Leere Straßen vor dem Eifelturm in Paris
Reuters/Pascal Rossignol
Vorbild für Europa?

Frankreich lockert zonenweise

Zahlreiche Länder haben nach wochenlangen Beschränkungen mit ersten Lockerungen begonnen. Vor allem Frankreich, Italien und Spanien wollen auf regionale Unterschiede Rücksicht nehmen. Paris etwa teilt das Land in grüne und rote Zonen. Dieses Modell könnte, auf europäischer Ebene umgesetzt, Tourismus und damit Sommerurlaub auch in Viruszeiten ermöglichen.

Frankreich startet am Montag mit den ersten Lockerungen nach fast zwei Monaten strenger Ausgangsbeschränkungen. Menschen dürfen wieder ohne Passierschein das Haus verlassen, sich aber nicht mehr als 100 Kilometer Luftlinie von ihrem Wohnort entfernen – außer bei Dienstreisen und familiären Notfällen.

Die Departements wurden vom Gesundheitsministerium in grüne und rote Zonen geteilt. Bei der Einteilung der Zonen gehen die Behörden nach mehreren Kriterien vor: Wenn die Fallzahlen sieben Tage zu hoch sind, die Spitäler und die regionalen Gesundheitsämter beim Testen und Suchen neuer Fälle und deren Kontaktpersonen an ihre Grenzen stoßen, soll eine Gebiet in die rote Zone fallen.

Eine Frau auf der Pont des Arts Brücke in Paris
Reuters/Benoit Tessier
Der Großraum Paris ist vom Coronavirus besonders stark betroffen und fällt daher in die rote Zone

Mehr Beschränkungen in roten Zonen

Zu den roten Gebieten zählen etwa der Großraum Paris, die Region Grand Est an der Grenze zu Deutschland und das Überseegebiet Mayotte. Dort ist das Coronavirus noch besonders aktiv, entsprechend mehr Beschränkungen wird es weiterhin geben. So braucht man etwa in Paris zu Stoßzeiten der Metro ab Montag einen verpflichtenden Nachweis des Arbeitgebers, dass man nicht zu Hause arbeiten kann und den Arbeitsplatz aufsuchen muss. Dadurch sollen überfüllte Verkehrsmittel verhindert werden. Nach einer dreiwöchigen Beobachtungsphase könnten dann die grünen Zonen schneller mehr Freiheiten bekommen als die roten.

Frankreich baut damit bei seiner Öffnungsstrategie auf das von dem Mathematiker Miquel Oliu-Barton (Universität Paris-Dauphine) und dem Volkswirt Bary Pradelski (Centre national de la recherche scientifique, CNRS) entwickelte „Green Zone“-Modell.

Leichterer Austausch zwischen grünen Zonen

In den grünen Zonen bestehe ein geringeres Infektionsrisiko, so die Wissenschaftler. Zwischen diesen sollen sich die Menschen daher auch wieder leichter bewegen können. Mit Veränderung der Infektionszahlen können die Farben der Zonen und damit auch die Freiheiten rasch wieder geändert werden. „Indem Reisen zwischen roten und grünen Zonen begrenzt wird, können kaum noch lange, schwer nachvollziehbare Infektionsketten entstehen“, sagte Pradelski im Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ („SZ“).

Die Zoneneinteilung auf europäischer Ebene könnte das Reisen auch in Coronavirus-Zeiten innerhalb von Europa ermöglichen, sind die Wissenschaftler überzeugt. Dafür brauche es ein Netzwerk von einheitlich definierten grünen Zonen in den europäischen Ländern. Das sei auch aus wirtschaftlicher Sicht für viele Regionen insbesondere in Südeuropa wichtig.

Pradelski und Oliu-Barton sehen hier die Europäische Union gefragt. Denn einerseits müsse man die Kriterien für die grünen Zonen einheitlich definieren. Andererseits brauche es auch eine Kontrollinstanz, damit nicht zugunsten des Tourismus regionale Infektionszahlen geschönt werden. Das Europäische Zentrum für Krankheitsprävention und -kontrolle (ECDC) könnte nach Meinung der Wissenschaftler diese Rolle übernehmen.

„Brauchen regionale Differenzierungen“

Die Strategien der Länder bei der Lockerung der Vorschriften im Zuge der Pandemie sind unterschiedlich. Aber auch dort, wo bisher Zurückhaltung bei regional unterschiedlichen Zugängen herrschte, gibt es nun mehr Offenheit. In Österreich sprach der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) schon Mitte April als einer der Ersten öffentlich von differenzierten Lockerungen.

So könnten etwa Länder, Bezirke und Städte mit wenigen Infizierten früher in einen Normalbetrieb gehen, meinte er damals. Sein Bundesland war gering vom Coronavirus getroffen. Doch es blieb bei den bundesweit einheitlichen Regeln.

Am Donnerstag meinte nun aber auch Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), dass angesichts einer möglichen zweiten Welle ein „regional gut zugeschnittenes Vorgehen und ein treffsicheres Containment“ notwendig sei. Details nannte er nicht. In Deutschland setzte sich zuletzt der bayrische Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder für regional unterschiedliche Beschränkungen des öffentlichen Lebens ein: „Wir brauchen regionale Differenzierungen.“