Fidel Castro, 1960
AP/Dave Pickoff
Köche in Angst

Die Lieblingsspeisen von Diktatoren

Meist war es ein Angebot, das sie nicht ablehnen konnten. Die Angst vor ihren Arbeitgebern schwang die ganze Zeit mit: Die Köche von Diktatoren nach dem Zweiten Weltkrieg geben nun einen Einblick in die Lieblingsspeisen von Despoten wie Idi Amin, Enver Hoxha, Pol Pot und Co. Teils mit banalen Speisen, teils mit aufwendigen Menüs ließen sich die meist durch Umsturz an die Macht Gekommenen kulinarisch verwöhnen.

Massenmorde und andere Gräueltaten schlugen sich bei ihnen offenbar nicht auf den Magen, wie der polnische Journalist und Autor Witold Szablowski in seinem auf Englisch erschienen Buch „How to Feed a Dictator“ (Dt.: „Wie man einen Diktator bekocht“) schreibt. Auch schien es den Machthabern nichts auszumachen, lukullischen Genüssen zu frönen, während in ihren Ländern Armut herrschte und die Bevölkerung hungern musste. Szablowski hat dazu die Köche von Amin, Hoxha, Pol Pot und auch Fidel Castro interviewt.

Castro aß wenig Fleisch, wie seine Köche Erasmo und Flores in dem Buch schildern. Wenn doch, bevorzugte er Hammel mit Honig oder in Kokosmilch. Er mochte auch Spanferkel. Eines seiner Lieblingsgerichte war auch Huhn mit Mango. Die Gemüsesuppe seines Chefkochs soll er geliebt haben. Castro hatte auch eine Vorliebe für Eis. Laut Flores konnte er zehn Eiskugeln oder mehr bei seinem Abendessen verdrücken.

Fidel Castro, 1992
AP/Charles Tasnadi
Castro wird als Leckermaul mit großem Appetit auf Eis beschrieben

Saddam Husseins große Show beim Barbecue

Abu Ali, der Chefkoch des gestürzten und nach langer Flucht gefangenen und gehängten irakischen Diktators Saddam Hussein, erzählt, dass der Langzeitmachthaber gerne Linsensuppe und gegrillten Fisch aß. Auch Okrasuppe und Omelettes hätte der Diktator sehr gerne gehabt. Ali musste auch lernen, Fischsuppe nach Art der irakischen Stadt Tikrit zuzubereiten – von der Ehefrau des Diktators.

Saddam Hussein
Reuters
Der irakische Diktator Hussein ließ seinem Koch von seiner Ehefrau das Rezept seiner Lieblingsfischsuppe erklären

Zum Frühstück habe Hussein Eier, Fisch oder Linsen- bzw. Okrasuppe gegessen. Zu Abend seien immer sechs bis acht Speisen vorbereitet worden: Zwei Suppen, zwei Arten von Huhn, Fisch oder gegrilltem Fleisch sowie Nachspeisen. Mindestens einmal in der Woche habe es Masguf, einen über Kohlefeuer gegrillten Fisch oder gebackenen Fisch, „den Saddam liebte“, gegeben. Aus Barbecues für seine Freunde machte Hussein eine große Show. Er schüttete Tabasco-Sauce über die fertig angerichteten Grillspezialitäten und wartete, ob sich jemand beschwerte – es kam nie dazu, so Ali.

Geld für Fleisch von Koch zurückgefordert

Die Speisen für den irakischen Diktator mussten auch immer vorgekostet werden, groß war die Angst, vergiftet zu werden. Die Maßnahme wird schon seit der Antike angewandt, um Herrscher vor Giftanschlägen zu schützen. An „seinen schlechten Tagen“, an dem es ihm nicht geschmeckt habe, habe Hussein auch immer das Geld für das Fleisch oder den Fisch von Ali zurückgefordert. Hätte ihm etwas geschmeckt, hätte er jedoch dem Koch auch wieder Geld gegeben. Ausgestattet waren die Köche mit Luxusuniformen aus Italien, die sie zweimal im Jahr bekamen, schilderte Ali weiter.

Pol Pot, 1979
AP/KYODO News
Dem kambodschanischen Diktator Pol Pot hielt seine Köchin seit den Zeiten im Dschungel die Treue

Pol Pot und die Kobraherzen und der Elefant

Szablowski räumt auch mit Mythen auf. So kann sich die langjährige Köchin und Parteigängerin des kambodschanischen Despoten Pol Pot, Yong Moeun, nicht an die ihm zugeschriebene Leidenschaft für Kobraherzen erinnern. Yong war bereits an der Seite Pol Pots, als er mit seinen Getreuen noch die Revolution in Kambodscha von seiner Basis im Dschungel aus plante.

