Abstimmung im Nationalrat
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Covid-19-Gesetze

Nationalrat überstimmte Bundesrat

Der Nationalrat hat am Mittwoch das Veto des Bundesrats gegen insgesamt vier Covid-19-Gesetzespakete aufgehoben. Mittels Beharrungsbeschluss wurde unter anderem das Epidemiegesetz ein zweites Mal verabschiedet. Ein weiterer Einspruch der Länderkammer ist nicht mehr möglich.

Am strittigsten war die Novelle zum Epidemiegesetz, der nur ÖVP und Grüne zustimmten. Dabei geht es weniger um die Rahmenbedingungen für im Zuge der Coronavirus-Krise vorgesehene Screening-Programme. Skeptisch betrachtet wurden von der Opposition ein weiteres Mal die Möglichkeiten, den Zugang zu Veranstaltungen zu regeln. Diese können an die Einhaltung bestimmter Voraussetzungen oder Auflagen gebunden oder auf bestimmte Personen- und Berufsgruppen eingeschränkt werden.

Keine Kriterien dürfen dabei neben der Verwendung von Contact-Tracing-Technologie Risikogruppe, Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Alter, Religion, Weltanschauung und sexuelle Orientierung sein. Diese Einschränkung hatte die Koalition ja auf Wunsch der Opposition definiert. Dass trotzdem Ablehnung im Nationalrat und das Veto im Bundesrat kam, empörte die Mandatare und Mandatarinnen von ÖVP und Grünen.

Gesundheitsminister Anschober verteidigt Vorgehen

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) hat am Mittwoch im Nationalrat die vier vom Bundesrat beeinspruchten Covid-19-Gesetze verteidigt. Man müsse jetzt handeln, so der Minister.

NEOS stimmte teilweise mit

Der zweite zwischenzeitlich blockierte Beschluss, bei dem NEOS mit der Koalition mitging, dreht sich um den Anerkennungsfonds für freiwilliges Engagement. Diesem wird ermöglicht, auch Aktivitäten und Initiativen zu fördern, die zur Bewältigung der Coronavirus-Krise geleistet wurden. Dafür werden dem Fonds 600.000 Euro aus dem Krisenbewältigungsfonds zur Verfügung gestellt.

Gesetzespaket Nummer drei, das zum zweiten Mal nur von ÖVP und Grünen beschlossen wurde, war ein Steuerpaket, das zwischen 13. April und 1. August Lieferungen und innergemeinschaftlichen Erwerb von Schutzmasken steuerfrei stellt. Weiters in der Novelle enthalten ist die Ermächtigung, dem von der Europäischen Investitionsbank in der Coronavirus-Krise errichteten Garantiefonds 650 Millionen zuzuweisen und Bundeshaftungen in Form von Garantien bis zu einem Betrag von 720 Millionen Euro übernehmen zu können, um das Instrument der Kurzarbeit auf europäischer Ebene zu unterstützen.

SPÖ-Chefin Rendi-Wagner übt Kritik an den Gesetzen

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner kritisierte am Mittwoch die Covid-19-Gesetze der Regierungskoalition. Überhaupt warf sie der Regierung eine „Showpolitik“ vor.

Auch noch – mit Unterstützung von NEOS – bestätigt wurde ein Paket, das Verwaltungsverfahren betrifft und gewisse Einschränkungen beim Parteienverkehr als eine seiner Folgen hat. Zudem wird die Frist zur Bewältigung der Integrationsvereinbarung verlängert.

Rendi-Wagner: „Showpolitik“

Die Stimmung zwischen Opposition und Regierungskoalition ist alles andere als gut. SPÖ-Klubchefin Pamela Rendi-Wagner bestritt den Auftakt und warf der Regierung „Showpolitik“ vor, die weder Unternehmern helfe noch Arbeitslosen einen Job oder Künstlern eine Perspektive bringe. Die Hilfen seien zu wenig, kämen zu spät und seien zu bürokratisch. Was es brauche, seien ein neues Konjunkturpaket und eine Erhöhung des Arbeitslosengelds.

