Nelly Sachs: Das Unsagbare lyrisch verarbeiten

Vor 50 Jahren ist die deutsch-schwedische Nobelpreisträgerin Nelly Sachs gestorben, deren lyrisches Schaffen bis heute eine der bedeutendsten künstlerischen Auseinandersetzungen mit dem Holocaust darstellt.

Am 10. Dezember 1891 als Leonie Sachs im heutigen Berlin-Schöneberg in eine großbürgerliche jüdische Familie geboren, fand sie bereits als Jugendliche zur Lyrik, veröffentlichte ihren ersten Gedichtband „Legenden und Erzählungen" aber erst 1921.

Auf der Flucht vor den Nazis

In den 1930er Jahren vertiefte sie sich, während sich der politische Aufstieg der Nationalsozialisten vollzog, in Schriften zur jüdischen Mystik, die ab dieser Zeit in ihr Werk Eingang fand. Ihre eigene Situation in Berlin verschärfte sich durch die Verfolgung der Nazis zunehmend, weshalb Sachs 1940 nach Schweden floh.

Die Flucht, die sie gemeinsam mit ihrer Mutter antrat, wurde durch die seit 1907 andauernde Brieffreundschaft zur schwedischen Schriftstellerin Selma Lagerlöf begünstigt, die 1909 den Literaturnobelpreis erhielt. Auch die Fürsprache des schwedischen Prinzen Eugen begünstigte die Emigration nach Stockholm.

Frühe Thematisierung des Holocaust

In den Nachkriegsjahren, die Sachs in Armut verbrachte, begann sie aus dem Schwedischen zu übersetzen, 1953 erhielt sie die schwedische Staatsbürgerschaft. Ihr 1947 erschienener Band „In den Wohnungen des Todes“ ist eine der ersten literarischen Auseinandersetzungen mit dem Holocaust und gilt neben Paul Celans „Todesfuge“ als bedeutendste in der Lyrik.

Hierin thematisiert sie die Ermordung und Verbrennung von Juden im NS-Vernichtungslager Auschwitz und führt imaginäre Dialoge mit den Getöteten. In ihrem späteren Schaffen kreist Sachs zunehmend um die Fluchterfahrung und intensiviert ihre Beschäftigung mit der jüdischen Mystik, besonders der Kabbala.

Literaturnobelpreis 1966

1966 erhielt Sachs gemeinsam mit Schmuel Josef Agnon den Literaturnobelpreis. Ihre Rezeption in Deutschland unterlag lange Zeit einer Wahrnehmung Sachs’ als „Versöhnungsfigur“ zwischen den Überlebenden des Holocaust und den Tätergesellschaften. Ihr wurden bedeutende Preise verliehen und 1960 zu ihren Ehren der Nelly-Sachs-Preis der Stadt Dortmund gestiftet. Eine Rückkehr nach Deutschland schloss sie allerdings aus.

Ihre erste Deutschland-Reise nach der Flucht unternahm sie 1960. In der Folge erlitt sie einen Nervenzusammenbruch, der ihre psychische Gesundheit für mehrere Jahre schwer beeinträchtigte. Sachs erlag am 12. Mai 1970 in Stockholm einer Krebserkrankung.