Laut Yong bevorzugte der „Bruder Nummer eins“ Huhn und Fisch. Auch Papayasalat auf thailändische Art mit Erdnüssen und thailändischer Fischsauce sei ein Lieblingsgericht des politischen und militärischen Führers der Roten Khmer gewesen. Yong kochte auch Delikatessen wie etwa Schildkröteneier für Pol Pot. Manchmal, wenn die Soldaten ein Tier geschlachtet hatten, kam auch Elefant auf den Tisch, heißt es weiter.

Hoxha „die ganze Zeit hungrig“

Auf derartige kulinarische Genüsse musste hingegen der Diktator der Sozialistischen Volksrepublik Albanien Enver Hoxha offenbar verzichten. Hoxha, der Albanien mit Bunkern überzog, hatte Diabetes und wurde von seinen Ärzten auf eine strenge Diät von 1.500 Kalorien pro Tag gesetzt. „Denken Sie nur daran, welche Art von Entscheidungen Sie treffen würden, wenn Sie die ganze Zeit hungrig und in einer schrecklichen Stimmung wären“, so sein ehemaliger Koch, der anonym bleiben wollte.

Enver Hoxha
AFP
Hoxha musste wegen Diabetes auf Diät bleiben

Zum Frühstück gab es ein Stück Käse, zum Mittagessen eine Gemüsesuppe und ein kleines Stück Lamm oder Fisch, zum Dessert saure Zwetschken und zum Abendessen Joghurt, schildert sein Koch die Diät Hoxhas. Wenn Hoxha in ganz schlechter Stimmung gewesen sei, habe er noch ein Extradessert bekommen – mit für Diabetiker geeignetem Süßstoff.

Überwachung auch beim Melken

Sein Koch stand unter 24-stündiger Totalüberwachung. Wenn er seinen Geburtsort besuchte, folgten ihm zwei Geheimpolizisten. Die Fischer, die für den Fang, der auf dem Tisch des Diktators landete, zuständig waren, wurden ebenfalls von Geheimdienstleuten begleitet. Ebenso die Bauern, die die Kühe melkten. So sollte sichergestellt werden, dass Hoxha nicht einem Giftattentat zu Opfer fällt.

Amins Koch in Todesgefahr

Der Diktator von Uganda, Idi Amin, entschied sich gerne laut seinem Koch Otonde Odera für Steak-and-Kidney-Pie, ergänzt durch ein Dessert aus Schokoladenpudding. Unklar ist, ob – wie oft kolportiert – Amin Menschenfleisch gegessen hätte. Die Beharrlichkeit des Gerüchts ist wohl eher auf Rassismus als auf tatsächlichen Kannibalismus zurückzuführen, schreibt die „Chicago Tribune“ in ihrer Buchkritik. Amins Koch wäre von seinem Arbeitgeber einmal beinahe erschossen worden, weil sein Sohn nach einem ausgiebigen Mahl Verdauungsbeschwerden bekam.

Idi Amin, 1978
AP
Amin bedrohte auch seinen Koch

Laut ihren eigenen Angaben wurden die meisten der Köche nicht lange gefragt, ob sie für den Machthaber arbeiten wollten, sondern von der Diktatorenentourage einfach in die Pflicht genommen – bei einigen dürfte es sich allerdings um eine noch Jahrzehnte danach zur Rechtfertigung dienende Schutzbehauptung handeln. So blieb etwa der Koch des albanischen Diktators Hoxha in dem Buch anonym – aus Angst vor Repressionen. Andere wie etwa die Chefköchin von Pol Pot haben eine lange Vergangenheit mit ihren ehemaligen Chefs und standen bzw. stehen diesen auch weiterhin politisch nahe.

„Hätte ich Saddams Angebot ausschlagen können?“

Ali, der Chefkoch Husseins, sah laut eigenen Angaben keine Möglichkeit, dem Job zu entkommen, wie die US-Zeitung „Star Tribune“ schreibt. „Hätte ich Saddams Angebot ausschlagen können? Ich weiß es nicht, ich habe vorgezogen, es nicht zu probieren“, wird Ali zitiert.

Die Köche seien Menschen mit kompliziertem, komplexem Charakter, so Szablowski in einem Interview mit dem öffentlichen US-Radiosender NPR. „Manchmal waren sie sehr leicht zu mögen, aber manchmal waren sie sehr leicht zu hassen. Sie sind keine einfachen Charaktere, weil es keine leichte Aufgabe war“, so Szablowski in dem Interview weiter.