Van der Bellen warnt vor „Rückfall in Kleinstaaterei“

„Die Europäische Einigung ist die beste Idee, die wir je hatten“, so Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Vor 25 Jahren trat Österreich der EU bei. Bei einer Jubiläumsfeier thematisierte der Bundespräsident die jüngste Erosion des Einigkeitsgedankens, zuletzt infolge der Coronavirus-Krise. Er warnte eindringlich: „Es wäre ein unverzeihlicher Fehler, in die Kleinstaaterei zurückzufallen.“

Der Bundespräsident erwähnte im Haus der Europäischen Union in Wien die „Erfolgsgeschichte“ des EU-Beitritts, der Österreich „nachweislich sehr, sehr viel gebracht“ habe. Nun stehe man mit der Coronavirus-Pandemie unter dem Eindruck einer der größten Herausforderungen der Nachkriegsgeschichte. Und sie zeige einmal mehr, dass sich solche Herausforderungen nicht innerhalb nationaler Grenzen bewältigen ließen, so Van der Bellen.

„Leider hat es am Beginn der Krise mancherorts an europäischem Geist gemangelt“, so Van der Bellen. Die Herausforderungen des Wiederaufbaus erforderten aber andere Wege: „Wie kommen wir aus der hohen Arbeitslosigkeit heraus? Wie können wir die drohende soziale Krise gut bewältigen? Welche Art von Globalisierung wollen wir nach der Pandemie?“ Und nicht zuletzt: „Wie verhindern wir die schon spürbare Klimakrise, gegen die es keine Impfung geben wird?“

Van der Bellen pocht auf gemeinsame Antworten

Auf all diese Fragen brauche man gemeinsame Antworten, so Van der Bellen. „Und das sind am besten europäische Antworten.“ Der Bundespräsident verwies auf das erste EU-Coronavirus-Hilfspaket von 540 Milliarden Euro. „Und das ist erst der Anfang. Ein zweites Paket, der ‚Recovery Fund‘, wird gerade verhandelt. Wir brauchen da möglichst ehrgeizige Lösungen.“

Abseits der zivilisatorischen Leistung der europäischen Integration erinnerte Van der Bellen aber auch daran, „dass wir nur gemeinsam zu so etwas wie einer Weltrelevanz und Weltpolitikfähigkeit finden können. Jeder einzelne europäische Staat ist zu klein, um gegenüber den großen Mächten wie USA, China oder Russland seine Interessen wahrnehmen zu können. Dazu braucht es unsere Gemeinschaft. Gerade jetzt.“ Die Europäische Union sei beileibe nicht perfekt, resümierte der Bundespräsident. „Aber wir können sie jeden Tag ein Stück besser machen.“

Karas: „Populistische Feigheit“ steht Zukunft im Weg

Othmar Karas (ÖVP), Vizepräsident des EU-Parlaments, forderte unterdessen, „dass wir die jahrhundertealten Gegensätze, Nationalismen, Schuldzuweisungen, autoritären Denkmuster, Grenzen und Vorurteile endgültig besiegen und nicht aus tagespolitischem Machtkalkül und populistischer Feigheit wieder befeuern“.

„Wir haben gemeinsam die längste Zeitspanne unserer Geschichte von Frieden in Freiheit und Wohlstand geschaffen“, so Karas in seinem Beitrag zum Jubiläumsfestakt des österreichischen EU-Beitritts. „Aber wir müssen uns weiterentwickeln.“

So habe die EU aus der Finanz- und Staatsschuldenkrise 2008 immer noch nicht alle notwendigen Konsequenzen gezogen, man habe auch in der Flüchtlingskrise 2015 „kläglich versagt bei der Suche nach einer europäischen Antwort an die Menschen, die sich auf der Flucht nach Europa befinden“.