Thema einer Videokonferenz mit mehreren europäischen Regierungschefs gewesen, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP).

Kurz hofft auf baldige Grenzöffnung

Österreich habe ein Interesse daran, die Übertritte etwa an der Grenze zu Tschechien und jener zu Deutschland zu erleichtern. „Ich hoffe auch, dass wir zu einer Lösung mit unseren Nachbarn kommen, dort, wo es sicher ist“, so Kurz offenbar in Anspielung auf die diesbezügliche Zurückhaltung in Deutschland, das im Gegensatz zu Tschechien nicht an der Videokonferenz teilnahm.

Am Freitag sagte Kurz, er sei optimistisch, dass es bald eine Einigung geben und die Grenzschließung noch vor dem Sommer enden werde. Beide Länder hätten aktuell sehr niedrige Neuinfektionszahlen. Es gebe auch „enge Gespräche“ mit der EU-Kommission, um „faire Regeln“ für die Grenzöffnungen zu schaffen, so Kurz. Eine Einigung werde es geben, „sobald Deutschland dazu bereit ist“. Der Kanzler verwies auf die starke Verzahnung der deutschen und österreichischen Industrie.

Vorsichtig positive Signale aus Deutschland

Vorsichtig positive Signale für eine Öffnung der deutschen Grenzen zumindest zu den Nachbarländern kamen vom Tourismusbeauftragten der deutschen Regierung, Thomas Bareiß. „Ich glaube, die große Fernreise fällt in diesem Sommer aus, aber das gilt nicht für den ganzen Urlaub“, so Bareiß gegenüber dem „Tagesspiegel“. „Wenn die Entwicklung bei Covid-19 so weitergeht, wird der Sommerurlaub in Deutschland stattfinden können und auch in den europäischen Nachbarländern, in denen sich die Infektionszahlen ebenfalls günstig entwickeln. Entsprechende Gespräche mit den Regierungen führen wir bereits.“

Bundesländer starten Werbekampagnen

Ob der Unsicherheiten die Reisefreiheit betreffend werben die Bundesländer in diesem Sommer verstärkt um Urlauberinnen und Urlauber aus dem eigenen Land. Die Tirol Werbung fährt unter dem Motto „Es geht bergauf“ das Marketing für den Tourismus wieder hoch. Im Mittelpunkt der Kampagne stehen Natur und Berge – mehr dazu in tirol.ORF.at. In Osttirol verzeichnet man unterdessen verstärkte Anfragen aus dem Inland. Manche Hoteliers bringt das in eine Zwickmühle, da schon deutsche Stammgäste gebucht haben, von denen man aber nicht weiß, ob sie anreisen dürfen – mehr dazu in tirol.ORF.at.

Wanderer am Untersberg
ORF.at/Christian Öser
Wandersleute auf dem Untersberg, der sich zwischen Bayern und Salzburg erstreckt (Archivbild): In den Bundesländern sind die Marketingkampagnen für den Sommertourismus bereits angelaufen

Das Land Oberösterreich startete am Mittwoch die Kampagne „Urlaub in Oberösterreich“. Mit dem stufenweisen Hochfahren der Tourismuswirtschaft solle wieder „Urlaubs- und Konsumfreude im Land“ geweckt werden, hieß es – mehr dazu in ooe.ORF.at. Am 29. Mai dürfen Hotels, Pensionen und Ferienapartments wieder aufsperren. Viele Fragen, etwa zu Hygienemaßnahmen oder der Nutzung von Wellnessbereichen, sind aber noch offen. Die Salzburger Landesregierung drängt daher auf die rasche Ausarbeitung möglichst genauer Regeln – mehr dazu in salzburg.ORF.at.

Um den notleidenden Tourismus zu unterstützen, hatte Tourismusministerin Köstinger in den vergangenen Wochen bereits mehrfach empfohlen, heuer Urlaub im eigenen Land zu machen. „Österreich bietet ein vielfältiges Angebot. Das heurige Jahr ist ein guter Zeitpunkt, die Heimat zu entdecken“, bekräftigte Köstinger am Mittwoch.

Internationaler Wettlauf

Für den Sommer geplant wird nicht nur in Österreich, sondern auch in den internationalen Urlaubsdestinationen Kroatien und Griechenland. Beide Länder konnten die Verbreitung des Coronavirus erfolgreich eindämmen. Nun wird an Konzepten für den Sommertourismus gearbeitet. Kroatien hat mit Tschechien die Einrichtung eines „Reisekorridors“ für Urlaubsgäste vereinbart. Auch mit Deutschlands Kanzlerin Merkel habe es diesbezüglich bereits Gespräche gegeben, erklärte Kroatiens Premierminister Andrej Plenkovic.