FPÖ-Klubchef Herbert Kickl
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FPÖ-Klubchef Herbert Kickl forderte Widerstand gegen den „Coronawahnsinn“

Deftiger wurde es wenig später bei FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl. Widerstand gegen den „Coronawahnsinn“ sei angebracht, so der freiheitliche Fraktionschef, der der Koalition eine „autoritäre Geistesdurchseuchung“ attestierte und Fantasien zur Zwangsüberwachung der eigenen Bevölkerung ortete. An Vetos durch den Bundesrat werde man sich gewöhnen müssen: „Das ist normal im Gegensatz zu dem Ausnahmezustand, der in Ihren Hirnen herumschwirrt.“

NEOS-Sozialsprecher Gerald Loacker attackierte die Koalition ebenfalls: Diese agiere seit Monaten mit einer Politik der Unsicherheit. So sieht er auch die wahren Gründe für die Novellierung des Epidemiegesetzes, die unter anderem den Zugang zu Veranstaltungen regelt, verdeckt: „Darum misstrauen wir Ihnen.“ Die Behörde habe künftig einen riesengroßen Spielraum – „und dem sind die Bürger ausgeliefert“.

ÖVP und Grüne verstehen Opposition nicht

Die Koalition konnte die Kritik nicht nachvollziehen. Sozialminister Rudolf Anschober (Grüne) sagte etwa, dass die Novelle eine massive Verbesserung gegenüber dem Status quo sei, weil viel mehr Veranstaltungen möglich würden. Für reichlich unnötig hielten die Fraktionschefs der Koalition, dass der Bundesrat überhaupt Einspruch gegen vier Gesetze eingelegt hatte.

ÖVP-Klubchef Wöginger versteht Opposition nicht

ÖVP-Klubobmann August Wöginger versteht die Kritik der Opposition nicht. „Corona findet ja anscheinend nicht statt“, sagte er ironisch in Richtung SPÖ, FPÖ und NEOS.

ÖVP-Klubobmann August Wöginger meinte in Richtung Opposition: „Corona findet ja anscheinend nicht statt.“ Österreich sei offenbar unter der Glaskuppel. Dass SPÖ und FPÖ auch die 600.000 Euro für freiwilliges Engagement in der Coronavirus-Krise beeinspruchten, „das verstehe, wer will“.

Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer erinnerte Kickl daran, dass ihm noch vor kurzem der „Lock-down“ nicht scharf genug gewesen sei. Solche spontanen Sinneswandel seien in einer Krise eben nicht möglich, wenn man in Verantwortung sei. Anschober fürchtete, dass mit der Oppositionsrhetorik das falsche Signal gesetzt werde, dass die Krise schon vorbei sei.

Unterausschuss weiter in Schwebe

Ob es zu einem parlamentarischen Unterausschuss zur Begleitung der Coronavirus-Hilfspakete kommt, bleibt in der Schwebe. Die Opposition brachte geschlossen einen Fristsetzungsantrag ein, der eine Behandlung der entsprechenden Initiative bis 25. Mai sicherstellen sollte. Die Koalition lehnte das ab.

Abgeordnete auf der Galerie des Nationalrats
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Auch am Mittwoch wurden die 183 Abgeordneten im ganzen Sitzungssaal aufgeteilt, um einen Mindestabstand zu garantieren

Aus der ÖVP wurde argumentiert, dass sich die Oppositionsparteien nicht mehr weigern sollten, in den Beirat der Covid-19-Finanzierungsagentur (COFAG) einzutreten. Würden sie hier mitmachen, könne man auch über einen Unterausschuss reden. Die Opposition wiederum beschickt den Beirat nicht, weil sie ihn für zahnlos hält. Stattdessen hat man einen parlamentarischen Unterausschuss beantragt, der gemäß ihren Vorstellungen sehr weitreichende Kompetenzen hätte.