EZB hält trotz Urteil an Anleihekäufen fest

Die Europäische Zentralbank (EZB) wird trotz des Urteils des deutschen Bundesverfassungsgerichts ihre umstrittenen Wertpapierkäufe fortsetzen. Das geschehe im Einklang mit dem Mandat der Notenbank, sagte Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel der italienischen Tageszeitung „La Repubblica“ (Montag–Ausgabe).

Schnabel bekräftigte, nur der Europäische Gerichtshof (EuGH) sei auf juristischer Ebene für die EZB und deren Handeln zuständig. „Er entschied 2018, dass das PSPP legal ist“, sagte Schnabel mit Blick auf das von Karlsruhe kritisch gesehene Kaufprogramm (Public Sector Purchase Programme). Zuvor hatte bereits EZB-Präsidentin Christine Lagarde deutlich gemacht, dass die EZB nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts an ihrem Kurs festhalten wird.

Die EU-Kommission wiederum will bei einem möglichen Vorgehen gegen Deutschland wegen des umstrittenen EZB-Urteils des Bundesverfassungsgerichts Vorsicht walten lassen. Die möglichen Folgen eines Vertragsverletzungsverfahren müssten sehr genau abgewogen werden, warnten Rechtsexpertinnen und -experten der Brüsseler Behörde. Ein Kommissionssprecher betonte, Brüssel halte sich die Entscheidung über die Einleitung eines derartigen Verfahrens und den Zeitplan dafür offen.

Von der Leyen schließt Vertragsverletzungsverfahren nicht aus

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte am Wochenende ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland nicht ausgeschlossen, nachdem sich das deutsche Bundesverfassungsgericht offen gegen eine Entscheidung des EuGH gestellt hatte. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hatte in der vergangenen Woche die milliardenschweren Staatsanleihekäufe der EZB beanstandet (Az. 2 BvR 859/15 u. a.).

Die Deutsche Bundesbank darf sich künftig nur an den milliardenschweren Käufen beteiligen, wenn der EZB-Rat deren Verhältnismäßigkeit nachvollziehbar darlegt. Das oberste deutsche Gericht gab der Bundesregierung drei Monate Zeit, die EZB zu einer Überprüfung des Programms zu bewegen. Erstmals stellte sich Karlsruhe mit seiner Entscheidung gegen ein Urteil des höchsten EU-Gerichts.

Merkel zuversichtlich

Die EU-Kommission hatte daran erinnert, dass Urteile des EuGH für alle Mitgliedstaaten bindend seien. Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hält die Lage für schwierig, äußerte sich aber auch zuversichtlich hinsichtlich einer möglichen Lösung. In einer Videokonferenz des CDU-Präsidiums nannte die Kanzlerin das Urteil nach Informationen der dpa aus Teilnehmerkreisen heilbar, wenn die EZB ihr Vorgehen beim Ankauf von Staatsanleihen erläutere.

Merkel habe eingeräumt, es sei eine heikle Situation, weil es Beifall für das Urteil von anderen europäischen Staaten gegeben habe. Polen, dessen nationalkonservative PiS-Regierung seit Jahren das Justizwesen des Landes umbaut und deswegen Ärger mit dem EuGH hat, hatte das Karlsruher Urteil gelobt. Merkel nannte Polen in der Videokonferenz den dpa-Informationen zufolge nicht ausdrücklich.

Die deutsche Kanzlerin forderte, der aktuellen Situation müsse von allen Seiten mit Klugheit begegnet werden. Merkel habe damit sowohl die deutsche Bundesregierung als auch die EU und die EZB gemeint, hieß es zur Erläuterung. Merkel habe betont, die Unabhängigkeit der EZB sei für Deutschland maßgeblich.