Griechenlands Reisesektor hofft ebenfalls auf eine baldige Öffnung. „Im besten Fall kann Griechenland seine Tourismusaktivitäten ab dem 1. Juli aufnehmen, und wir arbeiten daran, dieses Ziel zu erreichen“, sagte der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis. Wenn sich die Pandemie in einem Abwärtstrend befinde, könnte Griechenland Besucherinnen und Besucher unter „sehr spezifischen Auflagen“ akzeptieren, so Mitsotakis: „Nehmen wir an, dass die Leute einige Tests machen, bevor sie das Flugzeug nehmen, und dass sie genau beobachtet werden, dann könnte sich das touristische Erlebnis nur geringfügig von den Vorjahren unterscheiden.“

Auch Kroatien will tschechische Reisende nur mit ärztlichem Attest ins Land lassen. Wie praktikabel das in der Praxis ist, ist unklar. Die Quarantänebestimmungen in den einzelnen Ländern sind neben den Reisewarnungen und Grenzschließungen der derzeit größte Hemmschuh für den internationalen Tourismus. Italien will die EU zu einheitlichen Schutz- und Gesundheitsstandards für den Tourismus aufrufen. Damit sollen bilaterale Abkommen zwischen EU-Ländern im Tourismusbereich verhindert werden. „Wir wollen, dass es gesamteuropäische sanitäre Vorschriften gibt“, sagte Tourismusminister Dario Franceschini.

Tourismuseinbruch in Spanien

Ein großes Fragezeichen steht hinter der Tourismussaison in Italien, Spanien und Frankreich. Spanien verzeichnete im März wegen der Coronavirus-Krise einen Besucherrückgang von 64 Prozent. Venedig, normalerweise ein warnendes Beispiel für Übertourismus, buhlt ebenfalls verzweifelt um Gäste. „Jedem, der sich in den nächsten Monaten bewegen darf, rate ich: Kommt nach Venedig“, twitterte Bürgermeister Luigi Brugnaro.

Am Mittwoch demonstrierten die Bediensteten der Wasserbusse, der berühmten Vaporetti, gegen die Verringerung des Nahverkehrs und die Reduzierung der Passagiere an Bord aufgrund der Coronavirus-Sicherheitsvorkehrungen. Es war der zweite Protest in zwei Tagen. In Frankreich sind die Strände wegen der Pandemie derzeit geschlossen. Ein Datum für die Öffnung gibt es bisher nicht.

Reisebüros vor Pleitewelle

Die unklare Situation bei den Fernreisen setzt auch den heimischen Reisebüros zu. Der Österreichische ReiseVerband (ÖRV) warnte gegenüber Ö1 vor einer Pleitewelle. Hunderte Reisebüros und Reiseveranstalter stünden vor dem Aus. „Ein Aufsperren macht derzeit keinen Sinn“, sagte ÖRV-Präsident Josef Peterleithner. Die Arbeit, die derzeit anfällt, „kann auch bei Kurzarbeit im Homeoffice gemacht werden“.

Reisebüro in Wien
APA/Roland Schlager
Österreichs Reisebüros droht eine Pleitewelle

„Es wird storniert, es wird vielleicht umgebucht, aber es gibt so gut wie keine Neubuchungen, vereinzelt für den Winter beziehungsweise für den Sommer 2021“, berichtete der Reiseexperte. Kurzarbeit alleine rette die Branche nicht. „Weil derzeit haben die Reisebüros und Reiseveranstalter nur Ausgaben – an teuren Personalkosten, an teuren Mietkosten beziehungsweise auch durch die Rückzahlung der Anzahlungen der Kunden, die schon gebucht haben“, erklärte der ÖRV-Chef – Audio dazu in oe1.ORF.at.

„Reiseblase“ zwischen Australien und Neuseeland

In anderen Erdteilen werden ebenfalls Pläne für das Hochfahren des Tourismus nach der Krise gewälzt. Australien und Neuseeland wollen die Grenzen für die Bürgerinnen und Bürger des jeweils anderen Landes öffnen. Den Regierungen schwebt die Bildung einer „Reiseblase“ vor. Sie könnte pünktlich zum Start der Skisaison in Neuseeland im August Realität werden.

„Wenn es ein Land gibt, mit dem wir uns (nach der Krise) wiederverbinden können, dann ist das zweifellos Neuseeland“, sagte Australiens Premier Scott Morrison. Neuseelands Regierungschefin Jacinda Ardern gab sich vorsichtig: „Wir alle wünschen uns eine solche Situation“, der Fokus liege in beiden Staaten aber momentan darauf, den Coronavirus-Ausbruch so weit unter Kontrolle zu bekommen, dass eine Grenzöffnung möglich werde. Neuseeland setzte äußerst erfolgreiche Schritte gegen CoV. Sie sei nicht gewillt, die gute Position Neuseelands durch eine zu frühe Grenzöffnung zu gefährden, sagte Ardern – „nicht einmal zu Australien“.